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       # taz.de -- Aktivismus im Profisport: Politische Protestfolklore
       
       > Der Profisport wird zur Bühne für Gesellschaftskritik. Mittlerweile
       > organisieren die Verbände selbst die Proteste. Man kann das absurd
       > finden.
       
   IMG Bild: In korrekter Protesthaltung: Spieler von England und San Marino vor dem Anpfiff
       
       Der Profisport ist weiter im Protestmodus. Es wird fleißig gekniet, und
       immer häufiger finden sich politische Botschaften auf Sporttextilien, die
       von Profis in die Arenen getragen werden. Aus dem wütenden Protest
       einzelner Sportler:innen ist längst eine Art Ritus geworden. Die
       Verbände selbst sind es, die die Botschaften auf der Wäsche ihrer
       Athlet:innen auftragen.
       
       So sind nun [1][nach den Fußballverbänden Norwegens und Deutschlands] auch
       dänische und belgische Nationalspieler mit Appellen für Menschenrechte auf
       ihren Aufwärm-T-Shirts ins Stadion geschickt worden. Es scheint, als wolle
       der organisierte Profifußball auch mal zu den Guten gehören. Ganz so leicht
       ist das natürlich nicht, wenn die Verbände, die Menschenrechtsparolen auf
       das Feld tragen, gerade versuchen, sich für eine WM in ausgerechnet Katar
       zu qualifizieren.
       
       In den USA wird der mittlerweile beinahe schon institutionalisierte
       Protest, der über den Footballstars [2][Colin Kaepernick] in den Profisport
       gekommen ist, gerade auf die Spitze getrieben. Während Kaepernick mit einem
       Platz im sportlichen Abseits bestraft wurde, weil er es gewagt hatte, durch
       einen Kniefall während der Nationalhymne auf den Rassismus in der
       US-Gesellschaft hinzuweisen, hat sich die Basketballliga NBA zu einer
       wahren „Black Lives Matter“-Show entwickelt.
       
       Das Anliegen ist ernst, und gewiss wird es auch von den Spielern ernst
       genommen. Orchestriert aber wird der Protest von der Liga, die die Auswahl
       der Botschaften, mit denen die Spieler auflaufen, selbst bestimmt hat.
       „Black Lives Matter“; „I can’t breathe“; „Justice“; „Peace“ oder „Equality“
       lauten Aufschriften, mit denen die Parolen der Protestbewegung gegen
       Rassismus und rassistische Polizeigewalt in die Arenen getragen werden.
       
       ## Die erlaubte Faust
       
       Auch der olympische Sport in den USA hat nun eine offizielle
       Protestgenehmingung. Das Olympische und Paralympische Komitee der USA hat
       Richtlinien veröffentlicht, an denen die Teilnehmer:innen an
       Olympiaqualifikationen ablesen können, welche Protestformen zulässig sind.
       Gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeit darf man etwa auf seiner
       Kappe protestieren. Knien ist ebenso erlaubt wie das Zeigen einer geballten
       Faust. Der organisierte Protest ist zu einem Bestandteil der Sportkultur
       geworden.
       
       Kein Wunder, dass sich die Frauen der US-amerikanischen
       Fußballnationalmannschaft dafür entschieden haben, künftig wieder zu
       stehen, wenn die Nationalhymne gespielt wird. Außenverteidigerin Crystal
       Dunn stellte die Frage: „Soll ich noch 30 Jahren niederknien?“ Sie meint,
       die Leute müssten jetzt endlich wirklich etwas gegen Rassismus unternehmen
       und nicht einfach mitmachen, um an einem Trend teilzunehmen.
       
       Es gibt indes auch noch Akteure in der Welt des Profifußballs, für die es
       alles andere als wohlfeil ist, sich an einer der üblich gewordenen
       Protestaktionen zu beteiligen. So erntete der russische Schiedsrichter
       Kirill Lewnikow in seiner Heimat einen kleinen Shitstorm, weil er zusammen
       mit den Spielern vor der Partie England gegen San Marino in die Knie
       gegangen war. Sein Kollege Sergei Karassjow dagegen wurde gefeiert, weil er
       jüngst beim Champions-League-Spiel von Manchester City gegen
       Mönchengladbach den Kniefall verweigert hat.
       
       31 Mar 2021
       
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