# taz.de -- Aktivistin zu Demos gegen rechts: „Auch im Alltag dagegenhalten!“
> Gegen die AfD braucht es nachhaltiges Engagement, sagt Clara Seifert* von
> der Interventionistischen Linken. Die aktuellen Demos seien dafür
> zentral.
IMG Bild: Protest auf der Straße ist gut und wichtig, aber nachhaltiges Engagement gegen die AfD auch
taz: Frau Seifert, seit Jahren waren nicht mehr [1][so viele Menschen gegen
Rechts auf der Straße] wie in den vergangenen Tagen. Wie erklären Sie sich
diesen Zulauf?
Clara Seifert: Das ist so eine klassische Dynamik sozialer
Protestbewegungen. Die [2][Correctiv-Recherche] hatte dafür einen zentralen
Wert. Sie hat Bedrohungsszenarien durch Parteien wie die AfD für die
bürgerliche Mitte greifbar gemacht. Dadurch ist ein Moment entstanden,
etwas sehr Konkretes, auf das man sich beziehen konnte, woran sich Menschen
gestört haben. Und wenn vielerorts richtig viele Leute auf die Straße
gehen, dann ist es für andere Orte auch leichter, sich anzuschließen.
Sie organisieren [3][schon länger Demonstrationen gegen
Rechtsextremist*innen]. Finden Sie es nicht fragwürdig, dass die
bürgerliche Mitte erst jetzt auf die Straße geht?
Nein, es ist natürlich positiv, dass jetzt so viele Leute demonstrieren.
Man kann sich über jede Person freuen, die es verstanden hat. Wir sind auch
darauf angewiesen, dass die antifaschistischen Proteste aus einer fast
schon schmuddeligen Ecke rausgeholt und breiter getragen werden. Das zeigt,
dass das nicht nur ein Protest von irgendwelchen linken Studis ist, die
sich in ihrer Jugend ausprobieren wollen, sondern dass es darum geht, dass
die aktuelle politische Lage die gesamte Zivilgesellschaft bedroht.
Oftmals wirken in großen, breiten Protestbewegungen Spaltungskräfte. Den
Linksradikalen ist die Mitte zu lasch, der Mitte sind die Radikalen zu
krass. Wird das auch für die aktuellen Proteste ein Problem?
Das gilt es zu vermeiden. Und hier sehe ich auch uns als
[4][interventionistische Linke], die ja häufig auf ihre Scharnierfunktion
pocht, in der Pflicht, dem entgegenzuwirken. Es braucht sowohl die autonome
Praxis als auch den bürgerlichen Protest. Alles davon muss in der Breite
vorhanden sein, um möglichst viele Menschen zu erreichen.
Genau darauf kommt es jetzt an: den Moment zu nutzen, die Proteste auf
möglichst breite Füße zu stellen und den Elan, der jetzt gerade auf die
Straße getragen wird, aufzufangen und beizubehalten. Damit auch nach den
Septemberwahlen, bei einer potenziellen AfD-Regierungsbeteiligung, immer
noch Leute auf die Straße gehen und sagen „Nee, das finden wir nicht in
Ordnung!“
Wie kann das gelingen?
Erst mal ist es super, weiter zu mobilisieren. Man sieht ja gerade auch
noch steigende Zahlen bei den Demonstrationsteilnahmen. Es gibt in vielen
Teilen der Gesellschaft eine Aufbruchsstimmung, Momente von: „Irgendwas
muss man doch noch machen!“ Aber man muss sich schon auch bewusst werden,
dass das nicht für immer so sein wird. Um Frustrationsmomente
vorwegzunehmen, braucht es Angebote, die engagierte oder aufgebrachte
Personen wahrnehmen können.
Was meinen Sie mit „Frustrationsmomente“?
Dieses Gefühl von: „Wir gehen seit Wochen jeden Sonntag demonstrieren, und
jetzt ist es wieder vorbei, weil keiner mehr kommt.“ Das kann dazu führen,
dass wir engagierte Menschen verlieren. [5][Deshalb müssen Bündnisse,
Initiativen, Kampagnen und auch Organisationen wie wir Angebote schaffen],
damit die Leute sich auch weiter treffen und aktiv sein können, wenn es
keine großen Demonstrationen mehr gibt.
Gerade kleinere zivilgesellschaftliche Träger in ländlichen Räumen im Osten
machen das bereits seit Jahren und leisten damit wichtige Arbeit. Da lohnt
es auch den Blick hinzuwerfen und andere Narrative zu stärken als: „Naja,
da gibt's halt nur Nazis“. Das ist nicht der Fall.
Wen sehen Sie noch in der Verantwortung?
Salopp gesagt alle demokratischen Akteure, die es gibt und die mit uns
daran arbeiten, eine progressive Zivilgesellschaft zu schaffen. Also von
Gewerkschaften über freie Bündnisse, über außerparlamentarische
Organisationen und die Streikbewegung. Und auch die Linkspartei lässt sich
hier nicht rausnehmen, gerade jetzt [6][durch die laufenden
Erneuerungsprozesse].
Viele denken, ohne die CDU lässt sich der Kampf gegen die AfD nicht
gewinnen.
Für diese These müsste man davon ausgehen, dass die CDU mit Sicherheit
nicht mit der AfD koalieren möchte. [7][Diese Sicherheit gibt es zumindest
in Sachsen und in Thüringen nicht.] Das zeigt sich einerseits in der Nähe
der Standpunkte und andererseits auch in diesem Narrativ der Brandmauern.
Die sind ja in allen möglichen Bundesländern auf kommunaler Ebene gar nicht
vorhanden.
Auch im Landtag in Sachsen ist es nicht so, dass die CDU da eine klare
Kante zeigt. Im Gegenteil. Nicht umsonst hat AFD-Mann Tino Chrupalla
kürzlich in einem Interview gesagt, dass Michael Kretschmer ihm nicht immer
die Slogans klauen solle.
Kretschmer war am Wochenende auch auf einer Demo gegen Rechts. Auch andere
Parlamentarier haben sich gezeigt und zum Teil Redebeiträge gehalten.
Man sollte sehr kritisch hinterfragen, in welchen Rollen die
Politiker*innen der Ampelparteien und auch der CDU an diesen
Demonstrationen teilnehmen. Wir sehen da sehr viel Profilierung und Appell
an demokratische Bürgerinnen. Und wir sehen da sehr wenig bis eigentlich
keine Reflexion der eigenen Mitverantwortung am Erstarken der AfD und dem
politischen Rechtsruck.
Man kann sich nicht unter der Woche im Plenum hinsetzen und für ein
Rückführungsgesetz stimmen, das das Recht auf Asyl aussetzt, und sich dann
am Sonntag auf eine Demo stellen und sagen: „Hier, was die AfD macht, das
ist ganz schlimm!“
Lässt sich die AfD als Regierungspartei in Sachsen überhaupt noch
verhindern?
Das wird sich erst am Wahltag zeigen. Die aktuellen Proteste werden das
Wahlergebnis aber nicht einfach so umstoßen. Wichtig ist, dass die Leute,
die jetzt auf diese Demonstration gehen, verstehen, dass sie ihre Haltung
nicht nur einmal sonntags auf einer Demo präsentieren müssen, sondern in
ihren alltäglichen Lebenssituationen, in ihren Familien, Freundeskreisen
und Arbeitsumfeldern. [8][Das ist eine ganz andere Herausforderung.] Aber
wenn das gelingt, dann könnte es noch eine reelle Chance geben, die
Prozente der AfD zu kippen.
Die Proteste haben gerade keine Wirkung?
Doch. Sie sind sehr wesentlich dafür, dass Menschen sich dazu bekräftigt
fühlen, im Alltag zu widersprechen. Sie sehen bei den Protesten: „Hey, ich
bin ja gar nicht unbedingt in der Minderheit. Es gibt ja sehr viele andere,
die sehen das genauso wie ich. Die strengt der ganze rechte Scheiß genauso
an.“ Das ist ein Effekt, den es nicht zu unterschätzen gilt.
Auch marginalisierten Gruppen, die am härtesten von Rechtsextremismus
betroffen sind, zeigt das, dass sie nicht alleine sind. Und gleichzeitig
löst das die Probleme nicht. Man muss die Leute dazu befähigen, sich
bestenfalls irgendwo zu organisieren, sich anzuschließen, [9][aktiv etwas
in die Hand zu nehmen] oder halt im kleinsten Maße in ihrem Umfeld etwas zu
verändern.
26 Jan 2024
## LINKS
DIR [1] /Demos-gegen-rechts/!5986381
DIR [2] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen/
DIR [3] /Demos-fuer-eine-offene-Gesellschaft/!5610291
DIR [4] https://interventionistische-linke.org/tags/leipzig
DIR [5] /Demonstration-gegen-AfD/!5982950
DIR [6] /Promis-fuer-die-Linkspartei/!5973576
DIR [7] /Union-und-Demokratie/!5979215
DIR [8] /Wie-mit-Rechten-reden/!167750/
DIR [9] /Aktivist-ueber-Antifaschismus/!5930910
## AUTOREN
DIR Tobias Bachmann
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