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       # taz.de -- Alba Berlin-Geschäftsführer im Interview: "Wir haben Fehler gemacht"
       
       > Marco Baldi, Geschäftsführer von Alba Berlin, erklärt, wie er mit weniger
       > Geld und neuem Coach der Konkurrenz ein Schnippchen schlagen will.
       
   IMG Bild: Alba-Geschäftsführer Marco Baldi sieht seinen Verein in der kommenden Saison gegen Bamberg und München gut aufgestellt.
       
       taz: Herr Baldi, alle schauen auf den Aufsteiger FC Bayern München. Sind
       die Bayern die neue Lokomotive der Basketball-Bundesliga? 
       
       Marco Baldi: Ich sehe Bayern München als Geschenk. Die meinen es ernst. Die
       bringen sicherlich viel Wind in die Liga.
       
       Inwiefern? 
       
       Sie werden die Mentalität in der Liga weiter verändern. Um es provokativ zu
       sagen: Statt der Nivellierung das Wort zu reden, wird mittlerweile
       offensiver gedacht.
       
       Nivellierung? 
       
       Ja, damit haben wir uns viel zu lange herumgeschlagen. Es gab ja die
       abstrusesten Ideen. Es sollte ein Salary-Cap, also Gehaltsobergrenzen in
       der Liga, eingeführt werden, um den Spielern sagen zu könnten: Mehr Geld
       gibt es hier nicht. Ich bin aber ein Mensch, der an Qualität glaubt. Nur
       Qualität setzt sich am Ende durch.
       
       Bayern München verstärkt also den kompetitiven Charakter der Liga, und das
       finden Sie toll? 
       
       Genau. Und nicht nur das. Sie kommen ja nicht nicht nur mit dem
       Vorschusslorbeer. Sie haben ja schon jetzt etwas geschafft. Eine
       Zweitligasaison unter absoluten Erstligabedingungen zu spielen, das muss
       man erst mal durchziehen.
       
       Aber letztlich ist Bayern doch nur ein weiterer Konkurrent für Alba. 
       
       Alba war und ist im deutschen Basketball in vielen Bereichen ein Vorreiter.
       Die Lokomotivfunktion haben wir über eine lange Zeit gehabt. Aber jetzt
       müssen für die Lokomotive ein paar neue Gleise hinzukommen, auf der sie
       fahren kann. Dafür sorgen nun auchdie Bayern. Es wird uns sehr helfen, wenn
       der Markt wächst.
       
       Sind Sie Bayern-Fan? 
       
       Ich wurde heute gefragt, ob wir gekränkt sind (lacht), dass jetzt Bayern so
       viel Licht abkriegt. Aber Bayern muss sich erst mal behaupten. So wie wir
       das auch immer müssen.
       
       Weil jeder Alba schlagen will? 
       
       In Bamberg halten 70 Prozent der Zuschauer nicht Schilder mit "Hurra, wir
       sind Meister" hoch, sondern "Albakiller". Das muss man sich erarbeiten.
       Dieses Potenzial bringen die Bayern mit, einfach weil sie die Bayern sind.
       
       Mit der verstärkten Konkurrenz kann es aber sein, dass Alba in der
       Hierarchie der Liga zurückfällt. Ist das kein Problem für Sie? 
       
       Dann waren wir nicht gut genug. Wer Sport macht, begibt sich in Wettbewerb.
       Wir werden den Wettbewerb mit Bayern München annehmen. Wir wollen aus
       unseren Möglichkeiten das Beste machen.
       
       Letztlich trifft das Alba ja in einer sehr speziellen Situation. Das Team
       scheint auf der Suche nach sich selbst zu sein. Sie haben innerhalb von ein
       paar Monaten schon den dritten Trainer verpflichtet? 
       
       Neu ist, dass wir nicht mehr der Klub sind, der in Deutschland am meisten
       für seine Profis ausgibt. Darauf sind wir aber nicht stolz, wie manche
       meinen könnten.
       
       Bamberg liegt jetzt vorn. 
       
       Ja, auch wenn es der Freund Heyder aus Bamberg (Manager der Franken; d.
       Red.) nicht gern zugibt und gerne sein Märchen weiterverkaufen möchte, dass
       sich die fränkische Trutzburg gegen die Großen durchsetzt.
       
       Wir als kleines gallisches Dorf schaffen es durch Gewieftheit, Intelligenz
       und Zusammenhalt - das ist der Bamberger Ansatz. Dieses Märchen stimmt aber
       nicht. Bamberg hat 50 Prozent mehr Budget für das Profiteam als jedes
       andere Team in der Liga zur Verfügung. Herzlichen Glückwunsch!
       
       Alba, der Underdog? 
       
       Ich sehe das als Herausforderung an. Wir wollen auch da wieder die Nummer
       eins werden. Für uns gilt jetzt mehr denn je: Wir müssen attackieren.
       
       Was heißt das konkret? 
       
       Wir haben erst einmal den richtigen Trainer für diese Situation gesucht.
       Wir haben uns gefragt: Wer bringt es mit, das Unbedingte. Das war Gordon
       Herbert.
       
       Warum haben Sie das seinem Vorgänger Muli Katzurin denn nicht zugetraut? 
       
       Das war eine schwere Entscheidung. Es ging aber gar nicht darum, wer der
       Allerbeste ist, sondern wer ist für die Situation, in der wir uns heute und
       wahrscheinlich auch in den nächsten drei bis fünf Jahren befinden, der
       Passendste.
       
       Also man will mit Herbert eine neue Ära begründen? 
       
       Oh, da bin ich vorsichtig. Das sind immer so große Begriffe.Wir haben die
       Trainerfrage von allen Seiten gewendet, getastet und befühlt. Und wir
       glauben, das ist der Trainer, der zu uns passt und hervorragend Spieler
       entwickeln kann. Da hat er richtig Bock drauf. Außerdem hat er so etwas
       Unbeugsames. Die Mannschaften, die er geführt hat, waren immer am Limit.
       
       Nachhaltigkeit gab es bei Alba immer in der Vereinsführung, fast immer auf
       der Trainerposition. Aber beim Spielerkader fällt die hohe Fluktuation auf.
       In den letzten fünf Jahren sind etwa 40 Spieler gegangen und gekommen. 
       
       Ich glaube, dass wir auf allen Gebieten nachhaltig arbeiten. Was wir in den
       letzten Jahren zu wenig hatten, ist Kontinuität innerhalb des Profiteams.
       Kontinuität ist aber kein Selbstzweck. Kontinuität ist wünschenswert, wenn
       der Hunger und der Wettbewerbseifer unter den Spielern weiter vorhanden
       sind. Außerdem muss man sich Kontinuität wirtschaftlich leisten können.
       
       Unsere Nachhaltigkeit zeigt sich mehr in der Art, wie wir wirtschaften. Das
       hat uns in den letzten 20 Jahren 14 Mal ins Finale der Meisterschaft
       gebracht. Wir wollen nichts auf Teufel komm raus versuchen, um dann drei
       Jahre an den Hinterlassenschaften des Kraftakts zu knabbern oder gar von
       der Bildfläche zu verschwinden.
       
       In den letzten acht Jahren hat Alba nur eine Meisterschaft gewonnen. 
       
       Es ist gefühlt zu wenig, keine Frage. Alba hat in den letzten Jahren zu
       wenig aus seinen Möglichkeiten gemacht. Jetzt können wir uns ewig dafür
       geißeln, aber was soll das bringen? Wir haben im Trainerbereich immer eine
       erhebliche Kontinuität gehabt. Wir haben sehr lange an Luka Pavicevic
       festgehalten, vielleicht zu lange. Das war die Zeit, in der wir durch das
       große Vertrauen in den Trainer zu viele Spielerwechsel vorgenommen haben.
       Hinterher ist man immer schlauer. Wir haben nicht alles richtig gemacht.
       
       Die Euroleague wurde jüngst auch wieder verpasst. 
       
       Das nervt, weil man weiß, dass man sich eigentlich vor Charleroi, gegen die
       wir ausgeschieden sind, nicht verstecken muss.
       
       Ist der Erfolgsdruck jetzt bei Alba gar nicht so überirdisch groß, weil sie
       eh davon ausgehen können, weil sowieso 10.000 Zuschauer im Schnitt in die
       Halle gehen und Alba als Sponsor zur Seite steht. 
       
       Nein. Das Wichtigste, was es für einen Profiklub gibt, sind Titel. Wir
       machen das ja nicht zur Gewinnmaximierung. Es ist keine
       Selbstverständlichkeit, dass wir so viele Zuschauer haben. Und es ist nicht
       so, dass hinter uns eine Alba-Group steht, die sagt, uns ist das völlig
       wurscht, was ihr da performt.
       
       Ich sags auch unseren Spielern immer wieder: Bankkonten interessieren eure
       Kinder einen Scheißdreck, der Pokal interessiert sie. Deshalb drehen auch
       manche Vereinslenker durch. Roman Abramovic beim FC Chelsea etwa. Der kann
       sich alles kaufen, nur keine Titel.
       
       Wie sehr schmerzt es Sie, gerade jetzt sparen zu müssen? 
       
       Was heißt schmerzen. Auch das ist Realität. Wir haben letztes Jahr einen
       Kraftakt vollzogen. Wir haben während der Saison eingegriffen und den
       Trainer ausgetauscht. Das hat Kosten verursacht. Das müssen wir wieder
       aufholen. Wir hätten natürlich das Jugendprogramm zusammenstreichen können.
       Aber das wollten wir nicht.
       
       7 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
   DIR Markus Völker
       
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