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       # taz.de -- Alba Berlin wird weiblich: Flügge werden und fliegen
       
       > Das Frauenteam von Alba Berlin spielt zum ersten Mal in der höchsten
       > deutschen Basketball-Liga. Dahinter steht mehr als ein schnöder Aufstieg.
       
   IMG Bild: Kampf um Ball und Aufmerksamkeit: Lena Gohlisch, Aufbauspielerin von Alba Berlin (r.)
       
       Es macht badumm-badumm in der Sporthalle an der Berliner Schützenstraße.
       Basketbälle prallen aufs Parkett, schlagen gegen Korb und Brett. Die
       Spielerinnen von Alba Berlin trudeln nacheinander ein, einem geheimen
       Schema folgend. Jede scheint ihr eigenes Programm zu verfolgen. Die eine
       wirft, die andere dehnt sich, eine dritte schlendert zum Spezialtraining
       mit Individualcoach Carlos Frade, der nach gelungenen Center-Moves laut
       „Bravo!“ oder „Muy bien!“ ruft.
       
       Eine Aufbauspielerin begutachtet auf der Bank ihren Knöchel. „Ist blau hier
       unten“, erklärt sie einer Kollegin und zeigt auf den Innenrist, sie wickelt
       das Tape neu und geht aufs Feld. Eine Choreografie der
       Selbstverständlichkeiten, untermalt mit den unrythmischen Beats des
       Basketballs, läuft in der kleinen Trainingshalle von Alba Berlin.
       
       Als eine der letzten [1][stößt Lena Gohlisch zum Ensemble]. Mittlerweile
       sind fünf Assistenten und Gehilfen von Trainer Cristo Cabrera in der Halle,
       in der zumeist mit stillem Ernst das Programm abgespult wird. Gohlisch
       besetzt bekanntes Terrain, draußen an der Dreierlinie. Die zierliche Frau
       wuchtet den Ball in Richtung Korb, aber die ersten vier Versuche
       misslingen, erst der fünfte Wurf findet sein Ziel. Swush, er schlägt durch
       die Reuse. Gohlisch hat eine gute Ausrede für ihre Anlaufschwierigkeiten.
       Sie hat in der Nacht nur eine Stunde geschlafen. Dienst in einem
       Krankenhaus. Gohlisch hat Medizin studiert. Gerade wird sie zur
       Assistenzärztin ausgebildet.
       
       „Der Coach weiß, wann ich Nachtdienst habe, und dann wird das Training ein
       bisschen angepasst“, sagt sie mit dieser leicht aufgedrehten Mattigkeit,
       die Übernächtigte oft an den Tag legen. Künftig soll es besser werden: Die
       Nächte im Hospital fallen weg, Gohlisch passt ihren Sport an [2][die
       Herausforderungen der 1. Liga] an. Dort spielen die Frauen von Alba Berlin
       seit dieser Saison, zum ersten Mal. Bisher hat es zwei Auswärtsspiele
       gegeben, ein Sieg gegen Osnabrück, dann eine Niederlage gegen Nördlingen.
       Am Sonntag steht das erste Heimspiel in der obersten Liga an, und das soll
       zu einem besonderen Event in der Geschichte des Hauptstadtklubs werden.
       
       ## „Gemeinsam feiern“
       
       Zuerst spielen die seit zweieinhalb Dekaden erfolgreichen Männer, dann die
       Frauen in der Max-Schmeling-Halle, gegen das Team aus Keltern. „Für uns war
       es immer eine große Vision, eines Tages mit zwei Teams
       Bundesliga-Basketball in Berlin bieten zu können. Dafür haben wir einiges
       investiert, und das werden wir auch weiterhin tun“, sagt
       Alba-Geschäftsführer Marco Baldi in präsidialem Tonfall, „die große
       Heimpremiere unserer Frauen in der Ersten Liga wollen wir nun gemeinsam
       feiern. Damit geben wir dem Ganzen einen würdigen Rahmen und sorgen auch
       für die Sichtbarkeit, die unser DBBL-Team so sehr verdient hat.“
       
       Lena Gohlisch, 28, hofft, dass möglichst viele Fans sitzen bleiben und sich
       auch die Frauen anschauen. Zweimal hat es solche Doppelspieltage schon
       gegeben. Die Frauen spielten jeweils zuerst, und vor allem in der ersten
       Halbzeit blieben die Ränge jeweils recht leer. Das ist ein Zustand, den die
       Führungsriege von Alba ändern möchte. Vor sieben, acht Jahren etwa reifte
       der Entschluss, einen Big-City-Club in die Baskeball-Bundesliga der Frauen
       zu hieven, in der große Städte fehlen. Hier haben seit Ewigkeiten kleine
       Regionalvereine das Sagen: Wasserburg zum Beispiel oder klassische
       Uni-Städte wie Freiburg. Die großen Vereine aus dem Männersport haben
       zumeist keine große Frauenbasketball-Tradition. Alba hat sich entschlossen,
       Pionier zu sein in diesem Umfeld der Zögerlichen. Der Aufstieg glückte, und
       in der abgelaufenen Saison wurde die Alba-Mannschaft der U18 obendrein
       deutscher Meister.
       
       Cristo Cabrera ist das Risiko eingegangen, den Aufschwung zu organisieren.
       Er kam nach einem Anruf von Sportdirektor Himar Ojeda 2016 nach Berlin.
       Beide kannten sich aus Gran Canaria. Sie haben Alba hispanisiert, was man
       auch daran merkt, dass Cabrera nach einem „Buenos dias!“ des Reporters auf
       Spanisch antwortet, dann aber zum Glück ins Englische wechselt. Zunächst
       war er angetan von den etwas anderen physischen Voraussetzungen der
       deutschen Spielerinnen, viel größer und kräftiger als die spanischen
       Spielerinnen seien die.
       
       Aber an Know-how, Technikvermittlung, an professionellen Strukturen
       mangelte es in der Hauptstadt. Cabrera erinnert sich noch gut an ein
       Gespräch, das er zu Beginn seiner Mission mit den Eltern der U16-Auswahl
       von Alba Berlin führen musste. „Das war wirklich schwierig,und als ich
       ihnen eröffnete, dass die Mädchen nun vier Mal pro Woche trainieren müssen,
       um etwas zu erreichen und nicht nur zwei, hagelte es Widerspruch. Es
       dauert, bis die Einsicht reifte, dass mehr Engagement nötig ist.“
       
       ## Profis im Team
       
       Cabrera hat sich nicht entmutigen lassen, und heute sagt er, es sei fast
       schon schwieriger gewesen, in Berlin eine Wohnung zu finden – er ist dann
       in Reinickendorf fündig geworden –, als ein Frauenteam nach oben zu führen.
       Das ist nur ein halber Scherz, denn auf eines konnte sich der Spanier
       verlassen: Die Alba-Logistik und ein in Deutschland wohl einzigartiges
       Sichtungsprogramm, das auf viele Kooperationen mit Berliner Schulen setzt.
       Der Verein macht viel, er siebt nun aber auch kräftig aus, was nicht selten
       zu Frustration bei jungen Spielerinnen führt, die sich dann nur noch in der
       Freizeitmannschaft wiederfinden. Aber das müsse sein, wenn man den eigenen
       Ansprüchen gerecht werden wolle, sagt Cabrera.
       
       Er betreut nun zum ersten Mal auch Vollzeitprofis bei Alba. Drei
       Spielerinnen mit diesem Status hat Alba geholt. Das hat das Gefüge im Team
       erst einmal durcheinander geworfen, „aber wir haben das gut hingekriegt,
       obwohl ich Bedenken hatte“, sagt Lena Gohlisch, die eine „echte Berlinerin“
       ist, ein Alba-Gewächs. Im Prenzlauer Berg aufgewachsen, ging sie zu den
       Alba-Minis, aber weil es damals noch keine guten Alba-Jugendteams in ihrer
       Altersklasse gab, „tingelte“ sie „ein bisschen durch Berlin“, nach
       Lichterfelde und Moabit. Vor vier Jahren kehrte sie zu Alba zurück.
       
       Gohlisch hat in ihrer Karriere schon einiges erlebt: Sie hat mit [3][Satou
       Sabally] zusammengespielt, die nun in der WNBA in Dallas ihr Geld verdient,
       sie warf Bälle in Frankreich und für Hannover, jetzt symbolisiert sie Albas
       Wille, mit sogenannten Homegrown-Spielerinnen nicht nur nach oben zu
       kommen, sondern auch Identifikationsangebote für Fans zu bieten. „Wir
       stehen noch am Anfang, es passiert zwar mittlerweile viel, aber es fehlen
       leider oft die finanziellen Mittel.“ Sie selber erhält nicht viel mehr als
       eine Aufwandsentschädigung. Coach Cabrera sagt, richtig gute Spielerinnen
       könnten mit ihrem Gehalt etwas zur Seite legen, gute immerhin den
       Lebensunterhalt bestreiten.
       
       Doch meistens läuft es wie bei Gohlisch auf eine Doppelbelastung hinaus.
       Die Pandemie hat zusätzlich gebremst. Obwohl 14 Vereine von der Liga
       lizensiert wurden, spielen jetzt nur 11 in der DBBL, und wenn man die
       Live-Übertragungen der [4][Spiele auf dem Portal sporttotal.tv] anschaut,
       dann geht man auf eine Zeitreise in die 90er Jahre, taucht ein in die
       Atmosphäre von Schulturnhallen, moderiert werden die Spiele von wenig
       geschulten Expertinnen. Das muss man mögen – oder Hardcore-Fan sein.
       
       Der Weg des Frauenbasketballs auf ein Terrain der angesagten medialen
       Verwertung ist noch sehr, sehr weit. „Langsam geht es in eine gute
       Richtung“, sagt Gohlisch, „aber eben sehr, sehr langsam, wenn man das mit
       anderen europäischen Ländern vergleicht. Wir hinken in Deutschland
       hinterher, in Frankreich oder Spanien hat Frauensport einen ganz anderen
       Stellenwert.“
       
       Jahrelang hätte den Talenten die Perspektive gefehlt, sagt Gohlisch. Wenn
       man bei einer B-Europameisterschaft nur Neunter wird, sei klar gewesen,
       dass man mit Basketball kein Geld verdienen werde. Aber die Aussichten
       ändern sich gerade, hofft sie – durch Sabally, Social Media und die
       allgemeine Stimmungslage. [5][Der Deutsche Basketball-Verband verhält sich
       freilich eher passiv]: In den Lizenzauflagen müssen die Vereine den
       Nachweis guter Nachwuchsarbeit erbringen, eine Hausaufgabe zur Förderung
       von Mädchen und Frauen wird nicht erteilt.
       
       „Für Außenstehende wirkt es leider etwas konzeptlos“, sagt sie mit müden
       Augen. Schlafen, ja, das wäre jetzt, wo der Basketball zum Medizinball zu
       mutieren scheint, eine gute Idee. Badumm.
       
       22 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.albaberlin.de/frauen/dbbl-team/aktueller-kader/
   DIR [2] https://www.toyota-dbbl.de/vereine/
   DIR [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Satou_Sabally
   DIR [4] https://sporttotal.tv/cocb42854e
   DIR [5] https://www.basketball-bund.de/team/a-damen/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
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