# taz.de -- „Am Wochenende ein Turnier in Hongkong“
> Women*Team (XI): Sportlerinnen bekommen weniger Aufmerksamkeit und Geld
> für ihre Leistungen als Männer. Hier kommen sie zu Wort. Die Bremer
> Latein-Tänzerin Malika Dzumaev kritisiert, dass Tanzen oft nicht als
> Leistungssport gesehen wird. Das erschwere die Sponsorensuche, denn das
> Tanzen ist eine teure Leidenschaft
Interview Teresa Wolny
taz: Frau Dzumaev, können Sie Musik hören, ohne zu tanzen?
Malika Dzumaev: Nein, ich möchte mich eigentlich immer sofort bewegen. Als
Tänzerin versuche ich direkt, den Takt und die Klangfarbe rauszuhören.
Musik, die ich in der Freizeit höre, kann auch Inspiration für neue Ideen
sein.
Wie viele Stunden tanzen Sie denn so am Tag?
Normalerweise trainieren wir jeden Tag fünf bis sechs Stunden. Dazu müssen
wir körperlich sehr fit sein und machen zusätzlich Kraft- und
Ausdauertraining. Tanzen ist eine Mischung aus Sport und Kunst, das kann
man nicht trennen und das ist auch das Schöne daran. Wir müssen ähnlich fit
sein wie Leichtathleten und gleichzeitig die Musik sehr genau hören.
Sie tanzen „Latein“, das ist ein Sammelbegriff für Samba, Cha-Cha-Cha,
Rumba, Paso Doble und Jive. Haben Sie da einen Favoriten?
Vom Stil her mögen wir die schnelleren Tänze, also Samba, Cha-Cha-Cha und
Jive. Das wechselt aber. Ich habe keinen Lieblingstanz.
Kann man im Paartanz von klassischen Rollenbildern sprechen?
Die Bewegungsabläufe auf der Fläche müssen jeweils als die der Frau und die
des Mannes erkennbar sein. Meine persönliche Ansicht ist, dass der Mann die
Frau gewissermaßen gut aussehen lassen muss. Der Mann führt und die Frau
folgt, das heißt aber nicht, dass sie sich unterordnet. Besonders in den
höheren Bereichen kann sich diese Verteilung auch ändern.
Was halten Sie von TV-Formaten wie „Let' s Dance?“
Wie bei jedem Sport ist auch beim Tanzen der Nachwuchs wichtig. Da können
Formate wie Let's Dance helfen, indem sie das Tanzen präsenter machen.
Früher gab es mehr Fernsehübertragungen vom Tanzsport. Das ist leider
weniger geworden, weil Tanzen oft nicht als Leistungssport gesehen wird.
Geht Paartanz trotz Social Distancing?
Als Kontaktsportart durften wir erst später wieder mit dem Training
anfangen als andere Sportarten. Da wir im deutschen Nationalkader sind,
dürfen wir jetzt aber wieder mehr trainieren. Mein Tanzpartner ist auch
mein Freund und wir leben im gleichen Haushalt. Das ist also praktisch.
Ist das auch beim Tanzen von Vorteil?
Das kann man so und so sehen. Beim Tanzsport sind besonders im älteren
Bereich viele Tanzpartner auch Lebenspartner. Man verbringt extrem viel
Zeit mit dieser Person. Da ist es wichtig, dass man gut miteinander
harmonisiert.
Was haben Sie in der tanz-freien Zeit gemacht?
Meine Bachelorarbeit geschrieben. Neben dem Tanzen zu studieren ist
zeitlich oft sehr schwierig zu managen. Deswegen konnte ich die Coronazeit
gut nutzen. Für viele Tänzer war es aber auch eine Zeit zum Umdenken. Wenn
man nicht zwei bis drei Wettkämpfe pro Monat hat wie mein Partner und ich
normalerweise, kann man die Zeit nutzen, um Videos anzuschauen und Fehler
zu analysieren. Wie für alle Künstler war diese Zeit finanziell aber
schwierig.
Man wird vom Tanzen nicht reich.
Im Tanzen gibt es leider nicht so viele Sponsoren wie im Fußball. Die
Turniere und die Fahrten dorthin müssen wir oft selbst finanzieren, was
sehr teuer ist. Viele Turniere in der S-Klasse, also der Sonderklasse,
finden nicht in Deutschland statt. Wie beim Tennis gibt es auch beim Tanzen
Grand-Slam-Turniere, die in den letzten Jahren oft in Asien waren. Dabei
bekommen wir Unterstützung, etwa von deutschen Tanzsportverband für die
Reisekosten. Wir brauchen aber auch Tanzschuhe – pro Halbjahr pro Person
zwischen vier und sechs Paar. Bei den Kleidern, die maßgeschneidert sind,
geht es bei 1.000 Euro los. Wir haben zum Glück ein paar Sponsoren
gefunden. Das ist aber nicht selbstverständlich.
Wie geht es für Sie nach dem Bachelor im Fach Public Health weiter?
Ich werde mit meinem Partner noch ein paar Jahre weitertanzen. Um den Sport
zu finanzieren, muss ich aber nach dem Studium trotzdem langsam in einen
Beruf einsteigen – auch wenn es schwierig ist, das zu vereinbaren. Fünf
Stunden Training am Tag sind kräftezehrend und es ist sicher nicht leicht,
dem Arbeitgeber zu sagen, dass man früher los muss, weil man am Wochenende
ein Turnier in Hongkong hat.
27 Jul 2020
## AUTOREN
DIR Teresa Wolny
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