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       # taz.de -- Amnesty-Mitarbeiter in der Türkei: Taner Kılıç soll freikommen
       
       > Ein türkisches Gericht hat die Freilassung von Taner Kılıç angeordnet.
       > Die Entscheidung sendet ein klares Signal an die EU: Ankara braucht
       > Europa.
       
   IMG Bild: Amnesty-Aktivisten in Berlin forderten im Juni die Freilassung von Kiliç
       
       Berlin taz | [1][Taner Kılıç, Sektionschef von Amnesty International], soll
       nach mehr als einjähriger Untersuchungshaft in der Türkei aus dem Gefängnis
       entlassen werden. Das berichteten Mitarbeiter von Amnesty International am
       Mittwoch. Kılıç gehört zu einer Gruppe von Menschenrechtlern, denen die
       Unterstützung einer oder mehrerer „terroristischer Organisationen“
       vorgeworfen wird. Er war als Letzter noch im Gefängnis, nachdem zehn andere
       Menschenrechtler im vergangenen Herbst entlassen worden waren.
       
       Zu den im Juli 2017 in Istanbul festgenommenen Menschenrechtlern gehörte
       auch der Deutsche Peter Steudtner und der Schwede Ali Gharavi. Kılıç war
       bereits im Juni 2017 in Izmir festgenommen worden. Steudtner und Gharavi
       waren Teilnehmer eines Amnesty-Workshops und sollten über IT-Sicherheit
       referieren.
       
       Der Prozess gegen die Gruppe wurde mit dem von Kılıç zusammengelegt, obwohl
       dieser bereits in U-Haft saß, als der Workshop in Istanbul stattfand. Die
       Festnahmen wirkten wie eine massive Einschüchterung von
       Menschenrechtsorganisationen in der Türkei. Allen wurde vorgeworfen,
       Putschisten der Gülen-Sekte oder die kurdische PKK unterstützt zu haben.
       
       In Deutschland führte insbesondere die Festnahme von Peter Steudtner zu
       heftigen Protesten in der Öffentlichkeit und der Politik. Der damalige
       Außenminister Sigmar Gabriel kündigte an, Deutschland werde alle
       Waffenlieferungen in die Türkei stoppen, die Hermesbürgschaften deckeln und
       deutsche Touristen warnen, in die Türkei zu fahren. Nachdem bereits im
       Februar 2017 der deutsche Journalist Deniz Yücel verhaftet worden war,
       markierten die Festnahmen der Amnesty-Leute in der Türkei einen vorläufigen
       Tiefpunkt in den Beziehungen zwischen beiden Ländern.
       
       ## Erdoğan sucht das Wohlwollen der EU
       
       Das ausgerechnet jetzt auch Taner Kılıç freigelassen wird, ist kein Zufall.
       Erst am Dienstag hatte ein Gericht in Edirne die Freilassung zweier
       griechischer Soldaten angeordnet, die seit März in U-Haft saßen. Zusammen
       mit der am Mittwoch angeordneten Freilassung von Kılıç ergibt das ein
       eindeutiges Signal an Europa. Während US-Präsident Donald Trump die
       Freilassung des evangelikalen Pastors Andrew Brunson mit allen Mitteln zu
       erzwingen versucht, lässt Erdoğan plötzlich drei Gefangene frei, an denen
       vor allem in Europa vielen Leuten gelegen ist.
       
       Kılıç hatte zwar nicht die gleiche Solidarität erhalten wie Peter
       Steudtner, aber Amnesty wies mit immer neuen Kampagnen darauf hin, dass ihr
       türkischer Sektionschef nach wie vor in Haft sitzt. Auch die Freilassung
       der griechischen Soldaten ist ein starkes Signal. Nicht zu Unrecht hatte
       die griechische Öffentlichkeit die Verhaftung der Soldaten als Vergeltung
       dafür begriffen, dass in Griechenland acht türkische Soldaten, die nach dem
       Putschversuch ins Nachbarland geflüchtet waren, Asyl erhalten hatten,
       anstatt, wie von der türkischen Regierung gefordert, ausgeliefert zu
       werden.
       
       Angesichts der [2][durch US-Sanktionen ausgelösten Währungskrise] braucht
       Erdoğan jetzt dringend das Wohlwollen der EU. In Telefonaten mit Kanzlerin
       Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron wollte
       Erdoğan am Mittwoch und Donnerstag seine Annäherung an Europa ausloten,
       bevor er im September zum Staatsbesuch nach Berlin kommt.
       
       15 Aug 2018
       
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