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       # taz.de -- Angriff auf Linken Hakan Taş: „Wir dürfen nicht einknicken“
       
       > Der Berliner Linke-Abgeordnete Hakan Taş wurde angegriffen – nicht zum
       > ersten Mal, aber diesmal von einem Türkeistämmigen.
       
   IMG Bild: Hakan Taş bei einer Rede im Berliner Abgeordnetenhaus
       
       Herr Taş, Sie wurden am Montag auf offener Straße in Kreuzberg attackiert.
       Wie kam es zu dem Angriff?
       
       Hakan Taş: Ich war nach der Verleihung des Inklusionspreises im Roten
       Rathaus in Kreuzberg etwas essen. Danach ging ich zurück zu meinem Auto,
       das ich am Segitzdamm in der Nähe des Oranienplatzes geparkt hatte. Dort
       auf dem Bürgersteig stand ein etwa 25-bis 30 Jahre alter Mann, der mich
       sofort auf Türkisch beleidigt hat. Er hat mich als dreckigen
       Vaterlandsverräter und Hurensohn beschimpft. Dann spürte ich schon einen
       Schlag an meinem Kopf. Es hat sich angefühlt, als hätte er noch einen
       Gegenstand in der Hand. Einem zweiten Faustschlag konnte ich noch
       ausweichen. Dann ist er Richtung Kottbusser Tor weg gerannt.
       
       Waren Sie verletzt? 
       
       Ich war alleine und wusste gar nicht richtig, was geschehen ist. Ich habe
       geblutet, bin unter Schock aber erst mal zum Abgeordnetenhaus gefahren, da
       ich eigentlich eine Sitzung des Kulturausschusses hatte. Meine Kollegen
       haben mir dann geraten, zum Arzt zu gehen. Ich habe eine ein bis zwei
       Zentimeter große, drei Zentimeter tiefe Platzwunde davongetragen.
       
       Wie geht es Ihnen jetzt? 
       
       Heute geht es mir schon wieder besser. Der Schockzustand von gestern ist
       vorbei. Ich habe jedoch ein ungutes Gefühl, da ich jetzt als
       Prozessbeobachter nach Ankara fliege.
       
       Was befürchten Sie? 
       
       Womöglich war das kein zufälliger Angriff, sondern ein gezielter. Meine
       Reise zu den Prozessen gegen die beiden Vorsitzenden der linken
       prokurdischen Demokratischen Partei der Völker HDP, Figen Yüksekdaǧ und
       Selahattin Demirtaş, habe ich vorher anmelden müssen und sie sind auch
       öffentlich bekannt. Es ist aber nur eine Vermutung, dass die türkischen
       staatlichen Stellen damit etwas zu tun haben könnten.
       
       Sie sind als Kritiker des türkischen Staatspräsidenten Erdoğan und von
       dessen Politik bekannt. 
       
       Meine Haltung zur türkischen Regierung und ihrem Umgang mit Kurden und
       Minderheiten ist klar. Auch fliege ich nicht zum ersten Mal in die Türkei
       als Prozessbeobachter. Erst vor einigen Wochen war ich in Mittelanatolien
       bei dem Prozess gegen die Oberbürgermeisterin von Diyarbakır, Gültan
       Kışanak.
       
       Haben Sie schon zuvor Erfahrungen mit Angriffen gemacht? 
       
       Ich bin in diesem Jahr bereits zwei Mal verbal attackiert worden, zudem
       beleidigt und angespuckt. Im Wahlkampf wurden meine Plakate von türkischen
       Nationalisten beschädigt, mit Zeichen der nationalistischen und
       rechtsextremen Grauen Wölfe. In meinem Wahlkreis in Reinickendorf wurden
       von islamistischen Kreisen SMS an türkische Wähler verschickt mit dem
       Aufruf, mich nicht zu wählen. Auf Internetseiten werde ich immer wieder als
       Vaterlandsverräter bezeichnet. Insofern sind solche Sachen also nicht neu.
       Es ist allerdings das erste Mal, dass ich von türkischer Seite körperlich
       attackiert und verletzt worden bin.
       
       Von anderer Seite schon? 
       
       Vor einigen Jahren hat mich ein Nazi am Rande einer Bärgida-Demonstration
       am Hauptbahnhof angegriffen. Damals bin ich aber nicht verletzt worden.
       Meine Autoreifen sind zerstochen worden, an meiner Wohnungstür waren
       SS-Runen. Drei Jahre lang wurde meine Privatadresse vom Objektschutz
       bewacht. Das ist aber 2016 eingestellt worden.
       
       Was machen diese Attacken mit Ihnen? 
       
       Wenn man seine politischen Überzeugungen öffentlich macht, steht man in der
       Kritik. Manchmal bleibt es leider nicht dabei. Nichtsdestotrotz haben mich
       die Angriffe nicht in meiner Überzeugung geschwächt. Vor allem auf die
       Verhältnisse in der Türkei müssen wir immer wieder aufmerksam machen. Wir
       dürfen vor Erdoğans Diktatur nicht einknicken, ganz im Gegenteil.
       Schließlich sitzen dort mehr als 170 Journalisten in Haft, auch viele
       Abgeordnete und Menschenrechtsaktivisten. Sie brauchen unsere Solidarität,
       nicht nur aus der Ferne, sondern auch vor Ort. Deswegen habe ich mich auch
       entschlossen, dennoch zu fliegen.
       
       5 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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