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       # taz.de -- Angriff hinter der russischen Front: Drohnenjagd mit der „Baba Jaga“
       
       > Kampfdrohnen aus eigener Produktion erlauben es der Ukraine, tief hinter
       > der Front russische Positionen zu zerstören. Besuch bei einer
       > Drohnenbrigade.
       
   IMG Bild: Ein ukrainischer Soldat mit einer Drohne in der ostukrainischen Region Donezk
       
       „Alle Kampfeinsätze wurden erfolgreich abgeschlossen. Kein Verlust von
       Personal oder Ressourcen“, sagt Oleksandr, Drohnenpilot und
       Truppenkommandeur der 81. Luftmobilbrigade. Es ist vier Uhr morgens.
       Oleksandr hat eine durchwachte Nacht hinter sich, doch das sieht man ihm
       nicht an. Er arbeitet schon seit mehreren Monaten nachts und hat sich daran
       gewöhnt. Es ist zugig in dem Keller im ukrainisch kontrollierten Teil
       [1][der ostukrainischen Region] Donezk, Dutzende Kilometer hinter der
       Front. Die Kälte kriecht unter die Haut.
       
       Aus diesem Keller werden die neuen innovativen Kampfdrohnen gesteuert:
       Drohnen aus ukrainischer Produktion mit einem Durchmesser von mehr als
       einem Meter. Schon jetzt verbreiten diese „Maschinen“, die die Russen „Baba
       Jaga“ („Hexe“) nennen, unter den Besatzern Angst und Schrecken.
       
       Zehn Stunden zuvor: Die vierköpfige Crew, zu der auch Oleksandr gehört,
       rüstet sich für den nächsten Einsatz. Details zu den Drohnen möchten die
       Kämpfer aus Geheimhaltungsgründen nicht preisgeben. Zwei der Männer fahren
       zu der Position, von der die Drohnen starten, einige Kilometer von der
       Front entfernt. Hier werden die Drohnen mit Sprengsätzen ausgerüstet. Die
       anderen beiden Männer bleiben Dutzende Kilometer von der Front entfernt im
       Hinterland.
       
       Sie legen die Flugrouten fest, koordinieren und starten die Drohnen.
       Tatsächlich könnten sie dies überall tun, wo das Internet stabil ist. Eine
       weitere Gruppe von Spezialisten ist weit entfernt in der Zentralukraine
       stationiert. Sie überwachen Softwareupdates für die Drohnen und die
       Satelliten und stellen sicher, dass die Kommunikation stabil ist.
       
       ## Russische Streitkräfte nutzen Videobrillen
       
       Die „Baba Jaga“ ist aufgrund ihrer Größe und Lautstärke potenziell ein
       leichtes Ziel für die gegnerische Infanterie. Die Drohnen sind mit sehr
       hochwertigen Kameras ausgestattet, die nachts auf mehrere Kilometer
       Entfernung recht klare Bilder liefern. Um sie vor Abschüssen zu schützen,
       werden sie nur nachts gestartet, gesteuert werden sie über Satelliten und
       eine Bodenstation.
       
       „Die Gruppe wird noch bei Tageslicht aufbrechen“, sagt Oleh, ein Offizier
       der 81. Fallschirmjägerbrigade. Er erklärt, dass die russischen
       Streitkräfte jetzt über zahlreiche Nacht-FPV-Drohnen verfügten, also mit
       einer Videobrille fliegen, die während des Fluges streamt. Damit sei die
       „Baba-Jaga“-Crew nachts alleiniges Ziel russischer Angriffsdrohnen. Noch
       vor einem halben Jahr galt es als sicher, sich nachts zu den Stellungen zu
       begeben. Das sei jetzt völlig anders.
       
       Der erste Teil der „Baba-Jaga“-Crew macht sich auf den Weg zu der Stellung,
       von der aus die besetzte Stadt Lyssytschansk in der Region Luhansk zu sehen
       ist. Die Zurückgebliebenen bauen die Kommunikation auf und aktualisieren
       Programme. Denn sollte das Update in der Luft starten, würde die Drohne
       abstürzen. Die Technologie in den letzten anderthalb Jahren sei so weit
       fortgeschritten, dass der Gegner grundsätzlich von überall auf dem Planeten
       vernichtet werden könne, sagt Oleksandr.
       
       Es sei nicht ausgeschlossen, dass ähnliche Satellitenkontrollsysteme
       bereits an schweren gepanzerten Fahrzeugen und Panzern getestet würden. Je
       nach Entwicklungsstand beginne im wahrsten Sinne des Wortes ein [2][„Krieg
       der Maschinen“] an der Front, ohne direkte Beteiligung von Menschen.
       
       ## Vom Einbruch der Dunkelheit bis zum Morgengrauen
       
       „Die russische Infanterie wendet keine neuen Taktiken an, sondern arbeitet
       streng nach Vorschrift, wie zu Sowjetzeiten. Das spielt uns in die Hände“,
       sagt Oleksandr. Die Drohnen seien unterschiedlich bestückt:
       „Splittermunition zielt eher auf die Infanterie, kumulative Munition auf
       die Ausrüstung und mit hochexplosiver Munition kann man Unterstände in
       Brand setzen“, erklärt der Drohnenspezialist.
       
       Die Crew arbeitet von Einbruch der Dunkelheit bis zum Morgengrauen. Für
       diese Nacht sind zwei Lieferungen „humanitärer Hilfe“ geplant, drei
       Verminungsaktionen sowie die Zerstörung einer getarnten feindlichen Waffe
       und eines Unterstands der russischen Aufklärung. Die Koordinaten des
       Geschützes und des Unterstandes werden der „Baba Jaga“-Crew von den
       zuständigen Aufklärern mitgeteilt. Die Drohne, die das großkalibrige
       Geschütz zerstören soll, fliegt weit ins gegnerische Hinterland. Sie ist
       mit drei Projektilen bestückt und legt bis zu 20 Kilometer zurück.
       
       „Zumindest wurde das Zielsystem zerstört. Das müssen sie jetzt auf jeden
       Fall zurückziehen“, freut sich Oleh. Der Flug in Richtung des gegnerischen
       Unterstandes ist komplizierter. Die russischen Streitkräfte feuern ein
       Leuchtprojektil ab, um die „Baba Jaga“ zu entdecken, ein Schusswechsel
       beginnt. Aber die ukrainische Drohne fliegt zurück – Mission erfüllt. Eine
       feindliche Mavic-Aufklärungsdrohne folgt ihr. Die Russen wollen die
       Startposition der „Baba Jaga“ herausfinden. Es beginnt eine Drohnenjagd. Am
       Ende stellen die Russen die Verfolgung ein.
       
       Der 24-jährige Oleksij, der die „Baba-Jaga“ bei dem heutigen Einsatz
       munitioniert hat, kennt die Gefahren: „Russische Drohnen fliegen über uns
       hinweg, wir sind Angriffen aus der Luft und von der Artillerie ausgesetzt“,
       sagt er. Am frühen Morgen kehrt die zweiköpfige Vorhut von der Front zum
       Stützpunkt zurück. Kaum, dass sie die Drohnen abgerüstet haben, sind die
       Männer auch schon eingeschlafen.
       
       Aus dem Russischen Barbara Oertel
       
       7 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Juri Larin
       
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