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       # taz.de -- Angriff nach Antisemitismus-Vorlesung: Israel-Feindin nach Uni-Angriff vor Gericht
       
       > Eine 27-Jährige steht in Hamburg vor Gericht. Sie soll eine Frau nach
       > einer Vorlesung zum Thema Antisemitismus an der Uni angegriffen haben.
       
   IMG Bild: Die Angeklagte Ayan M. verdeckt ihr Gesicht mit einer Akte. Sie sieht sich als Opfer medialer Vorverurteilung
       
       Hamburg taz | Rund zehn Monate nach einer [1][körperlichen
       Auseinandersetzung bei einer Ringvorlesung] zum Thema Antisemitismus an der
       Universität Hamburg steht seit Dienstag eine 27-Jährige vor dem
       Amtsgericht. Die Angeklagte Ayan M. soll im Mai vergangenen Jahres die
       damals 56-jährige Elisabeth S. nach einer öffentlichen Vorlesung über
       Antisemitismus-Definitionen im Hauptgebäude der Universität angegriffen
       haben.
       
       Die Angeklagte soll Elisabeth S. beleidigt haben, woraufhin diese
       angekündigt habe, sie zu filmen. Dann soll M. sie geschlagen und gewürgt
       haben. Daraufhin soll S. sich gewehrt und M. in die Hand gebissen haben.
       Laut Anklage hat Elisabeth S. mehrere Verletzungen davongetragen, darunter
       Hämatome und Würgemale.
       
       Sie wurde ärztlich behandelt. Auch ihre Brille wurde beschädigt. Der
       Angeklagten M. werden unter anderem Körperverletzung und Beleidigung
       vorgeworfen.
       
       Der Gerichtssaal ist am Dienstagvormittag bis auf den letzten Platz
       gefüllt. Die meisten Menschen sind gekommen, um Elisabeth S. zu
       unterstützen, die in dem Prozess als Nebenklägerin auftritt. Sie ist
       Vorstandsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Hamburg und
       Mitarbeiterin der International Christian Embassy Jerusalem (ICEJ)
       Deutschland.
       
       ## Angriffe auch auf Polizistinnen
       
       Vor Gericht trägt sie eine kleine gelbe Schleife als Anstecker an ihrer
       Jacke. Es ist ein Zeichen der Solidarität mit den Opfern des
       Terroranschlags der Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel und mit den Geiseln
       in Gaza. Im Publikum sind auch ein paar dieser Schleifen zu sehen. Wegen
       der Angeklagten sind nur wenige Menschen gekommen.
       
       Die Angeklagte Ayan M. muss sich nicht nur wegen des mutmaßlichen Angriffs
       auf Elisabeth S. in der Universität vor Gericht verantworten, sondern auch
       wegen eines Vorfalls wenige Monate später. Laut Anklage soll M. am 10.
       August 2024 als Teilnehmerin am Protestcamp „Finger weg von Rafah“ unweit
       der Universität eine Polizeibeamtin mit der Faust auf den Mund geschlagen,
       einen anderen in die Hand gebissen und ins Gesicht gespuckt haben. Zudem
       soll sie mehrere Beamt:innen beleidigt haben, unter anderem als „scheiß
       rassistische Polizisten“.
       
       Das Protestcamp bestand von Mai bis September vergangenen Jahres. Es
       richtete sich gegen das militärische Vorgehen Israels nach dem
       Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober. Auf Transparenten wurde unter
       anderem Israel Vertreibung, Besatzung und Apartheid vorgeworfen, zum
       Widerstand aufgerufen [2][und eine Entwaffnung gefordert.]
       
       Vor Gericht äußerte sich die Angeklagte Ayan M. am ersten Prozesstag nicht.
       Ihr Anwalt Adnan Aykac kündigte an, seine Mandantin werde sich im Laufe des
       Prozesses äußern. Er kritisierte eine „mediale Vorverurteilung“ seiner
       Mandantin.
       
       Außerdem kündigte er an, bei einem der nächsten Prozesstermine ein Video
       vorführen zu wollen. Dieses Video zeige den Vorfall an der Universität und
       solle beweisen, dass seine Mandantin Elisabeth S. in der Situation nicht
       beleidigt habe, erklärte der Verteidiger gegenüber der taz.
       
       ## Vorwurfsvolle Fragerunde
       
       Laut Anklage soll Ayan M. Elisabeth S. unter anderem als „hässliche Hexe“
       beschimpft und ihr gedroht haben, sie ins Gesicht zu schlagen. Zwei erste
       Zeuginnen, die zum Prozessauftakt gehört wurden, konnten die Beleidigung
       jedoch nicht bestätigen.
       
       Beide hatten als Zuhörerinnen an der Vorlesung teilgenommen und
       anschließend einen Tumult vor der Tür des Hörsaals beobachtet, bei dem es
       zur Auseinandersetzung zwischen Ayan M. und Elisabeth S. gekommen sei. Sie
       gaben an, die Beschimpfung von Ayan M. in dieser Situation nicht gehört zu
       haben beziehungsweise sich nicht daran erinnern zu können.
       
       Eine Beleidigung soll für Elisabeth S. aber Anlass gewesen sein, ihr Handy
       zu zücken, um Ayan M. zu filmen, berichtete die erste Zeugin. Demnach habe
       S. die Angeklagte M. sinngemäß gebeten, etwas vorher Gesagtes zu
       wiederholen. Dabei sei S. nicht aggressiv gewesen. Trotzdem könne die
       Zeugin verstehen, dass die Angeklagte Ayan M. aufgrund des angekündigten
       Filmens wütend geworden sei. Sie habe daraufhin nach dem Handy gegriffen
       und Elisabeth S. bedrängt. Dann seien beide zu Boden gegangen. Später habe
       die Zeugin erfahren, dass die Angeklagte Elisabeth S. dabei geschlagen und
       gewürgt habe.
       
       Beide Zeuginnen berichteten, dass der Vortrag zuvor am Ende von einer
       Gruppe, der sie die Angeklagte zuordneten, gestört worden sei. So sei dem
       Vortragenden in der Fragerunde vorgeworfen worden, er rechtfertige die
       Tötung von Kindern.
       
       Organisiert wurde die Vorlesungsreihe vom Ehemann von Elisabeth S. –
       inwieweit das eine Rolle für den Angriff spielt, ist noch unklar. Er wird
       an einem späteren Prozesstag als Zeuge aussagen. Auch bei anderen Terminen
       der Ringvorlesung zum Antisemitismus [3][hatte es Störaktionen und
       Gegenproteste im Zusammenhang mit dem Krieg in Gaza gegeben].
       
       Bei der Vernehmung der zweiten Zeugin fragte Verteidiger Aykic unvermittelt
       nach deren „politisch-religiöser Einstellung“. Zur Begründung zitierte er
       Aussagen des Nebenklagevertreters Otmar Kury, wonach dieser Mitglied [4][im
       Freundeskreis Yad Vashem] sei. Der in Berlin ansässige Verein unterstützt
       die internationale Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.
       
       Die vorsitzende Richterin Winkelmann beanstandete die Frage, da sie nichts
       mit der Sache zu tun habe. Nebenklagevertreter Kury konnte sich nicht
       erklären, warum der Verteidiger in diesem Zusammenhang auf seine Person
       Bezug genommen habe, sagte er später in einer Verhandlungspause.
       
       Die Nebenklägerin Elisabeth S. hat sich am ersten Prozesstag noch nicht
       geäußert. Ihre Aussage ist für den 8. April vorgesehen. Der Prozess wird am
       25. März fortgesetzt. Der letzte Verhandlungstag ist für den 20. Mai
       geplant.
       
       In einer früheren Fassung fehlte die Aussage einer Zeugin, wonach Elisabeth
       S. angekündigt haben soll, die Angeklagte zu filmen. Wir haben das ergänzt,
       ebenso wie die Tatsache, dass der Vortragende der Ehemann der Geschädigten
       ist.
       
       11 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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