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       # taz.de -- Angriffe auf Journalist:innen: Nur mit Bodyguards
       
       > Die Stimmung gegen Journalist:innen wird rauer. Dabei werden sie von
       > Querdenker:innen an ihrer Arbeit gehindert. Aber auch von der
       > Polizei.
       
   IMG Bild: Unangemeldete Versammlung von Impfgegner:innen am 6. Januar im bayerischen Mittenwald
       
       Berlin taz | Es hilft zurückzublicken, um ein Phänomen der Gegenwart in
       seiner Drastik zu verstehen. So beginnt Frank Überall, Bundesvorsitzender
       des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), seine Einordnung der
       gegenwärtigen [1][Lage der Pressefreiheit] mit einem Rückblick auf die
       Anfänge der Pegida-Demonstrationen.
       
       „Ein exotisches Thema“ seien Anfeindungen und Angriffe auf
       Journalist:innen damals noch gewesen. Heute sei das Thema für den DJV
       eines der wichtigsten, so Überall am Dienstag bei einer Pressekonferenz in
       Berlin. „Wir sind da nicht nur Anfeindungen, sondern ganz konkreter Gewalt
       ausgesetzt. Verbaler Gewalt, aber eben auch handfester gewalttätiger
       Übergriffe.“ Es gebe Bundesländer und Städte, in denen Kolleg:innen
       nicht mehr ohne Bodyguards berichten könnten. Es gebe Mitglieder, die
       sagten: [2][„Wir trauen uns da nicht hin.“]
       
       Am Montag habe er selbst einen Protest vor dem ZDF-Hauptstadtbüro
       beobachtet, so Überall. Der Gewerkschafter und Journalist, der für den WDR
       arbeitet, sei erkannt und mit einem „Ständchen“ empfangen worden, in dem es
       hieß: „Der Rundfunkstaatsvertrag ist ein Vertrag zulasten Dritter. Sie
       handeln selbstermächtigt, wie damals Adolf Hitler.“ Ein weiteres Zitat, das
       er zur Pressekonferenz mitgebracht hat und das beim Publikum für Applaus
       gesorgt habe: „Der Tag kommt auf jeden Fall, wo ihr für eure Lügen zur
       Rechenschaft gezogen werdet.“
       
       Überall berichtet davon, dass Journalist:innen regelmäßig als
       Handlanger eines „Regimes“ und als „Nazis“ beschimpft würden.
       Kolleg:innen würden bespuckt und tätlich angegriffen. Ein neuer Trend
       sei, mit mitgebrachtem Licht Kameras von Kolleg:innen zu blenden. Es
       habe sich bei den Beschimpfenden „eine völlig eigene Deutungs- und
       Gedankenwelt“ etabliert. „Dem muss Einhalt geboten werden, zumindest da, wo
       es zu handfesten Übergriffen kommt“, so Überall.
       
       ## Auch Innen- und Rechtsausschuss müssen etwas tun
       
       Pressefreiheit muss gerade also nicht nur respektiert, sondern „konsequent
       durchgesetzt werden“. Aber was heißt das konkret? Muss es rechtliche
       Änderungen geben, damit Journalist:innen in politisch aufgeheizten
       Zeiten wie heute ohne Furcht ihrer Aufgabe nachgehen können? „Es ist eine
       Frage der Haltung. Es ist eine politische Frage“, antwortet Überall auf
       mehrere diesbezüglicher Nachfragen im Anschluss an seine Darlegungen.
       Konkret heiße das, dass das Grundrecht auf Pressefreiheit und alle darunter
       fallenden konkreten Befugnisse von Journalist:innen von der obersten
       politisch verantwortlichen Stelle bis zum einzelnen Beamten durchdekliniert
       werden müsse.
       
       Es geht der Gewerkschaft dabei nicht nur darum, dass Journalist:innen
       von der Polizei ausreichend geschützt werden, sondern auch darum, dass sie
       von der Polizei schlicht nicht an ihrer Arbeit gehindert werden. Überall
       berichtet, dass manchen der Durchlass verwehrt werde, Kameras beschlagnahmt
       oder Presseausweise von Polizist:innen nicht anerkannt würden, wie in
       einem aktuellen Fall in Gera, wo ein Beamter gesagt habe, dass ihn der
       Presseausweis „einen Scheiß interessiere“.
       
       Der Gewerkschafter zeigt zwar Verständnis dafür, dass die Polizei auf den
       gegenwärtigen Demonstrationen gefordert sei. Aber es gehe eben oft auch um
       fehlendes Wissen der Beamt:innen über Rechte von Pressevertreter:innen,
       um diese in konkreten Entscheidungssituationen gegen andere Faktoren vor
       Ort abzuwägen. Bei Einsatzbesprechungen der Polizei spiele das Thema Presse
       nur eine randständige Rolle. Um das zu verändern, sei der DJV bereits in
       Gesprächen mit Polizeigewerkschaften und Innenpolitiker:innen
       verschiedener Parteien. Auch Besuche in Polizeischulen fänden bereits
       statt, ein Aufklärungsflyer für Beamt:innen würde man gerade in
       Polizeidienststellen auslegen.
       
       Das ist die kleinteilige Aufklärungsarbeit, die der Verband leisten kann.
       Ohne Nachdruck der für die Sicherheitsbehörden politisch Verantwortlichen
       wird sie nur begrenzt Wirkung entfalten. Überall ruft deshalb den Bundestag
       und die Landesparlamente dazu auf, das Thema Pressefreiheit jenseits
       ritualisierter Bekundungen auf die politische Agenda zu setzen. In der
       vorvergangenen Legislaturperiode habe es zwei Anhörungen dazu im Medien-
       und Kulturausschuss des Bundestags gegeben. „Danach ist aber leider nicht
       mehr viel passiert.“ Heute reiche es nicht, wenn sich nur dieses Gremium
       damit beschäftigt. Auch der Innen- und Rechtsausschuss müssten das tun.
       
       11 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /AusgebranntePresse/!5824602
   DIR [2] https://twitter.com/ProtestFotoDD/status/1476166155404562438?t=mF81a758rlNOav4GtXNR1g&s=19
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Volkan Ağar
       
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