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       # taz.de -- Angriffe auf kritische Infrastruktur: Stich um Stich um Stich
       
       > Drohnen über Flughäfen, zerstörte Kabel in der Ostsee, Spionage und
       > Sabotage: Wie schützt man die kritische Infrastruktur?
       
   IMG Bild: Montag, 22. September: genau um 21 Uhr können keine Flüge am Flughafen Kopenhagen landen oder starten
       
       Berlin taz | Hysterie? Sicherheitswahn? Unnötige Militarisierung? In den
       vergangenen Tagen ist mehr als deutlich geworden, dass Orte des
       öffentlichen Lebens angreifbar sind. Und das mitten in Europa. Innerhalb
       kürzester Zeit meldeten erst [1][Polen] und [2][Rumänien], dann
       [3][Estland] und schließlich [4][Norwegen und Dänemark] Verletzungen ihrer
       Lufträume.
       
       In den meisten Fällen wurden fremde Drohnen gesichtet, in Estland gar
       Militärjets. Die unmittelbare Reaktion auf die Vorfälle: Flughäfen wurden
       gesperrt, die Nato-Staaten riefen schnell Krisentreffen ein. Und nun steht
       – auch in Deutschland – die Frage im politischen Raum, ob [5][solche
       Flugobjekte abgeschossen] werden können oder sollten.
       
       Hinter den Luftraumverletzungen wird Russland vermutet. Der Kreml streitet
       – wenig verwunderlich – alles ab, reagiert gar nicht oder [6][warnt vor der
       nächsten Eskalationsstufe], sollten die betreffenden Staaten sich zu einem
       Abschuss oder anderen Maßnahmen hinreißen lassen. In der Gesamtschau passen
       alle Vorfälle in den Spielplan hybrider Kriegsführung, also eines sich
       verschärfenden Konflikts ohne offizielle Kriegserklärung.
       
       Spätestens seit der russischen Vollinvasion in der Ukraine 2022 haben sich
       die Schauplätze und Strategien der Aggression verlagert. Sabotage an
       Pipelines, Cyberangriffe auf Datensysteme, die das öffentliche Leben
       bestimmen, Desinformationskampagnen, Einmischung in die „inneren
       Angelegenheiten“ von Ländern, die sich Russland entgegenstellen. Es geht
       Präsident Wladimir Putins Regierung um empfindliche Störungen, darum, Angst
       zu schüren, um die Verbündeten der Ukraine auf gefährliche Art und Weise
       beschäftigt zu halten. Und das an Plätzen, die zur öffentlichen
       Daseinsvorsorge gehören, sprich zum Alltag der Menschen.
       
       ## Angriffe rücken im Alltag näher
       
       Am meisten aufgerüttelt haben jüngst wohl die Drohnenflüge über
       verschiedenen Flughäfen in Dänemark, darunter der Hauptstadtflughafen
       Kopenhagen. Dass es an der polnisch-ukrainischen Grenze zu Zwischenfällen
       kommt, in Rumänien oder Moldau, wird zwar mit Sorge kommentiert und scharf
       kritisiert. [7][Doch eine Drohnensichtung im Herzen Dänemarks hat im Westen
       für weit mehr Wirbel gesorgt,] war Russland doch bisher vor allem mit
       Sabotagen in der Ostsee beschäftigt. Annegret Bendiek, Expertin für
       europäische Außen- und Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und
       Politik, sagt: „Angriffe auf kritische Infrastruktur rücken im Alltag
       näher. Das zeigt sich auch in unseren [8][Forschungsdaten].“
       
       Die dänische Regierung spricht ganz klar von einem „hybriden Angriff“, von
       einem professionellen Akteur, der hinter den Drohnenflügen stecken soll,
       und von einer Gefahr für die Sicherheit.
       
       Und nun? Schon nach den Vorfällen in Polen und Estland wurden gemäß Artikel
       4 des Nato-Vertrags Beratungen zwischen den Bündnisstaaten aufgenommen.
       Nato-Generalsekretär Mark Rutte formulierte Solidaritätsbekundungen der
       Militärallianz und versicherte ganz nebenbei, dass die
       Beistandsverpflichtung „eisern“ und „unzerbrechlich“ sei.
       
       Für Annegret Bendiek ist die hybride Bedrohung nun endlich weit oben in der
       politischen Debatte angekommen. An Hinweisen und Strategiepapieren zum
       Thema hat es auch bislang schon nicht gemangelt. Allerdings fehlt der
       länderübergreifende Blick. Eine politisch klare Solidarität mit dem Bündnis
       sei wichtig, sagt sie. Die konkrete Solidarität sollte aber da liegen, wo
       sie am besten aufgehoben sei. Die Wissenschaftlerin meint konkret: bei den
       EU-Staaten. „Die Europäische Union ist kein Verteidigungsbündnis, aber die
       Stabilität der öffentlichen Daseinsvorsorge gehört auch zu ihren Aufgaben.“
       
       ## Mehr Bewusstsein in Politik und Bevölkerung
       
       Für die kritische Infrastruktur bedeute das, dafür zu sorgen, dass
       öffentliche Orte nicht leicht zugänglich sind, dass es Frühwarnsysteme
       gibt, wie die Bevölkerung reagieren kann, wenn es zu einem Zwischenfall
       kommt. Und, die Kommunen in den Ländern viel stärker einzubinden beim
       Schutz von Straßen, Flughäfen oder Energieversorgern – eben den Orten, die
       zur kritischen Infrastruktur gehören. In Deutschland soll das
       [9][sogenannte Kritis-Dachgesetz] für mehr Bewusstsein sorgen und die
       Betreiber stärker in die Pflicht nehmen.
       
       Bendiek sagt: „Unser größtes Problem ist, dass wir immer noch in der
       Friedensdividende leben. Dabei ist die Welt eine andere geworden.“ Bei den
       übergeordneten Institutionen gehe es viel um Kompetenzgerangel, in den
       Ländern gebe es häufig Doppelstrukturen, unklar bleibe, wer für was
       eigentlich zuständig sei. Die Bundesregierung will den Nationalen
       Sicherheitsrat, der ans Kanzleramt angedockt ist – also Chefsache – dafür
       nutzen, in Sicherheitsfragen zukünftig schneller und effektiver reagieren
       zu können.
       
       Doch dann ist da noch die leidige Sache mit den Geheimdiensten und
       vertraulichen Informationen, die Querverbindungen zwischen hybriden
       Angriffen herstellen könnten. Verschiedene Plattformen, die Fälle von
       Angriffen auf kritische Infrastrukturen sammeln, sind im Aufbau. Die
       Rückkehr zum Nationalismus in Sicherheitsfragen blockiert jedoch den
       Austausch von Informationen. Was kommt nach Dänemark? Welcher Staat meldet
       als nächster verdächtige Flugobjekte, Sabotageakte oder Cyberangriffe? Der
       nächste überraschende Drohnenflug in Europa kommt bestimmt. Und die
       Diskussion über angemessene Reaktionen zwischen Deeskalation, Solidarität
       und der Demonstration von Stärke wird weiter an Fahrt aufnehmen.
       
       26 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
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   DIR [7] /Drohnen-ueber-Flughaefen/!6111818
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   DIR [9] /IT-Experte-ueber-bedrohte-Infrastruktur/!6115811
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tanja Tricarico
       
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