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       # taz.de -- Anklage gegen Donald Trump: Fünf gegen Trump
       
       > Diese Staatsanwältinnen, Richter und Sonderermittler sähen den
       > Ex-Präsidenten am liebsten hinter Gittern. Und damit sind sie nicht
       > allein.
       
   IMG Bild: Alvin Bragg, der Bezirksstaatsanwalt von Manhatten
       
       Niemand in Washington sagt es laut. Aber fast alle versuchen, politisches
       Kapital aus der Anklage gegen Donald Trump zu schlagen. Die Republikaner
       tun es mit demonstrativer Einigkeit gegen die Justiz. „Eine Hexenjagd“ und
       ein „politischer Missbrauch“, wettern selbst innerparteiliche Kritiker wie
       Senator Mitt Romney, der im Kongress zwei Mal für eine Amtsenthebung von
       Trump gestimmt hat.
       
       [1][Radikal Rechte in der Partei] verlangen bereits die Entlassung des New
       Yorker Staatsanwalts Alvin Bragg. Eine von ihnen, die Abgeordnete Marjorie
       Taylor Greene aus Georgia, vergleicht Trump in der Karwoche gar mit Jesus
       Christus: „Der ist ebenfalls verhaftet worden.“ Lindsey Graham aus South
       Carolina, auch ein bedingungsloser Trump-Gefolgsmann, fordert die Wähler
       auf, für den angeklagten Milliardär zu spenden. Wer sich das nicht leisten
       könne, solle „für Trump beten“.
       
       Am hemmungslosesten bemüht Trump sich selbst, seine Lage politisch zu
       nutzen. Er ist der erste ehemalige US-Präsident der Geschichte, der je als
       Angeklagter vor einem Richter gesessen hat. Und er versucht gar nicht erst,
       sich zu verteidigen. Sondern nimmt die Juristen ins Visier. Wütet gegen
       Staatsanwälte und Sonderermittler, die sich – in New York, Washington und
       Atlanta – mit seinen Machenschaften befassen. Nennt sie „menschlichen
       Abschaum“, „Terroristen“, „Verrückte“, „Linksradikale“ und „Bombenwerfer“,
       beschreibt sie und ihre Familien als „Trump-Hasser“ und vergleicht das
       Vorgehen von Richter Juan Merchan mit Methoden „der alten Sowjetunion“.
       Kaum war er angeklagt, forderte Trump seine eigene Partei auf: „Entzieht
       dem Justizministerium und dem FBI die finanziellen Mittel, bis sie zur
       Vernunft kommen“.
       
       ## Republikanische Kritik ist rar
       
       Die Handvoll Politiker in der Republikanischen Partei, die es wagen, Trump
       zu kritisieren, haben ihre Karriere hinter sich. „Die meisten Amerikaner
       werden in ihrem Leben nie wegen Straftaten angeklagt. Schon gar nicht 34
       mal“, beklagt Reid J. Ribble, früherer republikanischer Abgeordnete aus
       Wisconsin. Für ihn ist die Anklage „schockierend und eine Disqualifikation
       für einen, der eine Führungsposition anstrebt“.
       
       Am weitesten geht der ehemalige Gouverneur von Arkansas, Asa Hutchinson. Er
       verlangt, dass Trump von seiner neuerlichen Kandidatur als republikanischer
       Präsidentschaftsbewerber zurücktritt. Zwei Tage vor der Anklageverlesung
       gegen Trump hatte der chancenlose Hutchinson sich selbst zum Kandidaten im
       republikanischen Rennen um das Weiße Haus erklärt.
       
       Die bekannteren republikanischen Bewerber, darunter Trumps ehemalige
       UN-Botschafterin Nikki Haley und Trumps ehemaliger Protegé, Floridas
       Gourverneur Ron DeSantis, hüllen sich auch Tage nach der Anklageverlesung
       noch in Schweigen. Sie fürchten, dass Trumps Versuch, sich als Opfer zu
       stilisieren, bei der Basis aufgehen könnte. Vorerst unterstützen die
       Umfragen diese Befürchtung. In den letzten Tagen hat Trump seinen Vorsprung
       gegenüber anderen republikanischen Kandidaten noch ausgebaut.
       
       Die Demokraten reagieren weniger geschlossen auf die Anklage. US-Präsident
       Joe Biden hält sich mit Kommentaren zurück, um den Vorwurf zu vermeiden, er
       benutze die Justiz als Waffe. Aber in seiner Partei sind viele enttäuscht.
       Sie hatten auf juristische Vorwürfe gehofft, die zu einer sicheren
       Verurteilung führen würde. Die 34 Anklagepunkte gegen Trump, die sich alle
       auf Fälschungen von Geschäftsunterlagen mit dem Zweck, die Wähler zu
       hintergehen, beziehen, erscheinen ihnen als „schwach“. Sie fürchten, dass
       sie Trumps nächste Präsidentschaftskandidatur eher stärken als schwächen.
       
       Die Abgeordnete Alexandria Ocasio Cortez vom linken Flügel der Demokraten
       sieht das anders. Für sie ist die Anklage gegen Trump eine
       „Selbstverständlichkeit“. Unabhängig vom Ausgang gehe es ihr vor allem um
       „einen ordentlichen Prozess“ sowie um die Frage: „Haben wir eine
       gleichberechtigte Gesellschaft – unabhängig vom Einkommen?“
       
       ## Dicke Schecks helfen Tump jetzt nicht mehr
       
       Trump ist es seit 76 Jahren gewohnt, für seine Fehltritte nicht zur
       Rechenschaft gezogen zu werden. Schwerwiegende Vorwürfe gegen ihn gab es
       jede Menge – von Rassismus gegenüber Mietern über betrügerische
       Geschäftspraktiken bis hin zu sexuellen Übergriffen auf Frauen. Aber er
       schaffte es stets, jede Anklage abzuschmettern – mit Schecks, mit einer
       Armee von Anwälten und mit Einschüchterungen.
       
       Nachdem er damit jetzt zum ersten Mal gescheitert ist, trifft seine Rache
       [2][die Juristen, die gegen ihn ermitteln]. Sie sind Liberale, die für ein
       Land stehen, das anders aussieht als die rückwärtsgewandten „America
       First“-Gelüste von Trumps Anhängern. Diejenigen, die Trump nun juristisch
       im Nacken sitzen, sind zwischen den späten 1950er und frühen 1970er Jahren
       zur Welt gekommen und stammen überwiegend aus „Minderheiten“, die vor der
       Bürgerrechtsbewegung kaum eine Chance auf eine Karriere in der USA-Justiz
       hatten.
       
       Im Zentrum stehen dabei zwei Männer in Manhattan. Der afroamerikanische
       Staatsanwalt Alvin Bragg (49), der die Anklage vorbereitet hat, stammt aus
       Harlem. In seiner Jugend ist er mehrfach mit vorgehaltener Waffe von der
       New Yorker Polizei angehalten worden. Vor eineinhalb Jahren wurde der
       Demokrat in sein aktuelles Amt gewählt. Trump hat ihn unter anderem als
       „degenerierten Psychopathen“ und als „Tier“ beschimpft und gewarnt, dass
       eine Anklage zu „Tod und Zerstörung“ führen könne. Vor ein paar Tagen
       erhielt er einen Umschlag mit einer Morddrohung und weißem Pulver, das sich
       allerdings als harmlos entpuppte.
       
       Trumps zweite Hassfigur in New York ist Richter Juan Merchan, der als Kind
       aus Kolumbien in die USA einwandert ist. Der 60-Jährige hat den Ruf,
       „streng und einfühlsam“ zugleich zu sein, und führte auch ein Verfahren
       gegen Allen Weisselberg, den ehemaligen Finanzchef der „Trump
       Organisation“. Mittlerweile sitzt der wegen Steuerhinterziehung im
       Gefängnis. Weisselbergs Verteidiger Nicholas Gravante Jr beschreibt den
       Richter als „praktisch, effizient, echten Zuhörer, gut vorbereitet“ und als
       „Mann, der sein Wort hält“. Trump hingegen behauptet, Weisselberg sei von
       Merchan zu einem „Geständnis gezwungen“ worden.
       
       ## Pervertierte Rassismusvorwürfe
       
       Wenn Trump über Letitia James, die Generalstaatsanwältin des Bundesstaates
       New York, spricht, benutzt er das Wort „Verfolgung“. Die 64-jährige
       Afroamerikanerin führt ein zivilrechtliches Betrugsverfahren gegen ihn.
       Trump nennt sie eine „Rassistin in umgekehrter Form“.
       
       In Georgia ermittelt Staatsanwältin Fani Willis zu Trumps Versuch, den
       örtlichen republikanischen Staatssekretär einzuschüchtern, damit dieser
       ihm nach der verlorenen Präsidentschaftswahlen von 2020 doch noch zu den
       nötigen Stimmen verhelfe – so Trumps Plan. Die 51-jährige Afroamerikanerin
       ist die Tochter eines Black-Panther-Aktivisten. Falls die Grand Jury in
       Atlanta zustimmt, könnte Willis die nächste Anklage gegen Trump starten:
       wegen versuchter Wahlmanipulation. Trump schimpft sie „eine lokale
       rassistische demokratische Bezirksstaatsanwältin“.
       
       Wenn Trump über Sonderermittler Jack Smith spricht, hat er richtiggehend
       Schaum vor dem Mund. Der Anwalt ermittelt sowohl zu Trumps Rolle beim Sturm
       auf das Kapitol am 6. Januar 2021 als auch zur illegalen Mitnahme von
       Geheimdokumenten aus dem Weißen Haus in Trumps Residenz in Florida,
       Mar-a-Lago. Beide Ermittlungen könnten ebenfalls noch zu Anklagen führen.
       Smith ist der einzige Weiße in der Gruppe von Trumps aktuell glühendsten
       Feindbildern. Bevor er ins Justizministerium kam, hatte Smith am
       Internationalen Gerichtshof in Den Haag als Ankläger bei Kriegsverbrechen
       im Kosovokrieg gearbeitet. Trump bezeichnet ihn als „sogenannten Jack
       Smith“, nennt ihn einen „Freund der übelsten Marxisten und Kommunisten“,
       einen „Trump hassenden Schläger“ und „unfairen Wilden“.
       
       ## Filmemacher Michael Moore schreibt offenen Brief
       
       [3][An dem Dienstag, als Trump in New York verhaftet und angeklagt wurde],
       mahnte Richter Merchan ihn zu einer Mäßigung im Ton: „Bitte sehen Sie von
       Worten ab, die Gewalt und Unruhe auslösen könnten.“ Auch Trumps Anwälte und
       einige Verbündete legten ihm nahe, die Attacken gegen die Juristen zu
       beenden. Bislang hat Trump all diese Mahnungen ignoriert.
       
       Klarer als alle Politiker und Juristen hat der Filmemacher Michael Moore in
       einem offenen Brief erklärt, worum es nun geht. „Lieber Angeklagter Nr
       #4913961R“, schrieb er und sagte voraus, dass dies erst der Anfang einer
       „Reihe von Anklagen und Vernehmungen“ sei. Denn: „Wir sind hinter Ihnen her
       und wollen Sie vor Gericht bringen. Sie haben versucht, die
       Präsidentschaftswahl illegal zu kippen und die Regierung zu stürzen. Sie
       haben sich geweigert, Ihren Sitz im Oval Office aufzugeben, und
       beschlossen, einen Staatsstreich zu inszenieren. Und jetzt will die große
       Mehrheit des Landes einen legalen Weg, um Sie daran zu hindern, weiteren
       Schaden anzurichten.“
       
       7 Apr 2023
       
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