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       # taz.de -- Anklage gegen Linke Maja T. erhoben: Ungarn droht mit jahrelanger Haft
       
       > Im Juni 2024 wurde Antifaschist*in Maja T. nach Ungarn ausgeliefert.
       > Nun wurde Anklage erhoben – mit drakonischen Strafandrohungen.
       
   IMG Bild: Protestierende forderten im August in Erfurt die Rückholung von Maja T. nach Deutschland
       
       Berlin taz | Es war eine [1][nächtliche Hauruck-Aktion, mit der Maja T. im
       Juni vergangenen Jahres von der JVA Dresden nach Budapest geschafft wurde].
       Nun haben die ungarischen Behörden Anklage gegen die 24-jährige, nonbinäre
       Thüringer*in erhoben, und fordern eine jahrelange Haftstrafe. Der
       Vorwurf: schwere Angriffe auf Teilnehmende des rechtsextremen Aufmarschs
       „Tag der Ehre“ in Budapest im Februar 2023.
       
       Neben Maja T. wird laut Generalstaatsanwaltschaft Budapest auch der
       Italiener Gabriele M. angeklagt. Dieser allerdings befindet sich weiterhin
       in Italien – ein Gericht in Mailand hatte seine Auslieferung abgelehnt,
       wegen Zweifeln an der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn. Gegen Gabriele M. soll
       nun in Abwesenheit verhandelt werden. Maja T. sitzt dagegen in Budapest in
       U-Haft.
       
       Die Anklage wirft Maja T. und Gabriele M. vor, Teil einer kriminellen
       linksextremen Vereinigung zu sein. In den Tagen um den 11. Februar 2023
       hätten sie mit anderen Autonomen in Budapest [2][mehrere schwere Angriffe
       auf Teilnehmende des rechtsextremen Aufmarschs „Tag der Ehre“ verübt],
       einem europäischen Szenetreffen. Die Angriffe seien konspirativ vorbereitet
       gewesen, mit klaren Rollenverteilungen, auch Schlagwerkzeuge seien
       eingesetzt worden. Insgesamt sechs Personen seien schwer verletzt worden,
       Ziel seien lebensgefährliche Verletzungen gewesen.
       
       Maja T. wird vorgeworfen, sich an vier Angriffen beteiligt zu haben, an
       einer Metro-Station, vor einer Bank und auf einem Platz im Stadtteil
       Gazdagrét. Teils sei T. dabei Angreifer*in gewesen, teils Beobachter*in.
       Die Vorwürfe lauten auf versuchte lebensgefährliche oder schwere
       Körperverletzung als Teil einer kriminellen Vereinigung. Gabriele M. wird
       die Beteiligung an drei Angriffen vorgeworfen.
       
       ## „Krasses Missverhältnis“
       
       Sven Richwin, Anwalt von Maja T., bestätigte der taz die Anklage. Er
       kritisierte die erhobenen Strafandrohungen. Demnach habe die
       Staatsanwaltschaft bei einem Geständnis von Maja T. ohne Verhandlung eine
       Strafe von 14 Jahren angeboten, mit Verbüßung unter „besonders strengen
       Haftbedingungen“. Ansonsten stehe eine Haftstrafe von 24 Jahren im Raum, so
       Richwin. Er sprach von einem „krassen Missverhältnis“ zu den Tatfolgen – zu
       Platzwunden, die in wenigen Tagen heilten.
       
       Mit einem Prozessbeginn sei nun Ende Februar zu rechnen, so Richwin. Er
       rechne mit einer „entwürdigenden Vorführung“ von Maja T., wie sie schon
       gegen die Italienerin Illaria Salis erfolgte, die direkt nach den Angriffen
       im Februar 2023 in Budapest festgenommen wurde, zusammen mit einer Ungarin
       und den Berliner*innen Maria M. und Tobias E. Salis war bei ihrem
       Prozessauftakt in Budapest in Ketten vorgeführt worden.
       
       Richwin und sein Kanzleikollege Maik Elster kritisieren auch die
       Haftbedingungen von Maja T. „Die hygienischen Zustände und Verpflegung sind
       schlecht“, so Richwin. Mehrere Monate sei Maja T. rund um die Uhr in der
       Zelle videoüberwacht worden, T. befinde sich weiter in Isolationshaft. Dem
       deutschen Konsulat sei eine Visite der Haftzelle verweigert worden. Auch
       ein eigener Gefängnisbesuch im Dezember sei ihnen als Anwälten erst erlaubt
       worden, nachdem man dies gerichtlich durchgesetzt habe, klagt Richwin.
       
       Auch Angehörige und Unterstützer*innen von Maja T. hatten zuletzt die
       Haftbedingungen kritisiert. Sie forderten eine Rückholung nach Deutschland
       – und keine weiteren Auslieferungen von Linken nach Ungarn.
       
       Maja T. war [3][im Dezember 2023 in Berlin von deutschen Zielfahndern
       festgenommen] worden, anschließend saß T. in der JVA Dresden in U-Haft. Im
       Juni 2024 erfolgte nach einer Entscheidung des Berliner Kammergerichts die
       Auslieferung nach Ungarn in einer Blitzaktion: Ohne die Entscheidung über
       einen Eilantrag der Anwälte vor dem Bundesverfassungsgericht abzuwarten,
       wurde Maja T. nach Ungarn gebracht. Tatsächlich hatte das
       Bundesverfassungsgericht die Auslieferung vorerst abgelehnt, als es bereits
       zu spät war. Wegen des Vorgangs haben die Anwälte von Maja T.
       Verfassungsbeschwerde eingereicht.
       
       ## Mehrere Antifas sind abgetaucht
       
       Seit den Angriffen von Budapest sind ein knappes Dutzend deutscher
       Antifaschist*innen abgetaucht. Nach ihnen suchen ungarische wie
       deutsche Behörden. Gegen die bereits in Budapest festgenommenen Anna M. und
       Illaria Salis, die inzwischen Europaabgeordnete ist, läuft bereits ein
       Prozess in Budapest.
       
       Auch Tobias E. war dort angeklagt, hatte aber ein Geständnis abgelegt und
       auf eine Beweisaufnahme verzichtet. Er war darauf [4][zu drei Jahren Haft
       verurteilt] worden, die später auf ein Jahr und zehn Monate reduziert
       wurden. Im Dezember war Tobias E. nach Deutschland ausgeliefert worden –
       [5][wo er sofort wieder festgenommen wurde, weil ihm hierzulande weitere
       Vorwürfe gemacht werden]. Seine Anwältin kritisierte das als „nicht
       nachvollziehbar“. Tobias E. habe seine Strafe bereits verbüßt und sei auch
       bei weiteren Vorwürfen immer bereit gewesen, sich diesen zu stellen.
       
       13 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
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