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       # taz.de -- Anti-Homosexualitäts-Gesetz in Uganda: Mehrheit für Hass auf LGTBQ+
       
       > Es ist eines der schärfsten Gesetze gegen die LGTBQ+-Community weltweit:
       > Homosexuellen Menschen in Uganda droht lebenslange Haft.
       
   IMG Bild: Homosexuellen Menschen in Uganda droht lebenslange Haft
       
       Kampala taz | Bis spät in die Abendstunden wurde am Dienstag in Ugandas
       Parlament debattiert. Was ist der Unterschied zwischen „Sex“ und „Gender“?
       Ab wann ist ein Mann ein Mann und eine Frau eine Frau? Welche Sexspielzeuge
       können benutzt, welche Geschlechtsteile stimuliert werden? Fragen, die
       sonst in Ugandas erzkonservativer Gesellschaft niemand öffentlich stellen
       würde.
       
       Ugandas Abgeordnete stimmten letztlich mehrheitlich für das neu aufgelegte
       Anti-Homosexualitäts-Gesetz. Nur zwei von 389 Abgeordneten waren dagegen.
       Als Grund, warum Uganda ein solches Gesetz überhaupt benötigt, wird im
       Gesetzentwurf dargelegt: „um die Kapazitäten des Landes zu stärken, inneren
       und äußeren Bedrohungen der traditionellen, heterosexuellen Familie zu
       begegnen“.
       
       Es ist eines der härtesten Gesetze gegen die LGTBQ+-Gemeinde weltweit,
       nachdem es gegenüber dem ersten Entwurf des muslimischen Abgeordneten
       Asuman Basalirwa weiter verschärft wurde. „Eine Person, die die Straftat
       der schweren Homosexualität begeht, muss im Fall einer Verurteilung den Tod
       erleiden“, steht darin nun. Die Todesstrafe wird in Uganda schon lange
       nicht mehr vollstreckt, insofern bedeutet dies in der Praxis lebenslange
       Haft.
       
       Bereits zuvor war Homosexualität verboten – ein Erbe der Kolonialzeit. Die
       britischen Kolonialherren hatten 1950 im Strafgesetzbuch Homosexualität
       unter Strafe gestellt. Doch Ugandas Gesetzgebern geht dies nicht weit
       genug. Bereits vor zehn Jahren wurde ein Gesetzentwurf ins Parlament
       eingebracht, der den Straftatbestand verschärft. 2013 war dieses Gesetz vom
       Parlament verabschiedet worden, wurde 2014 letztlich aber vom
       Verfassungsgericht gekippt. Jetzt ist ein neuer Entwurf – allerdings in
       verschärfter Form – angenommen worden.
       
       ## Gesetzeshüter in den Schlafzimmern
       
       Das neue Gesetz stellt auch das „Anwerben“ für gleichgeschlechtlichen Sex
       unter Strafe, ebenso die Verbreitung von Materialien, die
       gleichgeschlechtlichen Sex „fördern“. Gemeint sind damit vor allem
       Lehrbücher zur Sexualaufklärung in den Schulen, die auch Homosexualität
       thematisieren. Denn Homosexualität wird als eine Form des sexuellen
       Missbrauchs definiert.
       
       Viele Details sind noch nicht ausformuliert, aber möglicherweise könnte es
       Gesetzeshütern nun sogar erlaubt werden, bei Verdacht in Schlafzimmer
       einzudringen oder Menschen nur aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes
       festzunehmen, wenn also jemand den Anschein erweckt, schwul zu sein. Ziel
       ist es, so der Gesetzestext, Kinder und Jugendliche zu schützen, die
       „verletzlich sind gegenüber sexuellem Missbrauch durch Homosexuelle“.
       
       „Ich bin so enttäuscht von meinem Land“, seufzt Frank Mugisha am Telefon
       gegenüber der taz. Er ist der Vorsitzende des LGTBQ+-Verbandes Smug in
       Uganda, der schon seit Längerem keine Zulassung mehr hat, aber informell
       weiter existiert.
       
       Bevor nun das Gesetz in Kraft tritt, muss Präsident Yoweri Museveni es
       unterzeichnen. [1][Dieser hat sich in der Vergangenheit mehrfach negativ
       gegenüber Homosexuellen geäußert.] In seiner jüngsten Rede vor dem
       Parlament erklärte er: „Die Homosexuellen sind Abweichungen vom Normalen“,
       so der 78-jährige Präsident, der seit 36 Jahren an der Macht ist. „Ist es
       von Natur aus oder Erziehung? Wir müssen diese Fragen beantworten“, sagte
       er und verlangte von Ugandas Ärzten dazu ein Gutachten.
       
       Initiatorin dieser Gesetzesinitiativen im Hintergrund ist Musevenis Frau
       Janet, derzeit Bildungsministerin. Sie gilt als erzkonservative Anhängerin
       der evangelikalen christlichen Zirkel aus den USA. Sie und Präsident
       Museveni waren die ersten afrikanischen Mitglieder im sogenannten Prayers
       Breakfast in Washington, einem jährlichen Event, bei dem in der Fastenzeit
       die politische evangelikale Elite zusammenkommt.
       
       Diese Gemeinschaft spricht sich seit jeher gegen Homosexualität aus. Als
       Bildungsministerin hat „Mama Janet“, wie sie landesweit genannt wird, in
       den vergangenen Monaten die Stimmung im Land gegen Homosexuelle angeheizt.
       Sie warnte vor der „Rekrutierung“ von Kindern, wenn im
       Sexualkundeunterricht das Thema angesprochen wird. Sie forderte ein
       Untersuchungskommitee, das landesweit alle Schulen und Lehrer daraufhin
       untersucht, bloß keine Homosexualität zu thematisieren.
       
       ## Durchschaubares Ablenkungsmanöver
       
       Analysten sehen darin ein politisches Instrument der Präsidentenfamilie,
       von den wirklichen Problemen des Landes gezielt abzulenken. Spätestens seit
       dem zweijährigen Corona-Lockdown an Ugandas Schulen liegt das
       Bildungssystem am Boden. Das Land ist restlos überschuldet.
       
       Nach 37 Jahren an der Macht erklärt nun Musevenis Sohn und einer der
       höchsten Generäle des Landes, Muhoozi Kainerugaba, dass er 2026 die
       Nachfolge seines Vaters antreten will. Die vermeintliche Sorge um die
       Kinder Ugandas, von Homosexuellen verführt zu werden, lenkt nun erfolgreich
       von alldem ab.
       
       Die meisten Mitglieder der kleinen LGBTQ+-Gemeinde Ugandas haben in den
       vergangenen Jahren bereits das Land verlassen. Hunderte von ihnen leben im
       Flüchtlingslager Kakuma im Nachbarland Kenia. Doch auch dort wird ihnen der
       Asylstatus verwehrt, sie sind in dem gewaltigen Lager täglichen
       Erniedrigungen und Anfeindungen von anderen Flüchtlingen ausgesetzt.
       
       „Ich bin so verzweifelt“, klagt Juliet Wabule gegenüber der taz per
       Videoschalte aus dem Kakuma-Lager. Die 42-jährige lesbische Uganderin und
       Sprecherin der LGTBQ+ in Kakuma ist vor fünf Jahren aus ihrem Heimatland
       geflohen und hat in Kenia Asyl beantragt – bis heute vergeblich. „Wir
       hatten Hoffnung, dass sich die Lage in Uganda entspannt“, sagt sie unter
       Tränen.
       
       In Kenia wird den LGTBQ+-Leuten aus Uganda der Asylstatus verwehrt. Jüngst
       gab es dort ebenfalls Proteste gegen Homosexuelle. Niemand fühlt sich dort
       sicher. Als die LGTBQ+-Gemeinde vergangene Woche versuchte, das Lager zu
       verlassen, wurden sie festgenommen, mit Schlagstöcken und Tränengas
       niedergestreckt und zurückgebracht. „Wir leben hier wie Geiseln“, weint
       sie. Das neue Gesetz macht eine Heimkehr nun unmöglich.
       
       22 Mar 2023
       
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