# taz.de -- Rassismus gegen Muslime in Deutschland: Diskriminierung, Gewalt, tödliche Angriffe
> Die Meldestelle Claim registriert 60 Prozent mehr antimuslimische
> Vorfälle als 2023. Dabei ist alles, vom blöden Spruch bis zur
> Säureattacke.
IMG Bild: Auf muslimische Menschen wurden 60 Prozent mehr Angriffe als im Vorjahr verübt
Berlin taz | Im Klassenzimmer oder auf der Straße, beim Amt oder im Job:
Muslime werden in Deutschland diskriminiert, beleidigt und angegriffen.
Rund 3.000 solcher Vorfälle dokumentierte die Meldestelle Claim 2024 – ein
Anstieg von 60 Prozent zum Vorjahr. Darunter waren fast 200 Fälle schwerer
Körperverletzung und sogar zwei Tötungsdelikte. Rima Hanano,
Co-Geschäftsführung von Claim, sprach bei der Präsentation von einer
„zunehmenden Enthemmung“ in der Bevölkerung.
Bei rund der Hälfte der registrierten Vorfälle ging es um rassistische
Beschimpfungen. Jeweils 20 Prozent entfallen auf die Kategorien
Diskriminierung und verletzendes Verhalten. In fast allen Gruppen übermäßig
betroffen sind dabei muslimische Frauen, insgesamt waren sie in fast drei
Viertel der Fälle die Geschädigten.
So etwa bei einem Fall im Januar 2024 [1][in Berlin]: Ein Mann riss einer
Muslima das Kopftuch herunter, verletzte sie dabei und versuchte, ihren
Kopf gegen eine Glasscheibe zu schlagen. Oder im Fall zweier 13-jähriger
Mädchen, die in Dresden von zwei Rentnerinnen beschimpft wurden. Insgesamt
fällt die Drastik vieler Vorfälle auf. Im September übergoss etwa ein Mann
in Stralsund seinen syrischen Nachbarn mit Schwefelsäure und verletzte ihn
damit schwer. Und Moscheen sowie Restaurants muslimischer
Gastronom*innen erhielten immer wieder Hassbotschaften, etwa in
Bielefeld, wo den Empfängern mit „Gaskammern“ gedroht wurde.
Geschäftsführerin Hanano verwies auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen
antimuslimischem Rassismus und Gewalt in Nahost. Mit dem Massaker der Hamas
an israelischen Zivilist*innen am 7. Oktober 2023 [2][stieg nicht nur
die Zahl antisemitischer Vorfälle in Deutschland massiv], sondern auch die
der antimuslimischen Taten. Auch andere Verbrechen islamistischer Gruppen
nahmen Rassist*innen zuletzt zum Anlass für Angriffe: So stieg etwa die
Zahl der Vorfälle nach dem Messerangriff von Solingen deutlich an. Dort
waren im Herbst 2024 drei Menschen erstochen worden, mutmaßlich durch einen
Syrer mit Verbindungen zum sogenannten „Islamischen Staat“.
## Kampf gegen Rassismus braucht Geld
Befördert wurde Rassismus wohl auch durch Politiker*innen, die gegen
Geflüchtete und Migrant*innen aus überwiegend muslimischen Ländern
hetzen. Hanano sagte, es sei [3][ein „gesellschaftliches Klima“]
entstanden, das Rassist*innen bestärke.
Um dagegen anzukämpfen, schlägt Claim eine ganze Reihe von Maßnahmen vor.
So müsse zunächst insbesondere die Erfassung von Vorfällen weiter
verbessert werden, das Dunkelfeld sei derzeit wohl sehr groß. Außerdem
müssten Schutz und Beratungsangebote für Betroffene ausgebaut werden. Und
dafür brauche es wiederum endlich eine gesicherte Finanzierung
zivilgesellschaftlicher Projekte.
Die Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik, sagte zu
den neuen Zahlen: „Wir müssen das ganze Ausmaß von antimuslimischem
Rassismus benennen und deutlich dagegen vorgehen.“ Die Grünen-Abgeordneten
Lamya Kaddor, und Schahina Gambir sagten: „Die Verrohung der Sprache und
die Verschiebung des Diskurses haben enorme Auswirkungen auf Menschen in
diesem Land.“ Sie forderten eine „entschlossene Gesamtstrategie gegen
antimuslimischen Rassismus“.
Der SPD-Abgeordnete Helge Lindh sagte, Beratungsangebote seien ein
wichtiges Mittel, um gegen Rassismus anzukämpfen. Er sieht aber auch
öffentliche Einrichtungen wie etwa Schulen in der Pflicht. Im Gespräch mit
der taz betonte Lindh zudem, wie massiv Musliminnen betroffen sind: „Viele
Musliminnen haben zu Recht den Eindruck, dass ihnen unter dem Deckmantel
von Fortschrittlichkeit und Befreiung von Unterdrückung de facto das Recht
auf Selbstbestimmung und eigenen Willen abgesprochen wird.“ Das sei etwa
der Fall, wenn das Kopftuch als Symbol für Rückschrittlichkeit
stigmatisiert werde. Solche „vermeintlichen Befreiungsversuche“ erlebten
Betroffene oft „als Einkerkerung“.
17 Jun 2025
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## AUTOREN
DIR Frederik Eikmanns
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