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       # taz.de -- Antisemitismus und die Hamas: Zeit der Ansagen
       
       > Linke und Grüne haben muslimische, palästinensische Communitys lange
       > bevormundet. Jetzt ist Zeit für harte, herzliche Worte.
       
   IMG Bild: Pro-Palästina-Demo „Decolonize All“ auf dem Oranienplatz in Berlin, Ende Oktober
       
       Selbstverständlich ist es rechtsstaatswidrig, Demonstrationen mit
       palästinabejahendem Inhalt zu verbieten. Sollen sie sich äußern, all die
       arabischen Einwanderer, Bürger und Bürgerinnen und Flüchtlinge, dass der
       deutsche Blick auf Israel ein unvollständiger ist, sofern die
       palästinensische Perspektive nicht beachtet wird. Klar, Hamas-Feiern müssen
       verboten bleiben, unser Demonstrationsrecht umfasst alle Anliegen,
       [1][prinzipiell auch solche, die man selbst falsch findet], aber eben nicht
       die Feier von Terrorismus oder seine Stilisierung zum Freiheitskampf. Wenn
       also auf [2][der Berliner Sonnenallee, Epizentrum arabischen Lebens] in
       Deutschland seit 2014, Demos stattfinden, die anderen missbehagen, muss das
       ausgehalten werden: Demokratie ist schließlich keine
       Schneeflockenversammlung.
       
       Ebenso rechtsstaatswidrig sind alle [3][Allüren aus dem konservativen
       Spektrum, die Tauglichkeit für die deutsche Staatsangehörigkeit an ein
       Bekenntnis zu Israel] und zum Kampf gegen Antisemitismus zu knüpfen. Davon
       abgesehen, dass diese Art von Gesinnungs-TÜV von allen
       Einbürgerungswilligen verlangt werden müsste, am besten auch gleich von
       allen traditionell Deutschen, wäre eine solche Prüfung antiliberal: Als ob
       die meisten der aus arabischen Ländern zu uns Geflüchteten nicht vor den
       gleichen Kräften flohen, wie Israel sie jetzt zu bekämpfen hat.
       
       Aber: Dass das in der Tat ethisch mit gutem Herzenskompass versehene
       Publikum palästinensische Demos [4][wünscht, die sich solidarisch mit
       Israel erklären], dass sie sich in den abgeschlachteten Opfern der
       Hamas-Metzger wiedererkennen, weil es sie als Nächstes treffen könnte, käme
       diese islamistische Seilschaft auch hierzulande stärker zu Macht und
       Einfluss, ist selbstverständlich. Doch so sind die Dinge eben nicht, die
       stille Mehrheit, hofft man, schweigt noch. Und das hat [5][mit einer
       linken, multikulturell orientierten Politik zu tun], die die Probleme, die
       mit aus arabischen (vor allem palästinensischen) Gebieten Eingewanderten
       sich ergeben, notorisch ignoriert und bagatellisiert.
       
       Zum Problem einer ernsthaften Einwanderungs- und Integrationspolitik
       gehört, hier nur ein paar Facetten, dass Bürgerrechtlerinnen wie Necla
       Kelek und Seyran Ateş, dass eine in puncto Krieg-gegen-die-Ukraine zwar
       obszön herzlose, aber in Sachen Islamismus seit der Machtübernahme der
       Mullahs in Iran 1979 hellwache und klare Alice Schwarzer, dass ein aus
       einer arabisch-israelischen Familie stammender Ahmad Mansour oder dass ein
       Islamwissenschaftler wie Ralph Ghadban in unseren Kreisen als „rechts“
       abgetan wurden und werden. Dass sie, diese öffentlichen Stimmen, in der Tat
       im linken Spektrum, auch mit Hilfe der taz, Anlass zu
       Cancel-Culture-Impulsen geben, aber nicht zu Interesse und Neugier. Sie
       alle sind in der Vergangenheit faktisch dämonisiert worden: Was sie zu
       sagen haben, nütze nur den Rechten, so das chronische Abwiegelungsargument.
       
       ## Menschenrechte statt „Kultur“
       
       Sie alle, mehr oder weniger großen Unterschieden zum Trotz, eint, dass sie
       auf die muslimisch prägenden Lebensverhältnisse bei uns in Deutschland
       einen kühlen, in der Regel präzisen Blick werfen – und keine Scheu haben,
       da, wo „Kultur“ draufsteht, Menschenrechtsverletzungen wahrzunehmen.
       Anlässe für Kuscheligkeit stiften sie nicht, gut so. Gewalt in den
       Familien, fehlende Orientierung auf Bildungsaufstiege und bürgerliche
       Lebensverhältnisse, Appeasement antisemitischen Artikulationen in Moscheen
       gegenüber – um nur die gröbsten Felder zu benennen.
       
       Stattdessen, so die linke und grüne Dauerübung: Alles ist rassistisch,
       rechtspopulistisch und antiislamisch. Das kommt einem Zerrbild gleich,
       selbst wenn man die rechtsradikalen Morde des NSU-Komplexes, die
       mörderischen Brandschatzungen in Solingen, Mölln und anderswo in Rechnung
       stellt.
       
       „Nie wieder ist jetzt“ – und das bedeutet auch im Hinblick auf das Sprechen
       mit und zu den muslimischen (besonders: palästinaaffinen) Communitys: Es
       ist keine Zeit für Paternalisierungen. [6][Sondern für Ansagen], harte und
       herzlich gesinnte Klarstellungen. Und die gehen so: [7][Juden und Jüdinnen
       inklusive ihres aktuell verwundeten Safe Spaces namens Israel liegen uns am
       Herzen], euch auch. Palästina wie in eurer Phantasie ist nicht mehr. „From
       the river to the sea …“: vergesst es. Kennen lang eingeborene Deutsche
       alles längst, die glühenden Konflikte hierzu liegen drei Jahrzehnte zurück:
       Schlesien ist weg, und Ostpreußen auch. Ihr könnt Rückkehr nach Palästina
       wünschen, aber lasst es lieber.
       
       ## Werdet lieber politisch ernstzunehmen!
       
       Was viele von euch wollen, wäre ohne einen Holocaust 2.0 nicht zu haben, es
       käme einem Massaker in ganz Israel im Stil der Hamas gleich. Mithin: Hier
       ist jetzt eure Heimat, das muss es ja sein, sonst wäret ihr ja nicht
       gekommen, also macht was draus. Deutschland ist auch der Platz des Islam,
       aber nicht des Islamismus. Euer Glaube ist einer unter vielen, ja, einer,
       der sich allen gesellschaftlichen Platz mit Gottlosen zu teilen hat,
       friedlich.
       
       Werdet lieber politisch ernstzunehmen. Und das könnte heißen: Für eure
       Leute in Gebieten wie Neukölln eine entschieden besser ausgestattete
       Bildungspolitik zu fordern, mehr Wohnungsbau für bessere
       Lebensverhältnisse. Und zeigt euch von eurer besten Seite, nämlich, indem
       ihr euch entschieden fernhaltet von jeder Solidarität mit der Hamas. Und
       lasst euch nichts einreden von [8][gewissen akademischen Kreisen], die euch
       [9][in den postkolonial-pädagogischen Zwinggriff] nehmen, solche wie die,
       die neulich vor dem Auswärtigen Amt „Free Palestine … from German guilt“
       skandierten. [10][Das nämlich atmete verdammt die gleiche Luft, wie sie
       Rechtsradikale in ihre Lungen pressen], die vom deutschen „Schuldkult“ oder
       einem „Vogelschiss“ namens Nationalsozialismus sprechen.
       
       Darüber soll nicht geredet werden, weil es Rechten nütze? Nein. Das
       Schweigen über die echten Probleme unserer (meist arabischen, manchmal noch
       türkischen) Neubürgerinnen*, das Hinnehmen von Erregungszuständen, die
       faktisch und unverhüllt der Freude über den Hamas-Terror gleichkommen,
       nützt den Rechten, dies vor allem.
       
       2 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-Randale-auf-Pro-Palaestina-Demos/!5963941
   DIR [2] /Nahost-Konflikt-in-Berlin/!5963319
   DIR [3] /CDU-Vorschlag-zu-Demokratiefoerdergesetz/!5966750
   DIR [4] /Nach-dem-Massaker-in-Israel/!5963661
   DIR [5] /Die-Linke-und-die-Barbarei-der-Hamas/!5966540
   DIR [6] /Antisemitismus-nach-dem-Hamas-Terror/!5966829
   DIR [7] /Juedisches-Leben-in-Deutschland/!5966881
   DIR [8] /Leon-Kahane-ueber-die-Kunstszene/!5966637
   DIR [9] /Linker-Antisemitismus/!5966630
   DIR [10] /Israels-Botschafter-ueber-Antisemitismus/!5037129
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Feddersen
       
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