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       # taz.de -- „Apotheken Umschau“: Von wegen „Rentner-Bravo“
       
       > Das Magazin hat sich modernisiert, schreibt über Gendern und
       > Body-Shaming. Denn auch Diskriminierung sei ein gesundheitliches Thema.
       
   IMG Bild: Die „Apotheken Rundschau“ hat sich mordernisiert
       
       Schlechtes Grafik-Design, unzählige Rezepte, Themen, die anscheinend nur
       ältere Menschen interessieren: Die Apotheken Umschau hat einen verstaubten
       Ruf. Viele bezeichnen sie [1][deshalb als „Rentner-Bravo“]. In der breiten
       Öffentlichkeit trifft die Publikation, die in einem Großteil der Apotheken
       in Deutschland ausliegt, meistens entweder auf Spott oder Ignoranz.
       
       Doch die Zeitschrift, die zu den auflagenstärksten und meistgelesenen
       Deutschland zählt, hat sich modernisiert. Im April veröffentlichte die
       Apotheken Umschau in der Rubrik „Gesund Leben“ etwa einen Text mit dem
       Titel „Die Wissenschaft hinter dem Gender-Sternchen“. Darin wird unter
       Verweis auf knapp zwei Dutzend wissenschaftliche Studien sowohl mit dem
       Mythos aufgeräumt, dass nur diejenigen gendern, die Sternchen, Unterstriche
       oder Binnen-Is verwenden, als auch sehr sachlich dargelegt, [2][warum
       geschlechtergerechte Sprache sinnvoll] und gar nicht so voraussetzungsvoll
       ist, wie oft behauptet wird.
       
       Im Mai folgte ein Interview [3][mit den „Omas gegen Rechts“], im Juli
       wieder eines mit der Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes, Ferda
       Ataman, über den Zusammenhang zwischen Diskriminierung und Gesundheit. Im
       August erschien ein Kommentar zu Body-Shaming am Strand, in dem die Autorin
       dafür plädiert, den eigenen und die Körper anderer einfach mal sein zu
       lassen. Und diesen Monat erschien eine Ausgabe zum Thema „Warum unser
       Gesundheitswesen Vielfalt braucht“.
       
       Klar, es gibt auch weiterhin Rezepte, Kreuzworträtsel und Texte über
       Krankheiten. Aber wer mit dem Klischee einer verstaubten Zeitschrift im
       Kopf durch die Apotheken Umschau blättert, darf sich wundern. Woher kommt
       die neue Themensetzung? Ist die Apotheken Umschau plötzlich „woke“
       geworden?
       
       ## Alte Klischees
       
       „Wir sind ein ganz normales feministisches Magazin“, sagt Dennis
       Ballwieser, Chefredakteur der Apotheken Umschau, im Gespräch mit der taz
       und grinst dabei, als sei er ein bisschen stolz darauf. Seit 2015 ist er
       auch Geschäftsführer des Verlags Wort & Bild, der die Zeitschrift
       herausgibt, zuvor war er beim Spiegel.
       
       Er und seine Kollegin in der Chefredaktion, Julia Rotherbl, sind sich der
       öffentlichen Meinung über ihr Blatt sehr bewusst: „Es ist ein Klischee,
       dass wir leider nicht loswerden“, sagt Rotherbl, die seit 2021 ebenfalls
       Chefredakteurin ist. Die beiden erklären, warum es für sie vollkommen
       logisch ist, dass die Apotheken Umschau sich mit Themen wie Diskriminierung
       oder geschlechtssensibler Medizin auseinandersetzt.
       
       „Diskriminierung beeinflusst die Gesundheit“, sagt Julia Rotherbl. Und
       „selbst wenn wir nicht denken würden, dass diese Themen wichtig sind,
       müssten wir trotzdem darüber schreiben, um alle Leser*innen fundiert zu
       informieren“, ergänzt Dennis Ballwieser. Der publizistische Anspruch der
       Apotheken Umschau sei, wissenschaftlich geprüfte und umfassende
       Gesundheitsinformationen zu vermitteln.
       
       Die Apotheken Umschau finanziert sich unter anderem über Werbung, ist aber
       kein Anzeigenblatt. Die Apotheken bezahlen dafür, um sie dann an ihre
       Kund*innen zu verschenken. Die Zielgruppe? „Das sind bei einer
       Verbreitung von 3 Millionen Exemplaren eigentlich alle“, sagt Dennis
       Ballwieser. Ihre monatlichen Leser*innen schätzt die Zeitschrift, die
       zweimal im Monat erscheint, auf circa 15,9 Millionen Menschen.
       
       ## Mit Reichweite komme Verantwortung
       
       „Wir haben mit der Reichweite eine gewisse Verantwortung“, sagt Rotherbl.
       2021 unterzog das Chefredaktionsduo die Apotheken Umschau einem Relaunch
       und strukturierte das Heft neu. Seither gibt es eine Rubrik, in der
       medizinische Trends geprüft werden, eine Karikatur, eine Kolumne des
       ehemaligen Titanic-Chefredakteurs Moritz Hürtgen und mehr Berichterstattung
       über Gesundheitspolitik.
       
       Ziel sei es gewesen, dass die Zeitschrift „mehr Spaß macht und lockerer in
       der Ansprache wird“, so Julia Rotherbl. Der Prozess sei aber nicht
       „top-down“ verlaufen, sondern im Konsens mit der gesamten Redaktion, sagt
       sie. Die Redaktion sei sehr jung, bestehe zu 70 Prozent aus Frauen und habe
       einen hohen „Frauenmachtanteil“. Und man bemühe sich, auch
       Nicht-Akademiker*innen, die etwa gerade frisch aus der Pflegeausbildung
       kommen, für die Redaktion zu gewinnen.
       
       Dabei gehe es der Redaktion aber nicht nur darum, welche Themen umgesetzt
       werden, „sondern auch, wie“, sagt Rotherbl. Konkret heißt das, dass die
       Redaktion auch bei Fotos und Illustrationen die Geschlechterverteilung zum
       Beispiel bei Ärzt*innen oder Pfleger*innen repräsentativ abzubilden
       versucht. Gleiches gilt für die beratenden medizinischen Expert*innen.
       
       Die Entwicklung der Apotheken Umschau sei auch unter Stammleser*innen
       gut angekommen, sagen Rotherbl und Ballwieser. „Es ist kein Automatismus,
       dass eine Zielgruppe über einem bestimmten Alter es nicht gut findet, wenn
       wir über Diskriminierung schreiben“ so Rotherbl. Denn „auch eine ältere
       Zielgruppe wird diesbezüglich immer sensibler“. Mehr negative Reaktionen
       habe es während der Covid-Pandemie auf Themen wie Corona-Impfungen und
       Empfehlungen zum Maskentragen gegeben, sagt sie.
       
       Eine Sensibilisierung für Diskriminierungsformen ist auch bei anderen
       Titeln des Verlags spürbar. Seit 2023 teilen Ballwieser und Rotherbl die
       Chefredaktion auch mit Tina Haase und Stefan Schweiger. Gemeinsam
       verantworten sie auch die Zeitschrift Eltern, den Diabates Ratgeber und den
       Senioren Ratgeber. Auch dort kommen Themen wie „Ist mein Kind trans?“ oder
       das Porträt eines schwulen Senioren-Paares ziemlich unaufgeregt und
       selbstverständlich vor.
       
       14 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
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   DIR [2] /Gendergerechte-Sprache/!5867685
   DIR [3] /Omas-gegen-Rechts-Bundeskongress/!6027726
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Franziska Betz
       
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