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       # taz.de -- Arabische Liga: Ein Gipfel, ein Politikum
       
       > Differenzen über Israel und Syrien prägen den ersten Gipfel der
       > Arabischen Liga seit 2019. Viele wichtige Staatschefs kommen gar nicht
       > erst.
       
   IMG Bild: Ägyptens Präsident al-Sisi (l.) ließ sich von seinem algerischen Amtskollegen Tebboune empfangen
       
       Dreieinhalb Jahre sind vergangen. Am Dienstag und Mittwoch haben sich die
       Staaten der Arabischen Liga erstmals seit Beginn der Coronakrise wieder zu
       einem Gipfel getroffen. Viele altbekannte Gesichter kamen in Algeriens
       Hauptstadt Algier zusammen – doch die arabische Welt habe „in ihrer
       modernen Geschichte noch nie eine so schwierige Phase erlebt“, sagte
       Gastgeber Abdelmadjid Tebboune, Präsident Algeriens, zum Auftakt.
       
       Der russische Krieg gegen die Ukraine – Tebboune sprach lediglich von
       „außergewöhnlichen globalen Bedingungen“ – hat die Ernährungsunsicherheit
       in der ohnehin von Kriegen geplagten Region massiv verschärft. Auch auf
       regionalpolitischer Ebene steht die Region vor Herausforderungen.
       
       Zwei Annäherungsprozesse haben zuletzt tiefe Bruchlinien gezogen zwischen
       den 22 Mitgliedern der Arabischen Liga. Seit dem letzten Gipfel im Jahr
       2019 sind vier weitere Staaten dem Club jener arabischen Länder
       beigetreten, die eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel anstreben.
       Zu Ägypten und Jordanien sind mit dem sogenannten [1][Abraham-Prozess] die
       Arabischen Emirate, Marokko, Bahrain und Sudan hinzugekommen. Die Zahl der
       arabischen Staaten mit freundschaftlichen Beziehungen zu Israel ist damit
       auf sechs gestiegen
       
       Der Konflikt zwischen den „Normalisierern“ und dem
       „Anti-Normalisierungs-Block“ sei die ganz große Frage, sagt Isabelle
       Werenfels von der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik. Dass die
       vier Abraham-Staaten nicht per Staatschef in Algier vertreten waren, sei
       kein Zufall. Gastgeber Algerien selbst führe den
       „Anti-Normalisierungs-Block“ an, der an der Feindschaft zu Israel festhält,
       solange der Konflikt mit den Palästinenser*innen nicht gelöst ist.
       Tebboune betonte denn auch, dass „unsere zentrale Sache die
       palästinensische Sache bleibt“. Er kündigte ein neues Koordinierungskomitee
       zur Unterstützung Palästinas an.
       
       ## Assad war (noch) nicht willkomen
       
       Der zweite umstrittene Annäherung betrifft Syrien. Die Arabische Liga hatte
       die Assad-Diktatur 2011 suspendiert, doch seit einigen Jahren geht der
       Trend – systematischer Folter und C-Waffen-Einsätzen zum Trotz – in
       Richtung Wiederaufnahme der Beziehungen. Tebboune hätte Baschar al-Assad am
       liebsten gleich persönlich empfangen in Algier. Er hatte sich für eine
       volle Wiederaufnahme Syriens in die Liga ausgesprochen. Dieser Schritt
       setzt allerdings Konsens unter den Mitgliedern voraus.
       
       Auch Irak und Jordanien sowie die Emirate und Bahrain drängen auf
       Normalisierung mit Syrien. Letztere haben ihre Botschaften in Damaskus
       wieder geöffnet. Katar, Saudi-Arabien und Ägypten sind jedoch
       zurückhaltender. Dennoch scheint eine Rückkehr des einstigen Parias nur
       eine Frage der Zeit zu sein: „Man kann dies hinauszögern, aber nicht für
       immer“, [2][meint] der US-amerikanische Syrienexperte Joshua Landis. „Das
       wird kommen“, ist sich auch Werenfels sicher, „auch wenn das Thema beim
       aktuellen Gipfel wieder von der Agenda genommen wurde.“
       
       Für Algerien bot der Ligagipfel die Chance, sich als regionale
       Führungsmacht in Szene zu setzen – vor allem gegenüber Marokko, [3][zu dem
       Algier die Beziehungen letztes Jahr abgebrochen hat.] Die Nachbarländer
       liegen in vielerlei Hinsicht im Clinch, allen voran beim Thema der von
       Marokko besetzten Westsahara, ein Streitpunkt, der wiederum mit der
       Annäherung Rabats an Israel zusammenhängt: Donald Trump hatte als
       US-Präsident in einer historischen Kehrtwende der US-Außenpolitik Marokkos
       Anspruch auf das Gebiet anerkannt – im Gegenzug zu Marokkos Annähernung an
       Israel. Algerien hält an der Position fest, weder Marokkos Herrschaft über
       die Westsahara noch Israel anzuerkennen.
       
       Marokkos König blieb dem Treffen in Algier demonstrativ fern. Auch die
       meisten Golfstaaten, die sich in der Westsahara-Frage auf die Seite
       Marokkos geschlagen haben, waren nicht hochrangig vertreten. Saudi-Arabiens
       Kronprinz etwa entschuldigte sich aufgrund von Ohrproblemen. Werenfels
       spricht daher von einem „tendenziellen diplomatischen Erfolg Marokkos“ –
       und warnt, dass das Konfliktpotenzial des Westsahara-Konflikts nicht zu
       unterschätzen sei.
       
       Algerien, resümiert sie, habe versucht, die Arabische Liga wiederzubeleben,
       deren Zweck es ist, Konflikte untereinander zu vermeiden und die
       Beziehungen zu verbessern. „Doch die Liga ist kein relevanter Akteur im
       Gegensatz etwa zur Afrikanischen Union oder selbst zum
       Golfkooperationsrat.“ Es mangele ihr an funktionierenden Institutionen und
       es gebe zu viele Konflikte zwischen den Mitgliedern.
       
       ## Grußworte aus Moskau
       
       Weitgehende Einigkeit allerdings besteht in der Liga beim Thema Russland
       und Ukraine. Die Krieg hat für einige Länder der Region schwerwiegende
       Konsequenzen, allen voran die großen Getreideimporteure Ägypten, Libanon
       und Tunesien sowie Syrien, Jemen und Libyen, in denen weite Teile der
       Bevölkerung von humanitärer Hilfe abhängig sind.
       
       Mit deutlicher Kritik an Russland halten sich die arabischen Staaten
       zurück, auch wenn fast alle für eine UN-Resolution gestimmt hatten, die die
       Annexionen Russlands in der Ukraine verurteilt. Russlands Präsident
       Wladimir Putin richtete am Dienstag [4][per Grußschreiben] warme Worte an
       die Liga. Er sprach sich allen Ernstes für die „Achtung der Souveränität
       und territorialen Integrität der Länder“ aus, was in der von ausländischer
       Einmischung geprägten Region gut ankommen dürfte.
       
       2 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Golfstaaten-und-Israel/!5714540
   DIR [2] https://www.fpri.org/article/2022/01/syrian-thaw-arab-normalization-with-damascus-ahead-of-the-arab-league-summit/
   DIR [3] /Algerien-kappt-Beziehungen-zu-Marokko/!5791563
   DIR [4] http://en.kremlin.ru/events/president/news/69731
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Hagmann
       
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