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       # taz.de -- Arbeitskampf in Autofabrik: Tesla verspricht mehr Geld
       
       > Die Arbeiter*innen in Elon Musks Autofabrik haben viel zu klagen.
       > Jetzt zeigen Versuche der IG Metall, sie zu organisieren, erste Erfolge.
       
   IMG Bild: DIe IG-Metall bringt sich für die Betriebsratswahlen 2024 in Stellung
       
       Berlin taz | Es ist das übliche mittägliche Gewusel am Bahnhof Fangschleuse
       in Brandenburg: Dutzende Arbeiter*innen trotten vom Bahnsteig zum
       Shuttlebus, der sie zu ihrer Nachmittagsschicht im Tesla-Werk bringt. Die
       Arbeiter*innen sind überwiegend jung und männlich, viele migrantisch
       geprägt.
       
       Gesprächig ist so kurz vor Schichtbeginn niemand. Auch im Büro der IG
       Metall im kleinen Bahnhofsgebäude ist wenig los. Das war vor ein paar Tagen
       noch anders: Da hatte die IG Metall eine Aktionswoche bei Tesla in
       Grünheide ausgerufen. Ziel war eine gemeinsame Forderung nach besseren
       Arbeitsbedingungen und besserer Organisierung.
       
       Die niedrigschwellige Aktion bestand aus Aufklebern, die sich die
       Tesla-Mitarbeiter*innen an die Arbeitskleidung heften konnten. Aufschrift:
       „Gemeinsam für sichere & gerechte Arbeit bei Tesla“. Für die Aktionswoche
       waren mehrere Dutzend Gewerkschafter*innen aus ganz Deutschland vor
       dem Werkstor und an den Pendlerbahnhöfen Fangschleuse und Erkner vor Ort,
       um mit den Beschäftigten über [1][ihre Probleme], Wünsche und Forderungen
       zu sprechen.
       
       Nach der Aktionswoche zog die IG Metall eine positive Bilanz. So hätten
       sich zum Auftakt „deutlich über 1.000“ der etwa 11.000 Beschäftigten
       beteiligt. „Was die Tesla-Kolleg*innen in dieser Aktionswoche gemacht
       haben, das ist Gewerkschaft: Sie sind zusammen aufgestanden und haben die
       vom Management geschürte Atmosphäre der Angst durchbrochen“, erklärt Dirk
       Schulze, Bezirksleiter IG Metall Berlin-Brandenburg, der taz. Die
       Beschäftigten „wollen, dass ihr Werk endlich auch für sie läuft und nicht
       nur für die Gewinne des Konzerns“.
       
       ## Kein Tarifvertrag und managementfreundlicher Betriebsrat
       
       So eine eher harmlose Aktion ist beim Tesla-Werk in Grünheide allerdings
       keine Selbstverständlichkeit. So soll das Management wiederholt [2][Druck
       auf die Mitarbeiter*innen] ausgeübt und versucht haben, die
       Belegschaft vom Kontakt mit der IG Metall abzuhalten. „Völlig inakzeptabel“
       sei das, findet Schulze.
       
       Die IG Metall erklärt: Als die Gewerkschafter*innen am 9. Oktober in
       den Pausen im Betrieb mit Beschäftigten über deren Rechte sprechen wollten,
       habe die Geschäftsführung die Belegschaft gleichzeitig zu einem
       „kostenlosen Essen“ eingeladen und zudem eine „Überraschung“ angekündigt.
       Die Überraschung bestand dann – wenig überraschend – in der Ankündigung
       einer Lohnerhöhung, deren Höhe aber erst im November veröffentlicht werden
       soll.
       
       Obwohl Tesla behauptet, dies sei unabhängig von den
       Gewerkschaftsaktivitäten geschehen, wertet die IG Metall diese Ankündigung
       als ihren Erfolg: „Mit ihrem Mut und ihrer Solidarität haben die
       Tesla-Kolleg*innen auch die Geschäftsleitung beeindruckt“, so Schulze.
       „Jede Lohnerhöhung ist willkommen, zumal die Bezahlung bei Tesla weiterhin
       deutlich hinter dem Tarifniveau in der Autoindustrie in Deutschland
       zurückbleibt.“
       
       Bei Tesla in Grünheide gibt es keinen Tarifvertrag. Deshalb sind nach
       Gewerkschaftsangaben die Gehälter im Schnitt niedriger als bei anderen
       Autobauern. Zwar hat die Fabrik des [3][umstrittenen US-Milliardärs Elon
       Musk] einen Betriebsrat, der wurde allerdings schon Ende Februar 2022
       gewählt, kurz vor der offiziellen Eröffnung des Werks.
       
       Viele der damals rund 2.300 Wahlberechtigten waren Angestellte aus dem
       mittleren Management, die mutmaßlich weniger kritisch gegenüber der
       Geschäftsleitung und nicht repräsentativ für die Interessen aller
       Beschäftigten waren, vor allem nicht für die später hinzugekommenen
       Mitarbeitenden in der Produktion. Trotz der damaligen aus
       Gewerkschaftssicht ungünstigen Machtverhältnisse konnte sich die
       unternehmensnahe Liste „Gigavoice“ nur knapp die Mehrheit sichern.
       
       ## Schlechte Arbeitsbedingungen und extreme Belastung
       
       Da die Belegschaft inzwischen auf 11.000 Mitarbeiter*innen angewachsen
       ist, muss schon 2024 ein neuer, größerer Betriebsrat gewählt werden. Dafür
       will sich die IG Metall nun in Stellung bringen. Denn letztlich müssen sich
       die Beschäftigten selbst zusammentun und dafür sorgen, dass sich ihre
       Löhne, Arbeitszeiten und alle anderen Bedingungen verbessern.
       
       Und das ist auch nötig, denn laut IG Metall und der
       Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu beklagen sich viele
       Tesla-Beschäftigte über schlechte Arbeitsbedingungen und extreme
       Arbeitsbelastung aufgrund kurzer Taktzeiten und Personalmangel. Zumal Tesla
       vor dem Sommer offensichtlich Hunderte Leiharbeiter entlassen, die
       Produktionsziele jedoch beibehalten hat: „Wird nur Druck gemacht“, heißt es
       bei Kununu, das Vorgesetztenverhalten sei „unterirdisch“.
       
       Laut IG Metall gibt es zudem gravierende Mängel beim Gesundheitsschutz und
       bei der Arbeitssicherheit („Verletzungen ohne Ende“), die nicht selten zu
       Krankenständen um die 30 Prozent führten. „Ein hoher Krankenstand ist ein
       klares Zeichen für Überlastung“, sagt Schulze. „Selbst bei Krankenständen
       von 30 Prozent und mehr läuft das Band in gleicher Geschwindigkeit und die
       Teams müssen 100 Prozent Stückzahlen produzieren. Gesundheit muss vor
       Stückzahlen gehen. Das ist nicht verhandelbar.“
       
       Dazu kommen zahlreiche Arbeitsunfälle, viele davon schwer. So habe Tesla
       allein zwischen Juni und September 2022 mindestens 190 Arbeitsunfälle
       gemeldet, wie der Stern berichtete, also fast einen pro Tag. Aus Unterlagen
       der Rettungsstellen geht laut des Magazins außerdem hervor, dass im ersten
       Produktionsjahr 247 Mal ein Rettungswagen oder Hubschrauber in die Fabrik
       in Grünheide gerufen wurde. Auf die Mitarbeiter*innenzahl umgerechnet
       seien dies dreimal so viele Notfälle wie zum Beispiel im Werk von Audi in
       Ingolstadt.
       
       ## Bereits 26 Umwelthavarien durch die Fabrik
       
       Tesla weist die Vorwürfe zurück. „Für uns als Gigafactory Berlin
       Brandenburg steht der Gesundheitsschutz unserer Mitarbeiterinnen und
       Mitarbeiter an oberster Stelle und damit auch die Arbeitssicherheit“, so
       der Konzern auf taz-Anfrage.
       
       Doch nicht nur deshalb ist die im März 2022 eröffnete Autofabrik
       umstritten. Laut dem Brandenburger Landesamt für Umwelt hat Tesla seitdem
       [4][26 Umwelthavarien] gemeldet, darunter Brände und [5][ausgelaufene
       Chemikalien]. Umweltschützer*innen sehen Gefahren, weil der Großteil
       des Geländes im Wasserschutzgebiet und nahe Trinkwasser-Förderbrunnen
       liegt. Auch [6][diese Bedenken] hat Tesla zurückgewiesen.
       
       18 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Darius Ossami
       
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