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       # taz.de -- Eine Herzensangelegenheit
       
       > AUSSTEIGER Die zeitgenössische Oper „Bliss“ erzählt von einem
       > Werbe-Fachmann, den der Ekel packt. Nun erlebte das Stück an der
       > Hamburger Staatsoper zur Freude der Intendantin seine deutsche
       > Erstaufführung
       
       Schön an der Oper ist, dass sie große Momente parat hält, die sich mitunter
       lange vorhersehen lassen. Am 17. Oktober um 22:15 Uhr wird so ein Moment
       sein: Dann wird sich in der Hamburger Staatsoper „der Vorhang über den
       tönenden Fluten des ‚Götterdämmerung‘-Epilogs schließen“, sagt die
       Intendantin Simone Young. Vollendet wird damit die Tetralogie von Richard
       Wagners „Der Ring des Nibelungen“, und Simone Young wird alle vier Teile
       dirigiert haben.
       
       Nicht tönend, aber gelöst ging es am vergangenen Sonntag gegen 21 Uhr auf
       der Bühne der Staatsoper zu. Das Publikum applaudierte freundlich und
       Simone Young war sichtlich glücklich, weil mit dem Stück „Bliss“ gerade
       eine Oper zu Ende gegangen war, die es ohne Youngs Zutun vermutlich nie
       gegeben hätte.
       
       Young hatte 2001 in ihrem ersten Jahr als Leiterin der Sydney Opera den
       Kompositionsauftrag für „Bliss“ vergeben. Erst im März 2010 wurde „Bliss“
       in Sydney uraufgeführt. Am Sonntag folgte an der Hamburger Staatsoper die
       deutsche Erstaufführung, die Young als erste Premiere der neuen Spielzeit
       ansetzte und dirigierte.
       
       Komponiert wurde „Bliss“ von Brett Dean, einem Australier, den die
       Australierin Young in den 90er Jahren in Berlin kennengelernt hatte. Der
       Stoff stammt aus Peter Careys Roman „Bliss“, der 1981 erschien.
       
       Erzählt wird die Geschichte des Werbe-Experten Harry Joy, den mitten in
       seiner bürgerlichen Existenz der Ekel vor seinem Leben packt. Harry
       realisiert, dass seine Firma krebserregende Produkte bewirbt, dass seine
       Frau fremd geht, seine Tochter Drogen nimmt und von seinem Sohn sexuell
       genötigt wird. Daraufhin beschließt er, sein Leben zu ändern und verliebt
       sich in eine Hobby-Hure, die als Aussteigerin Bienen im Wald züchtet. Harry
       schafft es aber nicht, sich von seinem alten Leben zu trennen. Weswegen er
       am Ende nicht im Wald, sondern auf einer Müllhalde landet. Immerhin bleibt
       ihm die Bienenzüchterin mit der Erkenntnis: „Auch ein Leben in der Hölle
       kann zur Glückseligkeit führen.“
       
       Die mitunter arg überdrehte Handlung spiegelt Komponist Brett Dean in einer
       Musik der Auflösung: Statt erkennbarer Strukturen gibt es Klangflächen, die
       sich ineinander schieben, mal mit drängendem Beat, mal statisch flirrend.
       Es ist eine atemlose Musik, heterogen wie die Menschen in Harrys Welt,
       dissonant wie die Vorgänge in Harrys Kopf. Neben einer E-Violine und einer
       E-Gitarre setzt Dirigentin Young auch ein Keyboard als Soundlieferant ein,
       allerdings ohne dem Elektronischen wirklich viel Raum zu geben.
       
       Damit bleibt die Musik von „Bliss“ auf eine anspruchsvolle Weise
       unspektakulär. Im Gegensatz zu Bühnenbild und Kostümen: Der Müllberg bleibt
       im Gedächtnis, ebenso wie die Zirkusartisten und der Chor der
       Aussortierten. Außerdem bleibt im Gedächtnis die Spielfreude von Ensemble
       und Orchester. Sie sind das größte Pfund, mit dem „Bliss“ wuchern kann.
       KLAUS IRLER
       
       nächste Aufführungen: 15., 19. und 21. September, jeweils 19:30 Uhr
       
       14 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR KLAUS IRLER
       
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