URI: 
       # taz.de -- Ausschluss purer Natur
       
       > Beim 800-Meter-Finale der Frauen wird die Beste, die südafrikanische
       > Läuferin Caster Semenya, fehlen, weil sie sich einer kastrierenden
       > Therapie verweigert
       
   IMG Bild: Sportlich nicht geschlagen: Caster Semenya nach einem Sieg beim IAAF Diamond League Meeting in Stanford
       
       Von Jan Feddersen
       
       Die Prozesse zogen sich, auch, weil wissenschaftliche Expertise eingeholt
       werden musste, hin, am Ende stand fest: Caster Semenya wird heute Abend in
       Doha ihren Titel über 800 Meter nicht wiederholen können. Sie ist, das ist
       unstrittig, eine Athletin, die körperhormonell besonders günstig für diese
       Disziplin ausgestattet ist. Medizinisch wird sie, die sich nie anders denn
       als Frau identifizierte und seit 2017 mit ihrer Geliebten Violet Raseboya
       verheiratet ist, als intersexuell verstanden – als Frau, in deren Körper
       neben den biologisch weiblichen Organen etwa auch männliche Hoden vorhanden
       sind, die für die Produktion des Hormons Testosteron verantwortlich sind.
       Semenya hat in den vergangenen Jahren nachgerade jedes Rennen in ihrer
       Lieblingsdisziplin über die 800 Meter fast nach Belieben und mit großem
       Zeitabstand gewinnen können, unter anderem auch die olympischen
       Goldmedaillen 2012 und 2016.
       
       Aber die internationalen Sportrechtsinstanzen entschieden, zuletzt im
       Sommer, bewusst, sie zu diskriminieren und zur Einnahme von
       testosterondämpfenden Medikamenten zu drängen. Dabei entspringen Semenyas
       Leistungen purer Natur: Sie verfügt grundsätzlich über eine körperliche
       Leistungsfähigkeit, die Athletinnen ohne hodeninduzierte
       Testosteronzufuhren nicht haben.
       
       Die faktisch die Körpernatur Semenyas kastrierende Therapie wollte und will
       die Weltbeste über 800 Meter nicht mitmachen, sie beharrt darauf, nicht zu
       dopen und also startberechtigt zu sein. Der Internationale Sportgerichtshof
       indes entschied in diesem Jahr mit zwei Stimmen gegen eine, dass im Sinne
       der Rettung der Frauenleichtathletik, wie sie formulierten, Semenya nicht
       in Doha ins Rennen gehen darf.
       
       Zwar räumte das letztinstanzliche Sportgericht ein, dass Semenya nichts
       Illegales getan habe, also sich wegen keines Dopings zu verantworten habe.
       Aber die genetische Struktur der Athletin befände sich jenseits der
       Normenbreite dessen, was Weiblichkeit im Unterschied zu Männlichkeit im
       Sport konstituiere
       
       Dem internationalen Sport war dabei sehr bewusst, dass Semenya damit
       diskriminiert werden würde – aber dies sei der Preis, um eben die Binarität
       der Aufteilung in Männer und Frauen in diesem Sport zu begründen. Dass das
       Anliegen des internationalen Leichtathletikverbandes (IAAF) einerseits
       ehrenwert ist – hätte er anders als bei Semenya entschieden, wären
       hormonell durchschnittlich strukturierte Frauen in jeder Hinsicht
       chancenlos gegen Konkurrentinnen, die nicht über das männliche Testosteron
       verfügen, soviel sie auch trainierten.
       
       Skandalös war hingegen die „Anregung“ des IAAF an diese intersexuellen
       Athletinnen, sich doch bitte auf operative Entfernung der im Körperinneren
       liegenden Hoden einzulassen: Semenya lehnte dies entschieden ab, andere
       Athletinnen stimmten den chirurgischen Prozeduren zu – mit teils dramatisch
       bösen psychischen Folgen für die Sportlerinnen.
       
       Im Hinblick auf die Sommerspiele nächstes Jahr in Tokio kann sich Semenya
       keine Hoffnung auf einen Start machen – aber eventuell in zwei Jahren bei
       der folgenden WM in Eugene, Oregon, USA. Ronald S. Katz, Sportrechtsjurist
       aus den USA und Experte für die Sache Semenyas vor dem internationalen
       Sportgerichtshof CAS, verwies jüngst auf die Gesetze seines Landes:
       Diskriminierung von Athletinnen, wenngleich hormonell als Intersexuelle
       begünstigt, sei verboten – und das Urteil des CAS könne in den USA kaum
       Bestand haben.
       
       Heute Abend in Doha werden wahrscheinlich die üblichen Zeiten der
       Südafrikanerin nicht erreicht werden. Favoritin ist die US-Amerikanerin
       Ajeé Wilson. Semenya spielt derweil in ihrer Heimat in einem
       Frauenfußballteam – und bleibt eine Heldin ihrer Nation.
       
       30 Sep 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Feddersen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA