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       # taz.de -- Argentiniens Präsident Milei in Hamburg: Der Kettensägenmann kommt
       
       > Javier Milei wird in Hamburg von der rechtsliberalen Hayek-Gesellschaft
       > geehrt. Gegen seine brachiale, marktradikale Politik gibt es Protest.
       
   IMG Bild: Unter Rechtsradikalen: Javier Milei bei der spanischen Rechtsaußen-Partei Vox in Madrid
       
       Hamburg taz | Der selbsternannte Anarcho-Kapitalist Javier Milei kommt nach
       Hamburg. Der argentinische Staatspräsident bekommt von der rechtslibertären
       Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft die Hayek-Medaille verliehen. Auch
       mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird er sich treffen. Gegen den Besuch
       des marktradikalen Politrebellen regt sich Protest.
       
       Globalisierungskritische und lateinamerikanische Exil-Gruppen haben sich
       zusammengetan und den „Monat Anti-Milei“ organisiert. In mehreren deutschen
       Städten veranstalten sie ein „Programm gegen rechte internationale
       Netzwerke und das EU-Mercosur-Handelsabkommen“. Neben Vorträgen,
       Paneldiskussionen und Ausstellungen in Berlin, Kassel und Hamburg gipfelt
       der Protest in der alternativen Preisverleihung der „rostigen Kettensäge“
       an Milei.
       
       Milei hatte schon vor seiner Wahl zum Staatspräsidenten im Dezember eine
       „Schocktherapie“ für Argentinien angekündigt. Gern zeigt er sich auf der
       Bühne mit einer Kettensäge als Symbol für seinen radikalen Sparkurs und den
       Abbau des Sozialstaats. Das Land befindet sich seit Jahren in einer
       Wirtschaftskrise, in den vergangenen zwölf Monaten sind die
       Verbraucherpreise um 289 Prozent gestiegen.
       
       Milei ist es zwar gelungen, [1][das Inflationstempo zu drosseln], im April
       war die Inflationsrate mit 8,8 Prozent seit Langem mal wieder einstellig,
       Konjunktur und Konsum schwächeln jedoch. Vor allem die unteren und
       mittleren Einkommensgruppen leiden unter seinen Maßnahmen. Der
       internationale Währungsfonds hat seine Wachstumsprognose für Argentinien
       kürzlich um 5,6 Prozentpunkte nach unten korrigiert – auf minus 2,8
       Prozent.
       
       ## Pressefreiheit eingeschränkt, Knüppel frei für die Polizei
       
       In den ersten sechs Monaten seiner Amtszeit hat Milei den Peso abgewertet,
       die Renten gekürzt und mindestens 15.000 Staatsangestellte entlassen. Er
       hat die [2][Pressefreiheit eingeschränkt], die Ausgaben für das
       Bildungssystem radikal gekürzt – und Demonstrationen dagegen mit brutaler
       Polizeigewalt niederknüppeln lassen.
       
       Der exzentrische Präsident, der kürzlich bei der Vorstellung seines neuen
       Buches auf der Bühne selbst einen Rocksong sang, geht nun auf Europatour.
       Vom 13. bis zum 15. Juni ist er zum G7-Gipfel in Italien eingeladen. In der
       folgenden Woche wird er in Prag und in Madrid Preise von liberalen
       Thinktanks annehmen.
       
       Milei vernetzt sich mit anderen Rechten und Libertären. Bereits im
       vergangenen Monat war er in Spanien auf einer [3][Wahlkampfveranstaltung
       der rechtsextremen Vox] aufgetreten. Mit dabei waren unter anderem auch
       Georgia Meloni, Viktor Orbán und Marine Le Pen.
       
       Zum Ende seiner Europareise wird Milei am 22. Juni im Hotel Hafen Hamburg
       von der Hayek-Gesellschaft geehrt. In der Begründung für die
       Preisverleihung beschreibt die Gesellschaft ihn als „leuchtendes Beispiel
       für die Kraft liberaler Ideen“. Mit seinem „unerschrockenen Eintreten für
       individuelle Selbstbestimmung und freie Märkte“ steht Milei tatsächlich
       genau in den Fußstapfen des Namensgebers der Gesellschaft und bezieht sich
       regelmäßig auf ihn.
       
       Friedrich August von Hayek war gemeinsam mit seinem Lehrer Ludwig von Mises
       ein bedeutender Theoretiker der sogenannten Österreichischen Schule. Die
       Ökonomen stehen für eine marktradikale Denkweise, die spätestens ab den
       1970er-Jahren maßgeblich die Entstehung des modernen Neoliberalismus
       beeinflusste. In ihren zahlreichen Büchern und Aufsätzen beschreiben sie,
       wie sich der Staat aus dem Spiel der freien Märkte heraushalten müsse, da
       jegliche Form der wirtschaftlichen Planung zur Unterdrückung der
       individuellen Freiheit und in den Autoritarismus führe.
       
       Die Hayek-Gesellschaft wurde 1998 von Wirtschaftswissenschaftler*innen,
       Jurist*innen und Unternehmer*innen in Freiburg gegründet. Ihr Ziel
       ist es, die Theorien von von Hayek in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft
       zu tragen.
       
       ## Streit um Abgrenzung nach rechts
       
       Im Vorstand sitzen zahlreiche Mitglieder der FDP. Unter den Mitgliedern ist
       Hans-Georg Maaßen, Vorsitzender der Werteunion und ehemaliger
       Verfassungsschutzchef, der auch auf einer Podiumsdiskussion während der
       „Hayek-Tage“ redet. Auch Unternehmer wie Theo Müller von Müller-Milch
       gehören zur Hayek-Gesellschaft. Müller nennt die Co-Vorsitzende der
       AfD-Fraktion, Alice Weidel, eine Freundin, die öfters bei ihm zu Hause zu
       Besuch sei.
       
       Immer wieder gab es internen Streit über eine fehlende Abgrenzung nach
       rechts und zur AfD. 2015, 2017 und 2021 kam es zu Austrittswellen. Die
       AfD-Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch und Peter Boehringer sind
       weiterhin Mitglieder.
       
       Neben der Verleihung der Hayek-Medaille an Milei soll es an dem Wochenende
       auch zu einem Treffen mit Olaf Scholz kommen. Bereits im Januar hatten sie
       telefoniert, dabei ging es auch um das EU-Mercosur-Abkommen. Das
       Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem lateinamerikanischen
       Länderbund wird bereits seit über 20 Jahren verhandelt. In den letzten
       Jahren lagen die Verhandlungen immer wieder auf Eis. Zu groß waren die
       Bedenken einzelner Länder etwa in Bezug auf den Schutz des Regenwaldes.
       
       Bettina Müller, beim Verein Power-Shift für Handels- und
       Investitionspolitik zuständig und Mitorganisatorin des „Monat Anti-Milei“,
       kritisiert das anstehende Treffen. „Ich befürchte, dass das Abkommen wieder
       auf dem Tisch liegen könnte. Auch Scholz ist ein Verfechter des Abkommens“,
       sagt sie. Ein Zustandekommen wäre ihrer Ansicht nach allerdings desaströs,
       sowohl ökologisch als auch für die regionale Wirtschaft in Lateinamerika.
       „Das Abkommen würde den Pestizideinsatz massiv ausweiten, die Abholzung
       verstärken und ungleiche Strukturen zwischen Groß- und Kleinbauern in
       Lateinamerika vergrößern“, konstatiert sie.
       
       Neben den Gefahren des Abkommens wollen die Organisator*innen des
       Protests darauf aufmerksam machen, dass Milei auf seiner Reise
       internationale rechte Netzwerke knüpft und pflegt. „Wir wollen mit dem
       Protest auch die globale Dimension von Mileis Projekt beleuchten“, sagt
       Lucio Piccoli vom Bloque Latinoamericano Berlin. „Milei hat gute Verbindung
       zu Elon Musk, Donald Trump und Rechten in Europa. Wir demonstrieren nicht
       nur wegen der Situation in Argentinien, denn diese hängt auch mit dem
       Rechtsruck in Deutschland, Europa und anderswo zusammen“, sagt er.
       
       6 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jonas Kähler
       
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