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       # taz.de -- Arlamierende Zahlen aus der Ostsee: Das Sterben der Schweinswale
       
       > In der Ostsee sind Schweinswale vom Aussterben bedroht. Die Zahl der tot
       > aufgefundenen Meeressäuger bleibt hoch.
       
   IMG Bild: Viele von ihnen sterben keines natürlichen Todes: angespülter Schweinswal
       
       Hamburg taz | Die Zahl der vor der deutschen Ostseeküste [1][verendeten
       Schweinswale] bleibt hoch. Nach Auskunft des Bundesumweltministeriums
       wurden an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste im vergangenen Jahr 133
       und an den Stränden von Mecklenburg-Vorpommern noch einmal 47 der
       Meeressäuger tot aufgefunden.
       
       Dazu kommen außerdem 71 Tote Kegelrobben und 28 Seehund-Kadaver, die an den
       Ostsee-Stränden tot aufgefunden wurden. Das geht aus einer Antwort auf eine
       parlamentarische Anfrage der Bundestagsabgeordneten [2][Steffi Lemke (Die
       Grünen)] hervor.
       
       Die Zahl der entdeckten toten Schweinswale an den norddeutschen Küsten
       stieg zwischen 2000 und 2016 von 67 auf die Rekordzahl von 427 an und
       verharrt seitdem auf hohem Niveau. Die Anzahl der entdeckten leblosen Tiere
       ist dabei in Nord- und Ostsee etwa gleich hoch. Für 2019 wurden die Zahlen
       für die Nordsee bislang noch nicht erfasst Doch die Situation in der Ostsee
       ist ohnehin dramatischer: Hier gibt es nur noch wenige Hundert Tiere.
       
       Für die Bundestagsabgeordnete sind die toten Tiere „eine direkte Folge
       einer verfehlten Meerespolitik“, die darin gipfelt, dass es „weiterhin
       keine wirksamen Meeresschutzgebiete in Deutschland gibt“. Die gäbe es zwar
       auf dem Papier, doch in der Praxis werde „in diesen Schutzgebieten sogar
       intensiver gefischt als außerhalb“. Eine [3][Studie des Geomar
       Helmholtz-Zentrums] für Ozeanforschung in Kiel belegt, dass die
       Fischereiintensität in den Schutzgebieten um 40 Prozent höher ist als
       außerhalb.
       
       ## Viele der toten Wale endeten als unerwünschter Beifang
       
       Die Fischerei in Schutzgebieten ist für die Schweinswal-Population eine
       Gefahr, weil immer wieder Schweinswale in Fischernetzen landen und
       verenden. Die in den Fischernetzen gefangenen, zappelnden Fische locken die
       Schweinswale durch das silbrige Aufblitzen der Schuppen an und wecken ihre
       Neugier. Dadurch geraten die Schweinswale unabsichtlich in die für sie
       nicht sichtbaren Fischernetze, verstricken sich darin und ertrinken
       schließlich.
       
       Nach der Untersuchung von Kadavern der Meeressäuger durch das Deutsche
       Meeresmuseum in Stralsund kam ein nicht unerheblicher Teil der Tiere als
       unerwünschter Beifang zu Tode. Bei fast der Hälfte der Tiere, deren
       Todesursache ermittelt werden konnte, weil ihr Verwesungsprozess noch nicht
       weit fortgeschritten war, konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass sie so
       ihr Leben verloren. Bei weiteren 15 Prozent der sezierten Tiere gibt es
       zumindest Indizien in diese Richtung.
       
       Deshalb fordert Lemke „endlich wirksame Rückzugsorte und verbindliche
       Regeln für den Meeresschutz in Deutschland“, darunter „Nullnutzungszonen in
       der Nord- und Ostsee, in denen Schweinswale, Robben und andere Tiere Schutz
       finden“.
       
       Schweinswale werden oft mit Delphinen verwechselt, haben aber einen
       gedrungeneren Körper. Ein aktueller Bericht des Bundesamtes für Naturschutz
       (BfN) und des Rote-Liste-Zentrums (RLZ) stuft den Schweinswal [4][auf der
       roten Liste der bedrohten Tierarten] als „stark gefährdet“ ein. In der
       Ostsee fallen die Meeressäuger sogar in die Kategorie „vom Aussterben
       bedroht“. Wie der Bericht feststellt, liegt das an der Stellnetzfischerei
       und der zunehmenden Schifffahrt, aber auch an der Meeresverschmutzung und
       der Sprengung alter Munition.
       
       ## Eine Sprengung tötete allein 18 Schweinswale
       
       Zumindest zu diesem Thema gibt es eine gute Nachricht für die Schweinswale.
       Die Bundeswehr kündigte am Dienstag an, auf Sprengungen in der Ostsee, die
       in der Vergangenheit viele Schweinswale und andere Meeresbewohner das Leben
       gekostet haben, in Zukunft aus Naturschutzgründen zu verzichten. Die
       Sprengungen waren Umwelt- und Tierschützern seit langem ein Dorn im Auge:
       Wird eine Mine, die auf dem Meeresboden liegt, gesprengt, sterben in einem
       Umkreis von zehn bis 30 Metern alle Lebewesen.
       
       Noch im vergangenen Jahr wurden in verschiedenen Teilen der Ostsee
       Sprengungen durchgeführt. Ein Manöver der Bundesmarine im Fehmarnbelt –
       einem ausgewiesenen Meeresschutzgebiet – bei dem britische Seeminen aus dem
       Ersten Weltkrieg gesprengt wurden, hatte den Tod von 18 Schweinswalen zur
       Folge. Die Sprengungen verringerten so den ohnehin schon geringen
       Schweinswalbestand. Zudem belasteten die dabei freigesetzten Giftstoffe
       Fische und Umwelt, kritisiert der Naturschutzbund (Nabu).
       
       15 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kriegsmunition-toetet-Meeressaeuger/!5640423
   DIR [2] https://www.steffi-lemke.de/
   DIR [3] https://www.geomar.de/news/article/meeresschutzgebiete-nicht-sicher
   DIR [4] https://www.wwf.de/themen-projekte/weitere-artenschutzthemen/rote-liste-gefaehrdeter-arten
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Carini
       
       ## TAGS
       
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