# taz.de -- Arte-Doku „Fast Fashion“: Hauptsache, billig
> Eine Arte-Dokumentation bilanziert das Geschäft mit der Wegwerfmode. Und
> wirft die Frage auf: Kann es so etwas wie nachhaltige Mode überhaupt
> geben?
IMG Bild: Viele wollen günstige Klamotten – aber wer zahlt den Preis dafür?
Ach, wie schön, dass es in diesen düsteren Zeiten doch auch mal eine
positive Entwicklung gibt: „Früher gehorchte die Mode strengen Gesetzen.
Sich gut zu kleiden war ein Privileg der Oberklasse. Ein Blick genügte, um
arm von reich zu unterscheiden. Es war die Zeit der Modediktatur“, erfahren
wir in einer informativen, faktenreichen neuen Arte-Doku: „Mitte des
letzten Jahrhunderts wurde ein Drittel des Haushaltsbudgets für Kleidung
ausgegeben. Heute sind es weniger als 5 Prozent.“
Wunderbar, die Geschichte der „Fast Fashion“ ist also eine von der
„Demokratisierung“ der Mode – den Herstellern gefällt dieser Begriff. Nur,
warum gibt dann nur ein einziger von ihnen (Javier Cañás Caramelo von
Atelier Etiem) bereitwillig Auskunft? Und winkt ein anderer (Umar Kamani
von PrettyLittleThing) bald nach seinem Bodyguard?
Man muss halt auch das Kleingedruckte lesen – oder bei Filmen den
Untertitel: „Die dunkle Welt der Billigmode“. Stimmt ja, da war doch was.
[1][Da gab es etwa vor neun Jahren schon diese ARD-Doku („Der Preis der
Blue-Jeans“)] über die Nebenkosten einer Kik-Jeans für 9,99 Euro (die
Staublunge chinesischer Arbeiter). Da gab es 2015 bereits „The True Cost“
von Andrew Morgan, der durch den Tod von Näherinnen in einem über ihnen
zusammengestürzten Hochhaus auf das Thema gekommen war. Das war im [2][weit
entfernten Bangladesch.]
Die schnelle Mode will schnell sein, die Wege kurz halten. Eine Chance für
das alte Europa? „Die Textilindustrie ist nach Leicester zurückgekehrt. Im
Gepäck: Arbeitsbedingungen wie in der Dritten Welt.“ Drei Pfund
Stundenlohn, weniger als die Hälfte des vorgeschriebenen Mindestlohns –
nach zwei Wochen unbezahlter Probezeit. In Großbritannien war das im
vergangenen Jahr ein kurzer Aufreger in Presse und Parlament – der
Börsenkurs des Retailers Boohoo war bald wieder im Aufstieg begriffen.
## Viskose als scheinbar „grünes“ Produkt
Ein [3][Unternehmen wie Zara] bringt in 7.500 Filialen „im Jahr 65.000 neue
Modelle auf den Markt“, „200 Modelle am Tag“ – die Textilindustrie bleibt
„nach der Ölindustrie der zweitschmutzigste Wirtschaftszweig der Welt“, die
gleichzeitig billige Viskosefaser, sie wird ja aus Holz gemacht, als grünes
Produkt vermarktet. Über die nicht eben reflektierte Influencerin Noholita
konnte man ja noch lächeln; über die Schulungen für die 700 namenlosen
Zara-Designer, mit denen die Zara-Juristen penibel darauf achten, dass das
Kopiergeschäft nicht als solches justitiabel wird („Der Entwurf sollte sich
in mindestens sieben Punkten unterscheiden, um juristisch wasserdicht zu
sein.“), den Kopf schütteln.
Der bedrückendste Teil des Films spielt im indischen Nagda, von wo aus der
Birla-Konzern, so die Filmautoren, die gesamte Fast-Fashion-Branche mit
seiner Viskose versorgt. Wo Luftproben eine
Schwefelkohlenstoff-Konzentration ergeben haben, 125-mal höher als die
Richtwerte der WHO. Wo zahlreiche Menschen an Sehstörungen,
Unfruchtbarkeit, Gefäßschäden, Lähmungen, Artikulationsproblemen leiden.
Ein Mann zeigt auf eine grauhaarige alte Frau: „Das Mädchen ist gerade
einmal 26.“
Trauriges Fazit eines traurigen Films: Die Ärmsten zahlen immer noch den
höchsten Preis dafür, dass immer mehr Mode zu immer geringeren Preisen
verramscht wird. Ein guter Grund für mehr Achtsamkeit beim Klamottenkauf.
„Es tut mir leid“, sagt da zum Abschied noch der Wirtschaftsprofessor
Nikolay Anguelov, einer von bemerkenswerten 24 Interviewpartnern im Film:
„So etwas wie nachhaltige Mode gibt es nicht.“
9 Mar 2021
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## AUTOREN
DIR Jens Müller
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