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       # taz.de -- Assistenz von Menschen mit Behinderung: Schritt für die Menschlichkeit
       
       > Menschen mit Behinderung wollen einen höheren Tariflohn für ihre
       > Assistent:innen. Es geht dabei auch um ihre Selbstbestimmung.
       
   IMG Bild: Wollen der Sozialsenatorin ins Gewissen reden: Menschen auf der Kundgebung vor der Senatsverwaltung
       
       Berlin taz | „Ein kleiner Schritt für die Senatorin, aber ein großer
       Schritt für die Menschlichkeit“, ruft Aktivist Bastian Beekes am
       Donnerstagnachmittag vor der Senatsverwaltung für Soziales. Etwa 40
       Menschen mit und ohne Behinderung sind hier zusammengekommen, um
       Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe ins Gewissen zu reden, wie sie sagen.
       
       Sie sind gekommen, um eine Lohnerhöhung für persönliche Assistent:innen
       von Menschen mit Behinderung zu fordern. Genauer gesagt: Für
       Assistent:innen, die direkt von ihren [1][behinderten
       Arbeitgeber:innen] angestellt werden, im sogenannten
       Arbeitgeber:innen-Modell.
       
       Was verklausuliert klingt, meint nicht weniger als eine vollumfängliche,
       selbstbestimmte Unterstützung im Alltag. Menschen mit Behinderung können
       sich mit diesem Modell ihre Assistenz selbst aussuchen und anstellen. Indem
       sie selbst entscheiden, wer sie unterstützt und wobei, gewinnen sie ein
       Stück Freiheit zurück. Das ist auch der große Vorteil gegenüber den
       Assistenzdiensten, die einige stattdessen in Anspruch nehmen.
       
       Seit dem 1. Juli gilt nun für eben jene Assistenzdienste ein
       Haustarifvertrag. Eigentlich eine gute Nachricht – doch: Nun müsste auch
       eine Lohnerhöhung für die Assistent:innen im Arbeitgeber:innen-Modell
       folgen. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit in der persönlichen Assistenz“,
       heißt es darum auf den Transparenten auf der Kundgebung am Donnerstag. Auch
       die Angestellten der Assistenzdienste unterstützen diese Forderungen und
       betonen: „Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen.“
       
       ## Tarifvertrag steht – eigentlich
       
       Eine gewählte Tarifkommission und einen entsprechenden Tarifvertrag für
       Assistent:innen im Arbeitgeber:innen-Modell gebe es schon, sagt
       Verdi-Gewerkschaftssekretär Ivo Garbe. Wo ist also das Problem? Nun, der
       Lohn der Assistent:innen kommt aus dem persönlichen Budget der
       behinderten Arbeitgeber:innen. Diese kritisieren nun, dass der Senat
       entsprechende Mittel nicht für sie bereitstellt.
       
       Darum ergebe sich so eine unfreiwillige Konkurrenz in puncto Bezahlung:
       Assistent:innen im Arbeitgeber:innen-Modell verdienen schlechter
       als ihre angestellten Kolleg:innen. Außerdem bekommen sie bisher keinen
       [2][Inflationsausgleich] – so entstehen unattraktive Arbeitsbedingungen.
       
       „Wir, die behinderten Arbeitgeber:innen, finden darum keine
       Assistent:innen mehr“, sagt Bastian Beekes, der in der
       Arbeitsgemeinschaft der Arbeitgeber:innen organisiert ist.
       Mitstreiterin Christine Damaschke folgert: „Wenn keine Assistenz mehr für
       uns arbeiten wird, ist das zum Teil lebensbedrohlich.“ Die Alternative wäre
       für sie eine Unterbringung im Heim. So viel zum Thema Selbstbestimmung.
       
       ## Und die Sozialsenatorin?
       
       Die Demonstrant:innen vor den Türen der [3][Sozialsenatorin] prangern
       deren Untätigkeit an, dabei hätten sie eine Reihe von Einladungen
       ausgesprochen. Gegenüber der taz vermeldete die Senatsverwaltung, sie
       arbeite gerade an einer „Fachlichen Weisung zur Kalkulation der Leistung“
       für Assistent:innen.
       
       Außerdem verwies sie auf ihr verfügbares Budget. „Es kann nicht sein, dass
       die Sparmaßnahmen des Senats auf Kosten der Menschen mit Behinderungen
       gehen“, findet Gewerkschafter Garbe. Die behinderten Arbeitgeber:innen
       wünschen sich vor allem, als Menschen und nicht als Kostenfaktor gesehen zu
       werden.
       
       „Wenn jetzt nicht dringend gehandelt wird, steht dieses Modell komplett
       infrage“, sagt Garbe. Mitstreiter:in Jules Butzek richtet die Worte
       direkt an die Politik: „Wenn wir in zwei Wochen nichts gehört haben, müssen
       wir wiederkommen.“ Es ist also davon auszugehen, dass der Protest eher
       lauter als leiser wird.
       
       10 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Protest-fuer-mehr-Lohn/!5850197
   DIR [2] /Beschaeftigte-der-persoenlichen-Assistenz/!6014654
   DIR [3] /Senatorin-ueber-Schwarz-Rot-in-Berlin/!5958207
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Wulff
       
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