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       # taz.de -- Athletik im Golfsport: Kraftprotz am Abschlag
       
       > Sind die Golfprofis von heute zu stark für die Plätze? Der Body von
       > US-Open-Sieger Bryson DeChambeau verschärft eine lange schwelende
       > Diskussion.
       
   IMG Bild: Mit Wumms: US Open-Sieger Bryson DeChambeau beim Abschlag
       
       „Das Spiel der Männer ist spektakulärer, weil größerer Krafteinsatz auch
       größere Katastrophen mit sich bringt.“ (US-Autor Bob Verdi)
       
       In der Welt der Profis gibt es ein wachsendes Problem: Die Golfcracks sind
       zu gut geworden. Zu gut jedenfalls für die teils 100 Jahre alten Plätze.
       Die Bälle fliegen immer weiter – dank immer raffinierterer
       Hightech-Schläger und besserer Physis der Spieler selbst. Und verlängern
       kann man vorhandene Anlagen nur sehr bedingt.
       
       Traditionalisten sagen entsetzt: „Da hat wieder einer den Platz
       auseinandergenommen.“ Besonders einer wie der Muskelmann Bryson De
       Chambeau, der am Wochenende mit großem Vorsprung die 120. US Open gewann.
       „Rohe Gewalt“, schimpfte der frühere schottische Weltklassegolfer Colin
       Montgomerie.
       
       Lange fiel der Kalifornier DeChambeau nur durch seine
       20er-Jahre-Schiebermütze auf: ein ganz normaler Golfprofi, mit
       durchschnittlich durchtrainiertem Körper, auf hohem sportlichem Niveau
       zwar, aber ohne Major-Sieg. Dann kamen Winterpause und Lockdown. DeChambeau
       zog in ein Fitnessstudio mit eigens designten Foltermaschinen und baute,
       assistiert von Unmengen Proteindrinks und Steakbergen, binnen eines halben
       Jahres mehr als 20 Kilogramm Muskelmasse auf. Als eine Art
       Michelin-Männchen mit Stöcken kehrte der 27-Jährige auf die Golfplätze der
       Welt zurück, bei 1 Meter 85 Größe jetzt 110 Kilo schwer (ohne Ausrüstung)
       und mit Handschuhgröße XL statt M.
       
       ## Hulk auf dem Green
       
       Bilder vorher – nachher zierten die Medien. Er bekam den Spitznamen
       Golf-Hulk und prügelte die Bälle gut 30 Meter weiter als vorher und die
       meisten anderen. Seine aufgepumpte Erscheinung mit Oberarmen wie andere
       Leute Oberschenkel wurde verlacht und kritisiert: Kann man sich Erfolge
       anfuttern und auftrainieren, in einem Multifähigkeiten-Sport, der auch
       technisch-filigranes Spiel rund um die Grüns erfordert,
       Konzentrationsfähigkeit, Nervenkraft? Und: Ob da wohl alles mit rechten
       Dingen zugegangen sei?
       
       Vorher hieß der Eigenbrödler Bryson DeChambeau mad professor. Denn der
       Zahlenfex ging alles mit wissenschaftlicher Akribie an, er studierte
       Physik, tüftelte penibel an Kleinigkeiten. Auf seine Schläger hat er
       Physikformeln aufgemalt und versuchte auch mal, auf dem Platz mit Hilfe
       eines Zirkels den Winkel zum Grün zu bestimmen. Jetzt die Erkenntnis:
       Masse, Geschwindigkeit, größere Hebelwirkung – das ist es. Heureka!
       
       Man dachte, wenn ein Platz Spieler ausbremsen könnte, dann der des Winged
       Foot Golf Club bei New York, wo jetzt die US Open gespielt wurden. Eng
       stehende Bäume, extrem schmale Bahnen, vor allem [1][das Gras daneben sehr
       dicht und hoch], alles hinterhältig und gemein angelegt. Auch DeChambeau
       prügelte viele Bälle ins dichte Gewächs. Doch gegen die Dynamik seiner
       Handgelenke waren auch die hochflorigsten Wiesenteppiche chancenlos. Zudem
       spielte der verrückte Golfprof rund um die Grüns gefühlvoll, präzise und
       fast fehlerlos.
       
       ## Weitere Transformation
       
       Am Ende war DeChambeau der einzige, der mit -6 unter Platzstandard bleib.
       Ein selten kurioses Ergebnis. Der Londoner Guardian meinte: „Er hat den
       Elitegolfsport erfolgreich zu einer Wissenschaft gemacht.“
       
       Die 2,5 Millionen US-Dollar Siegprämie dürften DeChambeau lebenslang für
       Badewannen voll Proteinshakes reichen. Die Optimierung seiner
       „Transformation“ (Eigenbezeichnung) ist auch noch nicht beendet: Er will er
       noch auf 120 Kilo zulegen. Und jetzt? Sollte man nicht, fragte schon wer,
       die Bälle etwas leichter machen, damit sie Fluglänge verlieren? Die heilige
       Zahl von exakt 45,926 Gramm (1,62 Unzen) ändern? Dann wäre Golf nicht mehr
       Golf, weinen andere.
       
       Aus dem Abc der Vorurteile, heute M wie Material: „Ich staune immer wieder
       über all diese Schläger, jede Saison neu und angeblich noch besser. Das ist
       doch nur Geldschneiderei.“ Wahr ist: Für Profis machen [2][Kleinigkeiten
       durchaus Sinn]. Hobbyspieler sind mit der Ausrüstung ihrer Wahl oft fast
       lebenslang gut bedient.“
       
       27 Sep 2020
       
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