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       # taz.de -- Auftritt von Russin mit IStGH-Haftbefehl: Kinderbeauftrage empört Diplomaten
       
       > Russland lässt die Kinderbeauftragte Maria Lwowa-Belowa vor der UNO
       > reden. Sie behauptet, Moskau arbeite mit Unicef an
       > Familienzusammenführungen.
       
   IMG Bild: Russlands Kinderbeauftragte Maria Lwowa-Belowa bei einer Pressekonferenz in Moskau am 4. April
       
       New York ap | Russland hat seine vom Internationalen Strafgerichtshof
       (IStGH) wegen mutmaßlicher Deportationen ukrainischer Kinder [1][per
       Haftbefehl gesuchte] Kinderrechtskommissarin [2][Maria Lwowa-Belowa] im
       UN-Sicherheitsrat zu Wort kommen lassen. Sie sagte per Videoschalte am
       Mittwoch, die Kinder seien zu ihrer eigenen Sicherheit nach Russland
       gebracht worden. Moskau arbeite mit internationalen Organisationen
       zusammen, um sie wieder ihren Familien zurückzugeben.
       
       Botschafter westlicher Staaten boykottierten das informelle Treffen des
       Sicherheitsrats und entsandten Diplomaten niederer Ebene. Diplomaten der
       USA, Großbritanniens, Albaniens und Maltas verließen den Saal, als
       Lwowa-Belowa mit ihren Äußerungen begann.
       
       Russland, das im April den rotierenden Vorsitz des Sicherheitsrats innehat,
       berief die Sitzung ein, um die nach Moskauer Darstellung falschen
       Informationen über die Kinder zu kontern.
       
       Der IStGH hatte Mitte März Haftbefehl gegen Lwowa-Belowa und Präsident
       Wladimir Putin erlassen, weil sie mutmaßlich für die rechtswidrige
       Deportation von Kindern und Umsiedlungen aus besetzten Gebieten der Ukraine
       in die Russische Föderation verantwortlich sind. Russland, das dem IStGH
       nicht angehört, wies dies als Unverschämtheit zurück und kündigte an, die
       „wahre Situation“ der Kinder im Sicherheitsrat mit „objektiven
       Informationen“ zu belegen.
       
       ## Vorwurf Moskaus: Europa „entzieht“ ukrainische Kinder
       
       Die UN-Botschafterin der USA, Linda Thomas-Greenfield, sagte vor der
       Sitzung, die USA seien gegen die Veranstaltung und schlössen sich dem
       Schritt Großbritanniens an, die Übertragung der Sitzung aus Protest zu
       unterbinden. Lwowa-Belowa dürfe kein internationales Podium erhalten, um
       Falschinformationen zu verbreiten und „ihre schrecklichen Aktionen“ in der
       Ukraine zu verteidigen, sagte Thomas-Greenfield.
       
       Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja eröffnete die Sitzung mit den
       Worten, das Ziel sei, die „eklatante Doppelmoral des Westens“ zu entlarven.
       Tatsächlich würden ukrainischen Flüchtlingen in europäischen Ländern Kinder
       entzogen, sagte er. Nebensja wies auch den westlichen Vorwurf zurück, es
       sei zu Zwangsadoptionen gekommen. Einige ukrainische Kinder seien in
       Pflegschaft, sie könnten aber Kontakt zu ihren Familien in der Ukraine
       halten.
       
       Lwowa-Belowa sagte, seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine am
       24. Februar 2022 habe Russland mehr als fünf Millionen Ukrainer
       aufgenommen, unter ihnen 700.000 Kinder – alle mit Eltern, Verwandten oder
       Vormündern. Für 2000 Kinder aus Waisenhäusern im östlichen Donbass gelte
       das nicht. Bis heute seien etwa 1.300 Kinder in ihre Waisenhäuser
       zurückgekehrt, 400 seien in russische Waisenhäuser geschickt worden, 358 in
       Pflegestellen untergebracht worden.
       
       Eine offizielle Kommunikation mit den ukrainischen Behörden über die Kinder
       habe es nicht gegeben. Ihr Büro habe aber Vertreter des Kinderhilfswerks
       Unicef, von Refugees International und des Internationalen Komitees vom
       Roten Kreuz getroffen. „Wir bieten alle verfügbaren Informationen über die
       Lage von Kindern“, sagte sie. Nun würden die Bemühungen zur
       Familienzusammenführung mit dem Roten Kreuz koordiniert.
       
       ## Refugees International: Falsche Angaben Lwowa-Belowas
       
       Sarah Sheffer, Vizepräsidentin für strategische Außenkontakte von Refugees
       International, wies die Angabe zurück. Ihre Organisation sei von Russland
       nicht wegen der ukrainischen Kinder kontaktiert worden, sagte sie. Unicef
       und das Rote Kreuz regierten zunächst nicht auf Bitten um Stellungnahme zu
       den Äußerungen Lwowa-Belowas.
       
       Recherchen der Nachrichtenagentur AP hatten ergeben, dass Vertreter
       Russlands ukrainische Kinder ohne Zustimmung von deren Eltern nach Russland
       deportiert haben, ihnen Lügen erzählten, wonach ihre Eltern sie nicht mehr
       wollten, und sie zu Propagandazwecken nutzten. Sie kamen in russische
       Familien und erhielten die russische Staatsbürgerschaft.
       
       Der stellvertretende britische UN-Botschafter James Kariuki sagte vorab mit
       Blick auf den russischen Vorsitz: „Die Tatsache, dass sie jemanden
       einladen, der vom Internationalen Strafgerichtshof angeklagt ist, spricht
       für sich“. Falls Lwowa-Belowa etwas zu ihrem Vorgehen zu sagen habe, könne
       sie das vor dem IStGH in Den Haag tun.
       
       Die russische UN-Vertretung betonte, ukrainische Kinder seien aus
       gefährdeten Gebieten evakuiert worden. Es sei falsch, dies als Entführung
       oder Versuch darzustellen, ihnen durch Adoptionen in russische Familien
       ihre ukrainische Identität zu nehmen. „Ein solcher Standpunkt ist nicht nur
       unbegründet und unlogisch, sondern auch unmenschlich, weil er praktisch
       dazu aufruft, verwaiste oder unversorgte Kinder inmitten von
       Feindseligkeiten zurückzulassen“, erklärte die UN-Vertretung.
       
       6 Apr 2023
       
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