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       # taz.de -- Auseinandersetzung um Homöopathie: Frankreich will bei Globuli sparen
       
       > Eine staatliche Empfehlung könnte bewirken, dass die umstrittene
       > Homöopathie nicht mehr bezuschusst wird. Das löst eine aufgeheizte
       > Debatte aus.
       
   IMG Bild: Französische Homöopathie-Anhänger demonstrieren gegen die geplanten Kürzungen
       
       Kosten für homöopathische Heilmittel müssen nicht mehr anteilig von der
       Krankenkasse übernommen werden. So lautet zumindest [1][die Empfehlung der
       französischen Gesundheitsbehörden, der Haute Autorité de la Santé (HAS)].
       Bisher werden in Frankreich die Auslagen für homöopathische Präparate von
       der öffentlichen und obligatorischen Krankenversicherung zu 30 Prozent
       vergütet, und auch die Konsultation von homöopathischen ÄrztInnen wird von
       der Kasse genauso behandelt wie die von Schulmedizinern.
       
       Das könnte sich schon bald ändern, denn die ExpertInnen der HAS kommen
       aufgrund ihrer Auswahl unter mehr als tausend Studien und der Fachliteratur
       zu dem Schluss, dass die rund 1.200 in Frankreich verkauften
       homöopathischen Produkte „nicht effizienter als ein Placebo“ seien. Die
       subjektiv verspürte Besserung oder Linderung beruhe letztlich auf
       Einbildung. Von den Kriterien für die Kassenvergütung von zugelassenen
       Heilmitteln erfülle die Homöopathie lediglich die Auflage, nicht gefährlich
       zu sein. Auch das Argument, die PatientInnen würden vermehrt auf andere
       Pharmaprodukte ausweichen, wenn die Homöopathie nicht mehr kassenkonform
       sei, wird laut HAS von keiner seriösen Studie belegt.
       
       Ihr Verdikt ist für die französische Regierung zwar nicht bindend. Doch die
       ersten offiziellen Reaktionen lassen darauf schließen, dass die Regierung
       nur darauf gewartet hat, mit zusätzlichen Einsparungen an den
       Gesundheitskosten zum Ausgleich der Finanzen der Krankenkasse der Sécurité
       sociale (umgangssprachlich: „Sécu“), des öffentlichen
       Sozialversicherungssystems, beizutragen.
       
       Haushaltsminister Gérald Darmanin freut sich bereits öffentlich über die
       Aussicht auf neue Maßnahmen zur Senkung des Sécu-Defizits: Im letzten Jahr
       hatten die Versicherungsleistungen der Sécu für Homöopathie 126,8 Millionen
       Euro betragen. Das ist zwar eine nahezu homöopathische Dosis im Vergleich
       zu den rund 20 Milliarden für alle Medikamente, aber aus Sicht der
       Staatskasse dennoch nicht zu verachten. Auch Gesundheitsministerin Agnès
       Buzyn – sie ist selber Ärztin und ehemalige Universitätsprofessorin – hatte
       mehrfach erklärt, sie werde „die Empfehlungen der HAS bei ihrer für die
       kommenden Tage erwarteten Grundsatzentscheidung respektieren“.
       
       ## Pharma-Unternehmen zittern
       
       Die Aussicht, dass PatientInnen in Frankreich demnächst sämtliche Kosten
       für homöopathische Medikamente vollumfänglich selber tragen müssen, hat
       erwartungsgemäß heftige Reaktionen ausgelöst. Die Firma Boiron gehört zu
       den weltweit wichtigsten Herstellern von homöopathischen Produkten und
       erzielt 60 Prozent ihres Umsatzes (359 Millionen Euro) in diesem Bereich.
       Boiron-Generaldirektorin Valérie Lorentz-Poinsot warnt die Regierung vor
       dramatischen Folgen für ihr Unternehmen und die mehr als tausend von ihm in
       Frankreich beschäftigten Menschen. Sie verlangt, dass vor einem
       Regierungsentscheid eine Parlamentsdebatte stattfindet. Bis dahin könnten
       die auch in Frankreich zahlreichen Befürworter der Homöopathie die
       öffentliche Meinung für ihre Sache mobilisieren.
       
       Genau das befürchtet offenbar Regierungssprecherin Sibeth Ndiaye. „Die
       Regierung hat noch nichts entschieden“, beschwichtigt sie. Im Oktober will
       sich auch die nationale Ärztekammer („Ordre des Médecins“) äußern, in deren
       Reihen die Homöopathie nur wenige Freunde hat. So erwägt die Ärztekammer
       laut Le Parisien, den Fakultäten des Landes zu untersagen, Diplome für
       Homöopathie auszustellen, oder auch zu verbieten, dass auf dem Namensschild
       neu eröffneter Arztpraxen der Hinweis „Homöopath“ steht. Laut einer Umfrage
       wünschen aber 74 Prozent der Französinnen und Franzosen, dass ihnen –
       wissenschaftliche Studien hin oder her – die Kosten für homöopathische
       Heilmittel weiterhin vergütet werden.
       
       7 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.has-sante.fr/portail/jcms/c_2977317/fr/medicaments-homeopathiques-une-efficacite-insuffisante-pour-etre-proposes-au-remboursement
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
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