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       # taz.de -- Ausstellung über Malerin Felka Platek: Aus dem Schatten getreten
       
       > Felka Platek kennen viele nur als die Frau des jüdischen Malers Felix
       > Nussbaum. Eine Ausstellung in Osnabrück zeigt eine sehr eigenständige
       > Malerin.
       
   IMG Bild: Eigener Stil: Selbstbildnis Felka Plateks auf dem Balkon der Wohnung Rue Archimède 22 in Brüssel, entstanden um 1937
       
       Auch kleine Ausstellungen können groß sein. Klingt absurd? Ist es nicht.
       Physische Größe sagt nichts über die Bedeutungsgröße aus, und die
       [1][Sonderausstellung „Felka Platek. Eine Künstlerin im Exil]“, die mit
       ihren eher kleinformatigen Bildern in einen einzigen Raum passt, selbst
       nicht allzu groß, stellt das unter Beweis.
       
       Das [2][Museumsquartier Osnabrück] (MQ4) besitzt mit 28 Arbeiten die
       weltweit größte Platek-Sammlung, und Platek eigenständig zu thematisieren,
       als Malerin, nicht nur als Ehefrau und Unterstützerin von Felix Nussbaum,
       um den sich hier im gedenkstättenhaften Nussbaum-Haus des MQ4 alles dreht,
       ist verdienstvoll. Dass es nicht schon längst geschah, darf irritieren.
       
       Über Plateks Leben und Werk ist nicht viel bekannt. Sie hat in den 1920ern
       in Berlin Kunst studiert. Sie ist, um dem NS-Regime zu entgehen, mit
       Nussbaum ins Exil gegangen, hat lange mit ihm im Versteck gelebt, wurde im
       KZ Auschwitz ermordet. Fast ihre gesamte Habe, auch viele ihrer Bilder,
       gingen bei einem Brand verloren. In der öffentlichen Wahrnehmung stand sie
       bisher in Nussbaums Schatten. Sie finanzierte beider Leben, indem sie
       Porträt-Auftragsarbeiten annahm. Sie diente ihm als Motiv. In Zeiten der
       Knappheit überließ sie ihm ihre Mal-Materialien.
       
       ## Vergessen in der männerdominierten Kunstwelt
       
       Ihre künstlerische Eigenständigkeit geriet in Vergessenheit, ihr Leben als
       moderne, selbstbewusste, unabhängige Frau. „Felka Platek. Eine Künstlerin
       im Exil“ korrigiert das. Und die Schau füllt nicht nur eine
       kunsthistorische Lücke. Ihr Ansatz ist feministisch, genderkritisch.
       Plateks Dasein als Frau in der „männerdominierten Kunstwelt des 20.
       Jahrhunderts“ habe, schreibt Kuratorin Adriana Martins Mota im Katalog,
       „keine chancengleiche Vita“ zugelassen. Es gehe um das Ausbrechen aus
       „partiarchalen gesellschaftlichen Strukturen ihrer Zeit, bei denen Frauen
       gewisse Rollen, aber auch Typen zugeschrieben wurden“.
       
       Wer sich Plateks Porträts und Selbstbildnisse ansieht, ihre Stadtansichten,
       Landschaften und Stillleben, blickt, wie im Zeitraffer, auf Jahrzehnte, auf
       stark differierende Malweisen, von den Studien der Akademiezeit über den
       eher klassischen Duktus der Auftragskunst bis zur expressiven Freiheit des
       Eigenen, oft flächig, oft mit starkem Hell-Dunkel-Kontrast, zuweilen mit
       sehr symbolistischen Farben.
       
       Da ist ein weiblicher Akt, da sind Boote am Strand, da ist ein
       Tulpenstrauß. Platek malt in ihren Stillleben Alltägliches: Muscheln und
       Makrelen, Käselaibe und Spiegeleier, einen Rochen und eine Pfeife, eine
       Gießkanne und eine Agave. Sie malt Menschen, denen sie begegnet. Sie malt
       Nussbaum, während er malt. Und in ihrem wohl persönlichsten,
       beklemmendsten, stärksten Bild malt sie 1940 sich selbst, verkrümmt, mit
       verschattetem Gesicht. Es ist ein Bild des Zweifels und der
       Schutzlosigkeit, der Isolation und Angst. Es ist ein Bild, das zeigt: Auch
       Platek hat in ihrer Kunst Widerstand gegen den NS-Terror geleistet, wenn
       auch nicht direkt. Sie hat sie am Leben erhalten. Schon das – eine große
       Tat.
       
       Platek malt viel auf Papier und Karton, nutzt dabei Aquarell und Gouache,
       Bleistift und Pastellkreide, Tempera und Öl. Und auch, wenn wir nur wenige
       ihrer Bilder kennen, erkennen wir an ihnen: Platek, aus einfachen
       Verhältnissen kommend, war nicht nur die fürsorgliche Begleiterin des
       hochkulturell aufgewachsenen Nussbaum, als die ihre Zeit und ihre Nachwelt
       sie gerne sah, ihr stand eine sehr eigene Handschrift zu Gebot, eine sehr
       eigene Sicht auf die Dinge, auf die Welt.
       
       ## Achtsam kuratiert
       
       An ihrem „Stillleben mit afrikanischer Skulptur“ von 1943 lässt sich das
       deutlich ablesen. Nussbaums motivgleiches „Stillleben mit afrikanischer
       Skulptur“ von 1943 hängt direkt daneben, und die leicht unterschiedlichen
       Blickwinkel lassen vermuten, dass Platek und Nussbaum in ihrer Brüsseler
       Wohnung nebeneinander saßen, als die Bilder entstanden. Nussbaum malt
       detailakkurat, Platek reduziert, augenblickshaft.
       
       Die Skulptur, offenbar im Besitz von Platek und Nussbaum, ist phallisch;
       [3][womöglich stammt sie aus der Kolonie Belgisch-Kongo]. Bei Nussbaum
       trägt sie eine Schnur um den Hals, die zu einem Nagel an der Wand führt.
       Wie achtsam Adriana Martins Mota die Schau kuratiert hat, zeigt ein Text,
       der daneben hängt und [4][die Kolonialzeit thematisiert]: Die Darstellung
       sei gewaltvoll, lesen wir dort. „Dies kann als ein von Stereotypen
       überlagertes und rassistisch geprägtes Fremdbild wahrgenommen und als
       verletzend empfunden werden.“ In Tagen wie den unseren, in denen Rechte mit
       rassistischer Verblendung Politik machen, sind solche Hinweise wichtiger
       denn je.
       
       Im Zentrum des Raums steht eine kleine Vitrine. In ihr ein
       Zeitungsausschnitt, Plateks belgischer Fremdenpass, ein paar Fotos. Adriana
       Martins Mota hofft, dass ihre Ausstellung neue Quellen öffnet. „Vielleicht
       werden Menschen dadurch ja aufmerksam“, sagt sie der taz. „Vielleicht
       entdecken wir dadurch ja völlig neue Bilder oder biografische Details.“ Sie
       merkt, das klingt ein bisschen größer als es soll. „Das wäre doch schön“,
       ergänzt sie. „Man darf ja träumen.“
       
       9 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.museumsquartier-osnabrueck.de/ausstellung/felka-platek-eine-kuenstlerin-im-exil/
   DIR [2] /Ausstellung-nichtmuedewerden/!5959135
   DIR [3] /Unabhaengigkeitskaempfer-Patrice-Lumumba/!5978610
   DIR [4] /Debatte-um-Spaniens-Kolonialgeschichte/!5992279
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Harff-Peter Schönherr
       
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