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       # taz.de -- Ausstellung zu Musik und KI in Hamburg: Staunen, unaufgelöst
       
       > Musik und Künstliche Intelligenz: Die Hamburger Ausstellung „Can You Hear
       > It?“ stellt ihre beiden Gegenstände nebeneinander – aber nicht viel mehr.
       
   IMG Bild: Hörst du's auch? Museumsbesucherin, lauschend, vor altem Musikinstrument
       
       Es muss schon etwas passiert sein, damit sich ausgerechnet das Hamburger
       Abendblatt [1][auf Adorno] besinnt. Der habe, so war es spät im Mai zu
       lesen, „schon 1944 weitsichtig seinen kapitalismuskritischen Klassiker
       ‚Kulturindustrie – Aufklärung als Massenbetrug‘ über [2][die Ware
       Kreativität]“ geschrieben. Womit nun aber nicht, sagen wir: die mal mehr,
       mal weniger ausgeprägte Gemischtwarenhaftigkeit des Programms im schönsten
       Konzerthaus am Platze beklagt werden sollte. Nein, die Jahresprogramm-PK
       [3][der Elbphilharmonie] war dann auch diesmal wieder [4][einen Ankündiger
       auf der Titelseite] wert, das ist man dem Kreativ-, pardon, Künste-Standort
       schuldig.
       
       [5][Es stieß sich der Chef-Kulturreporter] vielmehr an der damals frisch
       eröffneten Ausstellung im Museum für Kunst & Gewerbe, „Can You Hear It?
       Musik und Künstliche Intelligenz“. Das Unspezifische des (Unter-)Titels
       kann man dabei erfrischend ehrlich finden: Die Ausstellung hat keine starke
       These, ist in der Summe nicht das vielleicht ja erwartete
       kulturpessimistische „Pfui!“, auch keine reine Feier der schönen neuen
       Möglichkeiten; denen nähert sie sich eher im Modus eines etwas unaufgelöst
       bleibenden Staunens.
       
       Verantwortet hat die Sache einerseits der Leiter der [6][hauseigenen
       Sammlung von Musikinstrumenten], Olaf Kirsch, andererseits Rolf Bader vom
       [7][Institut für Systematische Musikwissenschaft] der Hamburger
       Universität. Was nun zu sehen ist, ist zum Teil also studentischen
       Ursprungs, und wie noch nicht ganz vermittelte, nun ja, Seminarergebnisse
       wirkt hier so manches.
       
       Da wird etwa visualisiert, wie unterschiedlich sich der Klang in einem
       frühbarocken Cembalo ausbreitet, verglichen mit einem nachromantischen
       Konzertflügel. Oder es wird vorgeführt, woran sich erkennen lässt, wie alt
       so ein individuelles Instrument ist: Die Saitenspannung ändert sich, ebenso
       der Filz auf den sie schlagenden Hämmern: Kann KI also Menschen (oder auch
       Museen) davor bewahren, zu viel Geld auszugeben für einen [8][angeblich
       antiken Steinway]?
       
       Es gibt allerlei Interaktionangebote, mal mehr, mal weniger zwingend:
       Schieberegler und, klar, Touchscreens; auch eine rote Akustikgitarre liegt
       da, um zu vermitteln, wie der Mensch akustische Signale verarbeitet: Wenn
       man darauf spielt, zeigt ein Display, wo auf der Cochlea die jeweiligen
       Töne registriert und in elektrische Impulse übersetzt werden. Und in einem
       Raum darf, nein, soll getanzt werden!
       
       Was sich beim Rundgang bestätigt, ist, was die Besucher*innen
       vermutlich schon mitbringen an Vorwissen: KI kann so manches, das der
       Mensch kann – aber schneller und (potenziell) fehlerärmer. „KI lernt und
       analysiert Musik“, besagt denn auch ein prominenter Wandtext. Es wird aber
       nicht immer ganz klar, in welche Anwendungen ihre Verwendung münden könnte
       – einerseits.
       
       Andererseits wird genau das manchem halt schon wieder zu konkret
       ausgestellt: Gleich neben den teils ein wenig spröderen akademischen
       Stationen, in die die Ausstellung sich gliedert, haben drei lokale
       Dienstleister ihren Stand, die etwa Beschallungslösungen für die Hotellerie
       entwickeln, das also, was im Foyer oder Fahrstuhl aus diskreten
       Lautsprechern dringt. Während aber die Playlists der Konkurrenz auf
       schnöder Popularität der Musikstücke fußten, lesen wir, werde hier „das
       Musikangebot an den Geschmack und die Bedürfnisse ihrer User“ angepasst –
       ohne manipulierende Eingriffe etwa durch Plattenfirmen.
       
       Wenn dazu aber auch eine „Feedbackschleife“ gehört, dass nämlich das
       Publikum rückmeldet, wie gut ihm ein Stück gefällt, und das [9][wiederum
       Auswirkungen auf die Playlist] hat: Inwiefern vermeidet man da die bösen
       „Echokammern“ der anderen? Tut man genau das gerade nicht?
       
       Hier wäre ein strenger analytischer Blick schön gewesen, eine für KI sich
       interessierende Wissenschaft, die keinen wohlwollenden Unterschied macht
       zwischen Unternehmen, die an der Ausstellung beteiligt sind, und deren
       Mitbewerbern – aber so wirkt’s arg wie PR. Warum gerade diese drei Firmen
       und nicht drei andere (oder zehn)? Sind es Pioniere? Ist ihr KI-Game ein
       besonders ausstellungswürdiges? Wir erfahren es leider nicht.
       
       Von geradezu klassischer Problematik ist dann ein Abschnitt, überschrieben
       mit „KI und Ethnologie“: Da geht es um ethnische Gruppen in China und die
       Möglichkeit, durch die – müssen wir es wiederholen? – KI-gestützte Analyse
       von Musik, die präziser ermittele, was die einen miteinander verbindet
       respektive von anderen trennt.
       
       Wenn dann die Tonsysteme der Kachin – einer auch in Indien und Myanmar
       anzutreffenden „Ethnie“ – deutlich unterschieden werden können ausgerechnet
       von denen der heute so [10][brutal entrechteten Uiguren], ahnt man: An
       solcher Anwendung der staunenmachenden Technik wäre kaum etwas unschuldig.
       Und da steht es dann ja auch an der Wand, immerhin: KI könne „missbraucht
       werden – je nachdem, mit welchen Daten sie gefüttert wird“.
       
       Adorno übrigens hätte sich am Gewerblichen nur vielleicht gestoßen.
       Schließlich wird es im Museumsnamen schon angekündigt, und für solche Art
       Ehrlichkeit hatte er doch etwas übrig. Ist natürlich alles Mutmaßung,
       vorerst – [11][fragen wir ChatGPT?]
       
       14 Jul 2023
       
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