URI: 
       # taz.de -- Autobranche in der Krise: Kaum einer will die E-Autos
       
       > Ford meldet Kurzarbeit für die E-Auto-Produktion in Köln an. Was sind die
       > Gründe für die Absatzflaute in der deutschen Autoindustrie?
       
   IMG Bild: Bald stehen die Bänder still: Produktion des E-Autos Ford Explorer in Köln
       
       Berlin taz | Die Hiobsbotschaften aus der deutschen Autoindustrie reißen
       nicht ab: Der Fahrzeughersteller Ford schickt die Beschäftigten in der
       E-Auto-Produktion an seinem Kölner Standort in Kurzarbeit. Der Ford
       Explorer verkauft sich schlechter als erwartet.
       
       Nicht nur bei Ford ist die Lage schwierig. Erst vor Kurzem hat das
       [1][VW-Management einen Gewinneinbruch gemeldet und Massenentlassungen und
       Werkschließungen] in Deutschland angedroht. Bei BMW und Mercedes brechen
       ebenfalls die Erträge ein. Das bekommen die Zulieferer zu spüren, von denen
       einige bereits Stellenstreichungen angekündigt haben. Viele Fabriken sind
       nicht ausgelastet, weil der Absatz der Fahrzeuge stockt.
       
       Das ist auch der Grund für die Kurzarbeit bei Ford in Köln. „Die deutlich
       niedriger als erwartete Nachfrage nach [2][Elektrofahrzeugen] speziell in
       Deutschland erfordert eine temporäre Anpassung der Produktionsvolumina im
       Kölner Electric Vehicle Center“, sagte eine Ford-Sprecherin der taz. Das
       Unternehmen habe bei der Agentur für Arbeit Kurzarbeit für 2.300
       Beschäftigte beantragt. Bis zu den Weihnachtsferien soll in Köln im Wechsel
       jeweils eine Woche die Produktion stillstehen und eine Woche gearbeitet
       werden. Auch im ersten Quartal 2025 sollen Tage produktionsfrei sein.
       
       In Köln lässt Ford den Explorer bauen, die Serienproduktion [3][hat erst im
       Juni begonnen] – ausgerechnet in der Zeit, in der der Absatz von E-Autos
       insgesamt stark eingebrochen ist. Seit Dezember fördert der Staat den Kauf
       eines E-Autos nicht mehr. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat die
       Prämie für E-Autos nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts
       abgeschafft.
       
       ## Viele Käufer:innen warten ab
       
       Doch das ist nicht der einzige Grund für die Kaufzurückhaltung, sagt Hans
       Lawitzke, Berater des Europäischen Betriebsrats von Ford und Sprecher der
       Vertrauensleute der Gewerkschaft IG Metall. Der Absatz sei auch
       eingebrochen, weil potenzielle Käufer:innen irritiert seien. „Über die
       politische Diskussion wird Verunsicherung generiert“, ist er überzeugt.
       „Viele warten ab, wie es weitergeht.“
       
       Tatsächlich sendet die Politik diffuse Signale an die Bürger:innen – und
       zwar sowohl an die, die ein Verbrennerauto kaufen möchten, als auch an
       jene, die die Anschaffung eines E-Autos in Erwägung ziehen, sagt Lawitzke.
       Ein Beispiel dafür ist die Debatte über ein Aufweichen des Aus für
       Verbrenner und die sogenannte Technologieoffenheit. Kund:innen fragten
       sich, was ein jetzt angeschafftes Auto künftig noch wert sei, sagt
       Lawitzke. Auch die Aussicht auf eine mögliche neue Förderung für E-Autos
       führe erst einmal zum Abwarten.
       
       Ein zentraler Grund für die Absatzflaute in der deutschen Autoindustrie ist
       der Preis. Die Kosten für die Anschaffung eines E-Autos sind eine hohe
       Einstiegsschwelle, schätzt der Experte. „Deshalb ist der Wegfall der
       staatlichen Förderung so dramatisch.“ Ohne Zuschuss warten Interessierte
       lieber ab. „Alle wissen, dass es in ein oder zwei Jahren von verschiedenen
       Herstellern ein E-Auto für unter 30.000 Euro gibt.“ Das E-Auto von Ford
       kostet mit der Grundausstattung 42.500 Euro. Die chinesische Konkurrenz ist
       heute schon weitaus billiger.
       
       Trotz der vielen schlechten Nachrichten aus der Branche leiden die
       deutschen Autohersteller unter Fachkräftemangel. Sie brauchen
       hochqualifizierte Expert:innen mit Hochschulabschluss. Zu diesem
       Ergebnis kommt eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen
       Wirtschaft. „Insbesondere Expert:innen in IT-Berufen und Fachkräfte in
       Berufen mit technischem Schwerpunkt werden weiterhin dringend gesucht, da
       sie unter anderem für die digitale Transformation der Branche von zentraler
       Bedeutung sind“, heißt es im aktuellen Fachkräftereport des Instituts.
       
       ## Mangel an IT-Fachleuten
       
       Das ist kein Widerspruch zu den Nachrichten über Kurzarbeit und
       Stellenstreichungen, sagt Betriebsratsberater Lawitzke. Denn neben dem
       Antriebswechsel vom Verbrennermotor zur Batterie führt die Digitalisierung
       zu großen Umbrüchen im Autobau. Auch hier seien die deutschen Hersteller
       spät gestartet. Jetzt fehlen ihnen die Fachkräfte für die Entwicklung von
       Softwarelösungen.
       
       Volkswagen versucht diese Leerstelle durch ein Joint Venture mit dem
       US-amerikanischen E-Autobauer Rivian zu füllen, das am Mittwoch gestartet
       ist. Der Wolfsburger Autobauer hat immer wieder mit Softwareproblemen zu
       kämpfen. Das neue Gemeinschaftsunternehmen in Palo Alto im US-Bundesstaat
       Kalifornien soll auf der Basis der Elektronikarchitektur von Rivian für
       beide Hersteller Softwarelösungen und Steuercomputer entwickeln. VW
       verspricht sich davon sinkende Kosten.
       
       Nach und nach will das Unternehmen neue E-Autos auf die Technologie von
       Rivian umsatteln. 2027 sollen die ersten Fahrzeuge aus der Kooperation
       ausgeliefert werden. VW steckt 5,8 Milliarden US-Dollar in das
       Gemeinschaftsprojekt, 800 Millionen mehr als ursprünglich geplant.
       
       13 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /VW-in-der-Krise/!6044510
   DIR [2] /Elektromobilitaet/!6027920
   DIR [3] https://media.ford.com/content/fordmedia/feu/de/de/news/2024/06/04/ford-startet-serienproduktion-des-vollelektrischen-explorer-im-n.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Krüger
       
       ## TAGS
       
   DIR Automobilbranche
   DIR Wirtschaftskrise
   DIR Volkswagen
   DIR Arbeit
   DIR Social-Auswahl
   DIR Ford
   DIR Elektromobilität
   DIR Automobilbranche
   DIR IG Metall
   DIR Wohnraummangel
   DIR Wirtschaft
   DIR Mobilität
   DIR Volkswagen
   DIR Auto-Branche
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Konsolidierung in der Autobranche: Gewinn bei BMW sackt ab
       
       Nach Jahren extremer Erträge geht es für die Autohersteller abwärts.
       Experten sagen: eine Normalisierung. Sorgen machen sollte ein anderer
       Punkt.
       
   DIR Tarifabschluss in der Metallindustrie: Für den Frieden zahlen die Beschäftigten
       
       Vom Tarifabschluss haben die Beschäftigten weniger. Das ist ungerecht – in
       der Rüstungsindustrie etwa werden weiter weiterhin hohe Gewinne erzielt.
       
   DIR Fachkräftemangel trifft auf Wohnungsnot: Das Revival der Werkswohnungen
       
       Wegen Wohnungsmangels kümmern sich Firmen beim Ringen um Fachkräfte
       vermehrt um deren Unterkünfte. Drei Beispiele aus Berlin, Wolfsburg und
       Friesoythe.
       
   DIR Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen: Ohne Moos nix los
       
       Die Wirtschaftsweisen prophezeien für das kommende Jahr nur ein winziges
       Wachstum für Deutschland. Ihr zentraler Rat: verlässliche Investitionen.
       
   DIR Stellenabbau bei Zulieferer: Schaeffler schafft’s nicht mehr
       
       Die Stellenstreichungen beim Zulieferer-Betrieb sind laut Experten das
       Ergebnis verfehlter Industriepolitik. Die IG-Metall will das nicht
       hinnehmen.
       
   DIR VW in der Krise: Schlicht nicht wettbewerbsfähig
       
       Die Beschäftigten fürchten um ihre Jobs, weil das Management Kürzungen
       will. VW sollte zum Vorreiter der Verkehrswende werden, fordert ein
       Forscher.
       
   DIR EU-Zölle auf chinesische E-Autos: Schutz oder Schaden?
       
       Auf elektrische Fahrzeuge aus China sind nun Zölle in Kraft. Die Meinungen
       über den Nutzen für die hiesige Autoindustrie gehen auseinander.