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       # taz.de -- BDS und Antisemitismus: „Jüdische Stimme“ verliert Konto
       
       > Die Bank für Sozialwirtschaft hat der „Jüdischen Stimme“ erneut das Konto
       > gekündigt. Der Grund: Die „JS“ will sich nicht von BDS distanzieren.
       
   IMG Bild: Wo beginnt Antisemitismus? Protest von BDS-Unterstützern gegen die Bundestagsentscheidung
       
       Die Bank für Sozialwirtschaft kündigt der Berliner Organisation
       „[1][Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost]“ (JS) das
       Konto. Damit endet eine lange Auseinandersetzung zwischen der Bank, die von
       Wohlfahrtverbänden getragen wird und bei der viele NGOs Kunde sind, und der
       JS, die vor allem aus in Berlin lebenden Juden aus Israel und den USA
       besteht.
       
       Die Bank, unter Druck gesetzt vom „Zentralrat der Juden“ und der
       Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, hatte von der Jüdischen
       Stimme eine öffentliche Distanzierung von BDS gefordert, einer
       internationale Bewegung, die zu Sanktionen und Boykott gegen Israel
       aufruft, um die Besatzung zu beenden. Eine externe Mediation mit beiden
       Parteien blieb ohne Annäherung.
       
       Die Bank greift zum zweiten Mal zu diesem Mittel. Schon 2016 kündigte man
       der JS das Konto, [2][revidierte diese Entscheidung] allerdings, nachdem es
       scharfe öffentliche Kritik gegeben hatte. Dies sei das erste Mal seit der
       NS-Zeit, dass eine deutsche Bank Juden ein Konto verweigere, hieß es
       damals.
       
       Die Bank eröffnete 2018 das Konto wieder. Sie sei nach Gesprächen mit JS zu
       der Überzeugung gekommen, die zionismuskritische JS strebe das Ende der
       Besatzung an und stelle nicht das Existenzrecht Israels in Frage stelle.
       
       ## „Lose-lose-Situation“
       
       Das wiederum mobilisierte die Gegner von JS. Die Bank war von der
       komplizierten Debatte sichtlich überfordert. „Wir befinden uns in dieser
       Angelegenheit in einer Art Lose-lose-Situation: Sowohl die Kündigung des
       Kontos der als auch die Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung haben jeweils
       neue Antisemitismus-Vorwürfe ausgelöst“, schrieb sie 2018.
       
       Sie griff zu einem scheinbar günstigen Ausweg und gab ein
       wissenschaftliches Gutachten in Auftrag, das klären sollte, ob die Jüdische
       Stimme nun als offiziell antisemitisch zu gelten habe oder nicht.
       
       Dies erwies sich erst recht als Brandbeschleuniger. Die Jüdische Stimme
       zeigte wenig Neigung, sich einem von Deutschen durchgeführten
       Antisemitismus-TÜV zu unterziehen. JS-Sprecherin Iris Hefets erklärte
       Anfang 2019 in der taz, man denke nicht daran, sich zu „zu persönlichen
       Verhören zitieren zu lassen“. Das Gutachten wurde abgeblasen.
       
       In der Mediation forderte die Bank intern eine Entschuldigung für das Wort
       „Verhör“. Laut Sprecherin Hefets war die JS dazu nicht bereit. Es sei ja,
       sagte sie der taz, „keineswegs um einen freien Meinungsaustausch gegangen,
       sondern um eine Überprüfung zur Urteilsbildung mit strafrechtlichen
       Konsequenzen.“
       
       Der zentrale Dissens ist indes das Verhältnis zu BDS. In einem internen
       Statement der Bank vom 31. Mai heißt es: Die Bank sei „Plattform für einen
       innerjüdischen Konflikt“ geworden und wolle „eine klare Abgrenzung der
       „Jüdischen Stimme“ von der BDS-Kampagne“. Vier Organisationen, die Konten
       bei der Bank für Sozialwirtschaft haben, haben sich inzwischen der Bank
       gegenüber von BDS distanziert.
       
       JS war indes nur dazu bereit, das Verhältnis zu BDS darzulegen. „Wir können
       nicht BDS sein, weil wir nicht die BDS-Bewegung sind. Aber BDS ist Teil
       unserer Arbeit“, so Hefets. Laut Satzung tritt die JS „für eine gerechte
       Friedenslösung zwischen Israel und Palästina ein“. Im Grundsatzdokument der
       JS von 2007 wird BDS positiv bewertet und „ökonomischer Druck auf Israel“
       als Mittel gewürdigt, um friedlich gegen die Diskriminierung der
       Palästinenser zu kämpfen.
       
       Der Bundestag hat am 17. Mai BDS für antisemitisch erklärt. Die Bank hat
       schon zuvor entschieden, das Konto zu kündigen, falls JS sich nicht „klar
       von BDS distanziert“. Die Befürchtung: Ansonsten werde die Reputation der
       Bank „zunehmend geschädigt“, so die Einschätzung der Bank vom 31. Mai.
       Hefets kommentierte gegenüber der taz: „Wenn ich heterosexuell bin und
       Homosexuelle verfolgt werden, werde ich auch nicht öffentlich erklären: Ich
       bin nicht homosexuell.“
       
       JS-Sprecherin Hefets nannte die erneute Kontokündigung, die „politische
       Gründe“, habe, gegenüber der taz eine „politische Zensur“. Die Bank war am
       Donnerstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
       
       Die offizielle Kündigung des Kontos soll diese Woche erfolgen. Die JS
       behält sich juristische Schritte gegen die Kündigung vor.
       
       20 Jun 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Reinecke
       
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