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       # taz.de -- BSW in Thüringen auf Koalitionskurs: Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
       
       > In Thüringen lässt sich das Bündnis Sahra Wagenknecht auf
       > Koalitionsverhandlungen ein. Kritik aus dem Bund kommt auch von
       > Wagenknechts Gefolgsleuten.
       
   IMG Bild: Wollen sie in die gleiche Richtung? Sahra Wagenknecht und ihre Thüringer Landeschefs Katja Wolf und Steffen Schütz
       
       Berlin taz | Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Thüringen ist nun auch
       offiziell für Koalitionsverhandlungen mit der CDU und der SPD bereit. Dem
       stimmten die Parteigremien am Dienstagabend zu. „Der Beschluss markiert
       einen wichtigen Schritt in Richtung einer stabilen und zukunftsorientierten
       Regierung für Thüringen, die die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in
       den Vordergrund stellt“, teilte das BSW mit.
       
       In Thüringen wie in Brandenburg und Sachsen kann eine Regierung ohne die
       AfD [1][nur mit dem BSW] gebildet werden: das gibt Sahra Wagenknecht eine
       Schlüsselrolle. Die BSW-Gründerin hatte es zur Bedingung für Koalitionen
       gemacht, dass diese sich gegen Militärhilfe an die Ukraine und die
       Stationierung von US-Raketen aussprechen müssten. In Brandenburg und
       Thüringen einigten sich die Parteien auf Bekenntnisse zu mehr
       Friedensinitiativen. [2][In Brandenburg] findet sich in der Präambel auch
       eine Formulierung, dass man die vom Kanzler gewünschte Stationierung von
       US-Raketen kritisch sehe. In Thüringen fehlt diese.
       
       Die außenpolitischen Vereinbarungen mit dem BSW in Thüringen und
       Brandenburg sind parteiübergreifend auf scharfe Kritik gestoßen. „Die
       praktische Relevanz dieser Vereinbarungen geht zum Glück gegen null, aber
       für die wichtige Debatte um Frieden und Sicherheit ist es
       verantwortungslos, wie viel CDU und SPD Sahra Wagenknecht nachgegeben
       haben“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der
       Grünen-Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger, der Agentur Reuters. Auch der
       Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD),
       übte Kritik. Ebenso Frank Sarfeld (CDU), der jede Zusammenarbeit seiner
       Partei mit dem BSW ablehnt und für einen Unvereinbarkeitsbeschluss wirbt.
       
       ## Alle gegen den Thüringer Kompromiss
       
       Kritik kommt aber auch von Sahra Wagenknecht selbst. Die Parteichefin hatte
       zuvor den Thüringer Kompromiss des BSW bereits am Montag deutlich
       kritisiert und von einem „Fehler“ gesprochen. Er falle weit hinter eine in
       Brandenburg gefundene Einigung zurück.
       
       Auch andere Bundespolitiker der Partei gingen den Thüringer Landesverband
       hart an. Ihre thüringischen Parteikollegen seien auf dem besten Weg, „das
       BSW zu einer Partei zu machen, von der es nicht noch eine braucht“,
       schrieben die parlamentarische Geschäftsführerin Jessica Tatti und der
       Bundesschatzmeister Ralph Suikat in einem Gastbeitrag, der am Dienstag bei
       t-online erschien. Tatti und Suikat fehlt vor allem die klare Absage an
       mögliche Stützpunkte für US-Mittelstreckenraketen.
       
       „Wo sind unsere zentralen Forderungen geblieben?“, fragen sie, und folgern:
       Dies lasse „für mögliche Verhandlungen über landespolitische Fragen nichts
       Gutes erwarten“. Das sei „definitiv nicht das, wofür man all die
       Anstrengungen und harten Konflikte auf dem Weg aus der ehemaligen Partei
       bis zur Gründung des BSW auf sich genommen hat“.
       
       „Wir sind keine willfährigen Mehrheitsbeschaffer“, so Tatti und Suikat:
       „Wenn wir in eine Regierung gehen, dann für die Bürger und die Inhalte des
       BSW.“
       
       ## Corona-Aufarbeitung und andere Prinzipien
       
       Der BSW-Europaabgeordnete Friedrich Pürner, ein Mediziner, kritisiert auch
       die Passagen, die von der Aufarbeitung der Coronazeit handeln. Gegenüber
       der Berliner Zeitung forderte er sogar, die Verhandlungen mit CDU und SPD
       abzubrechen. „Wir als neue politische Kraft haben es versäumt, unsere
       Akzente in diesem Papier zu setzen“, sagte er. Der Unternehmer Oliver
       Jeschonnek, einer der beiden BSW-Landeschefs in Hessen, und Alexander King,
       einer der beiden BSW-Vorsitzenden in Berlin, gingen auf Distanz zum
       Thüringer Landesverband. „Womöglich bieten die weiteren Verhandlungen ja
       Raum, um mehr auf die Friedensfrage einzugehen“, sagte King der Berliner
       Zeitung.
       
       Die Diskussion wirkt von beiden Seiten wie dogmatische Prinzipienreiterei.
       Denn in Thüringen dürfen ohnehin gar keine US-Raketen stationiert werden –
       das verbietet der Zwei-plus-Vier-Vertrag, der seit 1990 gilt.
       
       Unklar ist, welche Folgen der offene Krach für das noch junge Bündnis Sahra
       Wagenknecht haben wird. Bedroht er den Frieden in der bislang sehr homogen
       wirkenden Partei und das Verhältnis zwischen Wagenknecht und ihren beiden
       Thüringer Landeschefs, Katja Wolf und Steffen Schütz?
       
       Katja Wolf hatte bei der Vorstellung des Sondierungspapiers am Montag
       gesagt, Zustimmung von der Bundesspitze sei „rein formal nicht vorgesehen“.
       Formal ist das richtig.
       
       30 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
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