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       # taz.de -- BVB verliert das Champions-League-Finale: Das Trauma ist wieder da
       
       > Lange Zeit war Borussia Dortmund im Finale der Champions League das
       > bessere Team. Doch dann schlug Real Madrid zu. Ein 0:2 und sehr viel
       > Schmerz.
       
   IMG Bild: Dortmunder Trauer: Julian Brandt, Nico Schlotterbeck, Marcel Sabitzer (v.l.)
       
       Da standen die [1][Dortmunder] mit hängenden Köpfen vor ihrem gewaltigen
       Anhang im Wembleystadion, der trotz des eigenen Schmerzes versuchte, dem
       Team lautstark seine Verbundenheit zu bekunden. „Für die Fans“, sagte Nico
       Schlotterbeck später, „tut es mir richtig leid. Wir hatten schon letztes
       Jahr das Trauma.“ Er erinnerte an den [2][verspielten deutschen
       Meistertitel] gegen Mainz am letzten Spieltag, als Schlotterbeck mit
       Teamkollegen von der Dortmunder Südtribüne mit reichlich Trost und
       Liebesbekundungen versorgt wurden.
       
       Und in der Tat ähnelten sich die Bilder nach der 0:2-Finalniederlage gegen
       Real Madrid auf den ersten Blick stark. „Unsere Fans waren denen von Madrid
       haushoch überlegen“, lobte Schlotterbeck auch die eindrucksvolle
       Unterstützung während des Spiels. Borussia Dortmund, dieser Eindruck
       drängte sich auf, ist ein Verein für große Gefühle, aber nicht unbedingt
       für große Ergebnisse.
       
       Das Verrückte an diesem Abend war: die Erinnerung an die Enttäuschung von
       letztem Jahr nach schlechtem Spiel wurde erst geweckt, weil die BVB-Profis
       über fast 70 Minuten so berauschend gut gespielt hatten. Wie schon im Laufe
       dieser ganzen Champions-League-Saison trumpften die Deutschen mit ihrem
       schrittweise verfeinerten Underdog-Fußball auf. Mit furiosem Tempo rissen
       die Schwarzgelben im Abwehrgebilde von Real immer wieder Räume auf, die mal
       weniger, häufig aber gut genutzt wurden.
       
       „Wir waren super nah dran“, resümierte Sportdirektor Sebastian Kehl, „jeder
       hatte heute das Gefühl, dass die Vorbereitung richtig gut war, dass die
       Einstellung top war, dass wir den richtigen Matchplan hatten, alles
       eigentlich zusammen angerichtet war für dieses tolle Finale.“
       
       ## BVB führt in den B-Noten
       
       Trainer [3][Edin Terzić] applaudierte seinem Team direkt nach Halbzeitpiff,
       und in den Statistiken fand man tatsächlich handfeste Bestätigung für das,
       was man Wundersames gesehen hatte. Der Tabellenfünfte der Bundesliga hatte
       Europas größtes Team des letzten Jahrzehnts bei einem so bedeutenden Spiel
       in arge Bedrängnis gebracht. Hinter dem torlosen Remis verbargen sich
       etliche Führungen in der B-Note: Torschüsse aufs Tor 3:0, Torschüsse 8:2,
       Ecken 5:1. Marcel Sabitzer, Karim Adeyemi oder [4][Niclas Füllkrug] hätten
       die verdiente Führung erzielen können. Doch trotz allem Zauber galten für
       die Dortmunder die fußballerischen Binsenweisheiten: Wer kein Tor schießt,
       kann nicht gewinnen. Oder wie sich Schlotterbeck ausdrückte: „Gegen Real
       heißt es, das Spiel zu killen. Wenn du das 1:0 machst, hast du sehr große
       Chancen, dass du das Ding heute ziehst.“
       
       Wer diese Saison gesehen hat, wie [5][Real etwa gegen Manchester City]
       (Elfmeterschießen) und [6][Bayern München (Nachspielzeit)] spät
       auftrumpfte, könnte diese These in Zweifel ziehen. In bekannter Kühle
       ordnete sich Real in der zweiten Halbzeit neu, arbeitete gegen den Ball
       kompakter und trat in Person von Toni Kroos eine Ecke nach der anderen in
       den Strafraum, bis sie dann so präzise wurden, dass Daniel Carvajal (74.)
       einköpfen konnte. Von da an nahm das Unglück seinen Lauf und zu dessen
       Gesicht wurde Ian Maatsen, der mit einem Fehlpass den Treffer von Vinicius
       Junior ermöglichte.
       
       Alles zusammengenommen führte nicht nur bei Trainer Edin Terzić zu einem
       „Gefühlschaos“. Auf der einen Seite sei der Stolz auf die gezeigte
       Leistung, auf der anderen Seite Leere und Enttäuschung. Terzić, das hat man
       bereits beim letzten Saisonfinale gesehen, verfügt jedoch selbst in solch
       bitteren Momenten über die große Begabung, sich vom Moment zu lösen und
       positiv zu emotionalisieren. Er stellte heraus: „Heute war wieder ein
       perfektes Beispiel, was möglich ist mit dieser Mannschaft.“ Dass es vor
       allem im Ligaalltag auch perfekte Beispiele dafür gab, was dem Team alles
       misslingen kann, verschwieg er nicht. Er sprach von „großen Schwankungen“
       in dieser Saison.
       
       ## Ein neuer Anlauf
       
       Aber er setzt nach diesem zweiten großen Tiefschlag am Saisonende erneut
       auf die Lerneffekte. Und er setzt dabei auf die großen Gefühle, die den
       Verein sprichwörtlich begleiten. Knapp 100.000 Dortmunder sollen
       schätzungsweise nach London angereist sein, die überwiegende Mehrheit ohne
       ein Ticket für das Stadion. Sie versammelten sich an verschiedenen Public
       Viewing-Orten in der Stadt.
       
       Terzić unterstrich, alle seien mit dem Glauben gekommen, dass der BVB gegen
       Real Madrid gewinnen kann. „Nun ist es die große Herausforderung“, erklärte
       der Trainer, „den Glauben hochzuhalten.“ Edin Terzić will mit den großen
       Gefühlen wieder zu großen Erfolgen kommen. Dieser Ansporn hat nach der
       verpassten Meisterschaft von letztem Jahr vielleicht erst den tollen
       Auftritt im Wembleystadion möglich gemacht. Es braucht einen neuen Anlauf.
       
       Es wird einige personelle Veränderungen bei Dortmund geben. [7][Marco Reus]
       bestritt sein letztes Spiel für Dortmund. Mats Hummels hält sich noch
       bedeckt, ob er weiter macht. Die Zukunft der Leihspieler Ian Maatsen und
       Jadon Sancho ist so ungewiss wie einiges andere. Derzeit nicht abzuschätzen
       ist auch, wie die Dortmunder Akteure den nun zweiten Tiefschlag
       verarbeiten. Nico Schlotterbeck sagte am Samstagabend, er hoffe, nun nicht
       in ein Loch zu fallen.
       
       2 Jun 2024
       
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