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       # taz.de -- Barak Obama - der neue Kennedy?: Gegen das weiße Trotteltum
       
       > Barak Obama setzt nicht auf seine schwarze Identität. Er verkörpert nur
       > die nichtweiße Welt. Das ist viel im Kampf gegen das weiße Trotteltum.
       
   IMG Bild: WASP-Style Cowboyhut meets Obama-Fanshirt.
       
       Noch nie hatte ein schwarzer Amerikaner so große Chancen, Präsident der
       Vereinigten Staaten zu werden. Aber gerade dieser Umstand an Barack Obama
       wird in Amerika kaum noch als besonders sensationell empfunden. Seine
       Hautfarbe habe keine Rolle gespielt, ermitteln Demoskopen bei all seinen
       Ergebnissen, weder in positiver noch in negativer Weise. Die US-Wähler
       scheinen in ihm eher ein universelles Boy Wonder oder einen
       urcharismatischen Charmebolzen im Allgemeinen zu sehen als etwas so
       Spezifisches und Kontroverses wie einen Vertreter der afroamerikanischen
       US-Bevölkerung. Die immerhin nach wie vor einen überproportional großen
       Teil der Unterschicht stellt, rassistisch benachteiligt wird und der eine
       anständige politische Vertretung sicher nicht schaden würde.
       
       Man scheint sich einig, dass der Mann nicht schwarz ist, jedenfalls nicht
       so schwarz, wie es Jesse Jackson war, als der immer mal wieder Präsident
       werden wollte. Obama hat nie besonders stark auf eine identitätspolitische
       Karte gesetzt. Er hat nicht, wie so viele schwarze Bürgermeister und
       Lokalpolitiker, die Ochsentour durch die einschlägigen afroamerikanischen
       Organisationen absolviert. Und Obama ist geradezu ausgedacht kosmopolitisch
       aufgewachsen: Hawaii, Indonesien, Kenia und Harvard werden eher mit seinem
       Namen verbunden als die Mopes und Hopper in den Ghettos von Baltimore,
       Maryland oder Saint Louis, Missouri.
       
       Dennoch ist Obama aber auch ganz entschieden nicht weiß. Dieses
       Nichtweiß-Sein ist, anders als sein Schwarz-Sein, nicht so ausgeblendet aus
       dem allgemeinen Bewusstsein. Es stellt nämlich durchaus einen starken Bruch
       in der amerikanischen Geschichte dar; nur auf eine andere Weise, als es
       eine positive Identifikation mit Afroamerika bedeutet hätte. Es ist eher
       eine Öffnung zu etwas Unbestimmtem denn eine Entscheidung für etwas
       Bestimmtes. Als John F. Kennedy Präsident wurde, war er der erste Katholik
       im Land der Puritaner und Pilgerväter. Er war dies nicht als ein
       Repräsentant papistischer Neigungen im starken Sinne, sondern sein
       Nicht-Protestantentum verband sich in seiner das Establishment öffnenden
       Negation überkommener Tradition mit seiner Jungshaftigkeit und seinem Sex
       Appeal. Die Summe: Neuheit, Wandel, Dynamik. Er war nicht einer von denen.
       Das war die Botschaft. Kennedy war nie besonders als Rächer der Italiener,
       Iren, Polen und Latinos aufgetreten - aber er war trotzdem kein verdammter
       WASP.
       
       Obama steht in ähnlicher Weise eher für einen vage global-kosmopolitischen
       Postkolonialismus, für eine moderne Welt, die nun mal gerade da, wo sie
       nichtweiß ist, wächst und selbstbewusst wird, auch innerhalb der USA. Seine
       nichtweiße Identität umfasst die indischstämmige Intelligenz genauso wie
       die afroamerikanische Elite und dockt ebenso an südostasiatisches
       Selbstbewusstsein an, ohne sich festzulegen. Diese nichtweiße Welt - das
       verkörpert Obama - lässt sich nicht mehr auf Rückständigkeit bringen,
       sondern eher auf Hoffnungen, vage Hoffnungen, aber neue, offene
       Verhältnisse.
       
       Was sich aber auch geändert hat, ist das Image des Weiß-Seins, langsam auch
       in den USA. Weiß sein steht nicht mehr für die dominante Weltmacht, deren
       Herrschaft man böse und imperialistisch finden konnte, die aber als weiße
       Macht, als Schutzmacht der ersten Welt unangefochten war. Weiß ist auch
       nicht mehr die Farbe der globalen kulturellen Hegemonie. Weiß ist heute die
       Farbe der Peinlichkeit und des Trotteltums. Angefangen bei dem unumstritten
       schlechtesten Präsidenten aller Zeiten, der, typisch für viele Millionen
       weißer Trottel, sein Alkohol-Problem gegen ein Jesus-Problem eingetauscht
       hat, hört dieser Trend mit den verwahrlosten White-Trash-Pop-Stars und ihre
       Unappetitlichkeiten noch lange nicht auf. Weiß ist heute die Farbe des
       Trailer-Camps und der Unterschichtenkultur. Durch ihren Mann und dessen
       Britney-hafte Momente in der Vergangenheit ist sogar Hillary Clinton von
       diesem schlechten Image der Whiteness leicht beschädigt.
       
       Auch hier sind nicht direkt die Afroamerikaner das Gegenmodell, sondern
       erneut eine eher an globalen Entwicklungen sich orientierende Rede von
       Würde und Respekt, die nicht immer ganz unreaktionär und
       untraditionalistisch klingt, aber meistens vage bleibt. Ihre Reichweite
       umfasst den Reinheitsfanatismus des Islamisten ebenso wie eine Verachtung
       eines US-Trash übergewichtiger Hackfleischfresser von einem nichtwestlichen
       Hochkulturstolz aus. Obama, der schon mal afrikanische Musiker - nicht etwa
       Hiphop-Crews - bei seinen Veranstaltungen auftreten lässt, verbündet sich
       mit dieser hybriden, nichtweißen bürgerlichen Hochkultur, die längst jede
       subalterne Position hinter sich gelassen hat. Es ist die Kultur eher
       gebildeter, global mobiler Eliten aus Schwellenländern und afroasiatischer
       Diaspora - nicht die Multitude, nicht die andere Seite neoliberaler
       Verhältnisse, sondern deren emergente, nichtweiße Nutznießer.
       
       Dies ergibt noch lange kein politisch handelndes Bevölkerungssegment, es
       ist eher ein Stimmungsbild. Ein Image, das sich mit Obama verbinden könnte.
       Hier kündigen sich ganz andere, neue Akteure an, die nicht nur mit den USA
       und ihrem System kompatibel sind, sondern ihm eine lange überfällige
       Modernisierung liefern würden: die kulturelle und ethnopolitische
       Entsprechung zur ökonomischen Globalisierung, eine neue nichtweiße
       Oberschicht.
       
       Obama selbst ist aber gar kein Oberschichtspolitiker, sondern ein für
       US-amerikanische Verhältnisse linksliberaler Sozial- und Außenpolitiker.
       Auch das verbindet ihn mit Kennedy: ein Oberschichtsimage mit eher
       sozialdemokratischer Sozialpolitik zu kombinieren. Und es ist, das ist das
       Entscheidende, das absolute Gegenteil von George W. Bush, der immer wie
       eine derangierte Trailer-Camp-Type wirkt, die sich nicht ganz unter
       Kontrolle hat, aber dabei Oberschichtenpolitik macht.
       
       Schließlich stellt aber Obamas Erfolg - und dessen Grenzen - die
       konventionelle amerikanische Klassifizierung von Politikern nach ihrer
       Klientel und dem, was sie kraft ihrer Herkunft vertreten, in Frage. Obama
       ist ein externer, ein gelernter, kein geborener US-Amerikaner. Das ist sein
       großer Vorteil, das liebt auch Europa an ihm, das ist aber auch seine
       Grenze. Er ist nämlich auch ein gelernter Afroamerikaner. Er erzählt
       glaubhaft, dass ihn die afroamerikanische Kultur begeistert hat und er sich
       deswegen mit ihr beschäftigt, ja identifiziert hat. Daneben gab es andere
       amerikanische Faszinosa, die er absorbiert hat. Diese Faszination für
       afroamerikanische Kultur teilt er aber mit Millionen anderen nichtschwarzen
       Amerikanern (und Nichtamerikanern). Auch dieses quasi weiße, nämlich extern
       faszinierte Verhältnis zu Afroamerika macht ihn für Nicht-Afroamerikaner
       attraktiv.
       
       Darüber hinaus ist dieser virtuose, zugleich respektlose wie respektvolle,
       nachgerade ästhetische Umgang mit Ethnie und Zugehörigkeit faszinierend für
       alle, die sich generell ihre Loyalitäten aussuchen können und wollen. Und
       das ist auch die Grenze von Obamas Reichweite: Denn diese glücklichen
       Aufgeklärten findet man natürlich eher unter den Gebildeten, die ja auch
       tatsächlich, ganz unabhängig von Ethnie, diesen Kandidaten unterstützen.
       Die anderen fühlen sich gerade unter forciert kapitalistischen Bedingungen
       auf den Essenzialismus von Herkunft und Tradition zurückgeworfen. Und
       singen mit Hillary, so sie überhaupt demokratisch wählen, den
       Country-&-Western-Klassiker "Stand By Your Man". Obama aber hat die
       Kategorie der Ethnizität so erfolgreich dekonstruiert, dass er alle Hände
       voll zu tun hat, die afroamerikanischen Wähler zu überzeugen, dass er
       schwarz ist.
       
       26 Jan 2008
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Diedrich Diederichsen
       
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