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       # taz.de -- Bauernprotest in der Coronakrise: Genug Essen trotz weniger Düngung
       
       > Bauernprotest-Führer wollen auch mit der Angst vor Versorgungsengpässen
       > die neue Düngeverordnung verhindern. Experten widersprechen.
       
   IMG Bild: Stoppelfeld mit Guelle wird von zwei Traktoren umgeackert
       
       Berlin taz | Wissenschaftler und die Bundesregierung weisen die Behauptung
       von Bauern zurück, [1][schärfere Düngevorschriften] gefährdeten in der
       Corona-Krise die Lebensmittelversorgung. Sowohl das
       Landwirtschaftsministerium als auch Agrarprofessor Friedhelm Taube von der
       Universität Kiel argumentierten auf taz-Anfrage, dass Deutschland von den
       wichtigsten Nahrungsmitteln weit mehr produziere, als es verbrauche.
       
       Der Verein „Land schafft Verbindung“ (LsV), der in den vergangenen Monaten
       die größten Bauernproteste seit langem organisiert hat, hatte in einem
       [2][Offenen Brief] an die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der
       Leyen, vor Engpässen gewarnt. Wenn der Bundesrat am Freitag wie geplant die
       Düngeverordnung verschärfte, würde das „zu etlichen Betriebsaufgaben führen
       und damit zwangsläufig zu einer Gefährdung der Versorgung mit
       Nahrungsmitteln“, schrieben die Landwirte. „Damit wäre der
       Selbstversorgungsgrad für Grundnahrungsmittel in Deutschland erheblich
       gefährdet – fatal in Krisensituationen wie der Aktuellen!“
       
       Die Stickstoffverbindung Nitrat aus Düngern ist potenziell
       gesundheitsschädlich und verschmutzt das Grundwasser, aus dem das meiste
       Trinkwasser gewonnen wird. Außerdem trägt zu viel Dünger zum Artensterben
       und zum Klimawandel bei. Deutschland droht eine hohe Geldstrafe der EU,
       weil die Nitratgrenzwerte immer wieder überschritten werden. Deshalb plant
       die Bundesregierung, die Düngung vor allem in besonders belasteten Gebieten
       stärker zu begrenzen. Dort müssten die Bauern 20 Prozent weniger düngen als
       bislang erlaubt.
       
       ## 48 Prozent mehr Kartoffeln als nötig
       
       Viele Landwirte befürchten, dass sie dann weniger ernten, Getreide
       schlechtere Qualität hat und sie die Gülle ihrer Tiere nicht mehr so leicht
       entsorgen könnten. Der [3][Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft]
       kritisiert, dass auch Biobauern in den belasteten Gebieten nicht mehr Mist
       und Kompost auf oberflächlich gefrorenen Böden ausbringen dürfen sollen.
       Die [4][Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft] moniert, dass auch
       „unschuldige“ Bauern in diesen Gebieten weniger düngen müssten. Diese
       Organisationen erkennen jedoch an, dass die Landwirte im Schnitt mehr
       düngen, als die Pflanzen aufnehmen können. Weite Teile von „Land schafft
       Verbindung“ sehen das anders – und ziehen jetzt die „Corona-Karte“.
       
       „Wir haben einen Selbstversorgungsgrad von über 100 Prozent zum Beispiel
       bei Kartoffeln (148 Prozent), Käse (126 Prozent), Frischmilchprodukten (116
       Prozent), Getreide (107 Prozent) oder Schweinefleisch (119 Prozent)“,
       antwortete darauf das Agrarministerium. Diese Kennzahl gibt an, wieviel
       Prozent des Verbrauchs ein Land selbst produziert. „Vor diesem Hintergrund
       entbehrt die Behauptung, dass es durch die Novellierung der Düngeverordnung
       zu Versorgungsengpässen aufgrund verringerter Erntemengen käme, jeder
       Grundlage“, so das Ministerium.
       
       ## Regierung will Frist um 3 Monate verlängern
       
       Agrarwissenschaftler Taube sagte: „Das Argument von LsV mit der
       Versorgungssicherheit ist nicht stichhaltig“. Bis auf Eier und Ölsaaten wie
       Soja liege der Selbstversorgungsgrad in Deutschland bei „durchweg deutlich
       über 100 Prozent“. Bernhard Osterburg vom bundeseigenen
       Thünen-Agrarforschungsinstitut hat geschätzt, dass die Erträge der
       Ackerkulturen im Durchschnitt nur [5][um 5 Prozent] sinken, wenn sie mit 20
       Prozent weniger Stickstoff gedüngt werden, als bislang erlaubt ist. Zwar
       enthält Getreide dann tendenziell weniger Protein, aber neuere
       Untersuchungen zeigten laut Taube, dass die Backeigenschaften darunter kaum
       leiden – die Backqualität sei also gegeben.
       
       Dennoch kommt die Regierung den Kritikern nun etwas entgegen: Die
       Bundesministerinnen für Landwirtschaft und Umwelt, Julia Klöckner (CDU) und
       Svenja Schulze (SPD), versprachen, die EU-Kommission um eine längere Frist
       für die Umsetzung der Düngeverordnung zu bitten. Statt 6 sollen 9 Monate
       Zeit bleiben – bis 1. Januar 2021.
       
       27 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!t5011842/
   DIR [2] https://www.facebook.com/LsVDeutschland/posts/196144791824768?__xts__%5B0%5D=68.ARArBWw95r1dtdT4GOH7mX5x_W8NeD8qtNQhaNo7FwsSoXNUyvUyhWfEy8XTCkMG_SjUHkL1l1B42dQJ-y6_TFq1X-y-wAbCtqGBeL-5qKfTDjCrFyaMle7ahNZVlpmxu4ZTmfPfTtij3QoQOF08B6sgcDMkpTYbPmjsp1uv817AsPeLeeejfzvCusLb58LqoaShDGM-9GhXjepdTmtJcm_N_IdCDy1S518LNni7hElCwoyxhKgYEiFjriCwJQrx7uxx-IYQ_uABg904Uu1G1Lf3pmbIP8xoQ8end4O0xlGTz5d3W7IQIqWf6XGnLOAvmJf46g9yfIv0_watkPA&__tn__=-R
   DIR [3] https://www.boelw.de/news/boelw-kommentar-zur-bundesratsentscheidung-zum-duengerecht/
   DIR [4] /Gesundheitschaedliches-Nitrat-im-Wasser/!5671418/
   DIR [5] /Umweltbelastung-durch-Duenger/!5635932/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
       ## TAGS
       
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