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       # taz.de -- Bauernverband fordert mehr Klimaschutz: Wir müssen weniger Fleisch essen
       
       > Selbst der Bauernverband stimmt nun Klimaschützern zu. Das zeigt der
       > Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft.
       
   IMG Bild: Auch die Tierhaltung in Deutschland soll besser werden
       
       Berlin taz | Die [1][Zukunftskommission Landwirtschaft], an der auch der
       Bauernverband beteiligt war, hat wichtige Forderungen von Umwelt- und
       TierschützerInnen übernommen. Das von der Bundesregierung eingesetzte
       ExpertInnengremium empfiehlt aus Klimaschutzgründen zum Beispiel, dass „der
       Konsum und damit einhergehend die Produktion tierischer Produkte
       zurückgehen“. Das geht aus dem Abschlussbericht hervor, den 30 große
       Verbände der Landwirte, Händler, Hersteller, Verbraucher, Natur- und
       Tierschützer sowie führende Wissenschaftler nun unterzeichnet haben.
       
       Die Landwirtschaft verursacht laut dem bundeseigenen
       Thünen-Agrarforschungsinstitut rund 14 Prozent des Treibhausgasausstoßes in
       Deutschland. Zugleich fordern die meisten Bürger Umfragen zufolge eine
       bessere Tierhaltung. Forscher sehen die Agrarbranche als zentrale
       Verantwortliche dafür, dass immer mehr Tier- und Pflanzenarten aussterben.
       
       Doch Tausende Bauern demonstrierten 2019 gegen strengere Vorschriften.
       Daraufhin beauftragte das Bundeskabinett die Kommission, einen Plan für
       eine umweltverträgliche und ökonomisch überlebensfähige Landwirtschaft zu
       erarbeiten.
       
       Die ExpertInnen einigten sich auf die Forderung, die bisher vom
       Bauernverband vehement verteidigten wichtigsten EU-Agrarsubventionen – die
       Direktzahlungen – in ihrer aktuellen Form abzuschaffen. Derzeit wird das
       Geld pro Hektar Agrarland gezahlt, weitgehend unabhängig davon, wie
       umweltfreundlich dieses bewirtschaftet wird.
       
       ## Es fehlen bis zu 4,5 Milliarden Euro – pro Jahr
       
       In den „nächsten zwei Förderperioden ab 2023“ sollten die Subventionen in
       Zahlungen für „konkrete Leistungen im Sinne gesellschaftlicher Ziele“
       umgewandelt werden, also zum Beispiel mehr Artenschutz, rät die Kommission.
       
       Der Bauernverband unterschrieb auch die Empfehlung, Moore wieder zu
       vernässen, die für die Landwirtschaft trockengelegt worden sind. Denn dort
       werden besonders viel Treibhausgase frei. Zudem sollten Tiere besser
       gehalten werden. Auch eine Forderung der Gewerkschaften hat die Kommission
       übernommen: ErntehelferInnen und andere Saisonarbeitskräfte sollten anders
       als bisher „in der Regel sozialversicherungspflichtig beschäftigt“ sein.
       
       Die umwelt- und tierfreundlichere Produktion soll der Kommission zufolge
       vor allem durch wirtschaftliche Anreize wie Zahlungen für
       Naturschutzleistungen erreicht werden. Das werde aber pro Jahr 1,5 bis 4,5
       Milliarden Euro mehr kosten, als der Staat bisher für die Landwirtschaft
       ausgebe, so die ExpertInnen. Die Lücke wollen sie zum Beispiel durch eine
       Tierwohlabgabe auf Fleisch schließen: „Mittel- und langfristig dürften
       damit auf die Bürger:innen höhere Kosten für ihre Ernährung zukommen.“
       
       Deshalb müssten einkommensschwache VerbraucherInnen entlastet werden, etwa
       durch eine Mehrwertsteuersenkung auf Obst und Gemüse sowie höhere Zahlungen
       für Lebensmittel an Hartz-IV-EmpfängerInnen. Laut Kommission wäre es
       dennoch teurer, die Landwirtschaft nicht zu ökologisieren. Denn dann müsste
       die Gesellschaft weiter hohe Gesundheitskosten, etwa infolge von
       Pestizidbelastung im Wasser, tragen.
       
       ## Schärfere Vorschriften nur mit Ausgleich
       
       Für den Kompromiss haben Umweltverbände wie Nabu und BUND weitgehend auf
       Forderungen verzichtet, Vorschriften ohne Einkommensausgleich für Landwirte
       zu verschärfen. So empfiehlt die Kommission, erst einmal abzuwarten, ob die
       neue Düngeverordnung die Stickstoffbelastung genügend verringert. Falls
       nicht, sollten „marktwirtschaftliche Instrumente“ zur Reduktion erwogen
       werden – also keine neuen Vorschriften.
       
       Der Vorsitzende der Kommission, Peter Strohschneider, bezeichnete die
       Empfehlungen als einen betriebswirtschaftlich gangbaren Weg“.
       Kommissionsmitglied Elisabeth Fresen, Vorsitzende der ökologisch
       orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), forderte
       die kommende Bundesregierung auf, die Vorschläge umzusetzen.
       
       Friedrich Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik der Grünen im Bundestag,
       sagte, hinter dem Kommissionsbericht stehe ein „echter gesellschaftlicher
       Konsensprozess“. „Jetzt muss aber auch der Deutsche Bauernverband zum
       Kompromiss stehen und die Union den verhandelten Zielkatalog in ihre eigene
       Politikgestaltung aufnehmen.“
       
       Warum schickte der Verband nicht seinen Präsidenten Joachim Rukwied,
       sondern lediglich den Vizepräsidenten Werner Schwarz in die Kommission?
       Rukwied hätte den Zeitaufwand nicht leisten können, antwortete Schwarz auf
       diese Frage der taz. Der Tierschutzbund etwa war aber durch seinen
       Präsidenten Thomas Schröder in der Kommission vertreten.
       
       ## Kritik von Greenpeace
       
       Der kleine Verband „Freie Bauern“, der bäuerliche Familienbetriebe
       vertritt, kritisierte das Ergebnis als „Unsinn“: „Aus Sicht der Freien
       Bauern besteht für neunzig Prozent der deutschen Landwirtschaft
       [2][überhaupt kein Umbaubedarf]“, so die Organisation.
       
       Auch Greenpeace kritisierte den Abschlussbericht. Die Umweltorganisation
       hatte die Kommission im Frühjahr verlassen, weil die Bundesregierung die
       Empfehlungen der ExpertInnen nicht bei der gerade vereinbarten Reform der
       EU-Agrarsubventionen berücksichtigen wollte. Die Landwirtschaft müsse sich
       schneller ändern, als der Abschlussbericht vorgebe.
       
       „Dieser wird bereits von der Realität überholt. So wird die aktuelle
       Ankündigung von Aldi, auf [3][Billigfleisch] zu verzichten, den Umbau der
       Ställe für eine bessere Tierhaltung beschleunigen.“ Das Klimaurteil des
       Bundesverfassungsgerichts lasse keine weitere Verzögerung beim Klimaschutz
       in der Landwirtschaft zu. „Die Klimaziele für Deutschland lassen sich nur
       mit einer Halbierung der Tierzahlen erreichen.“
       
       Bundesagrarministerin Julia Klöckner erklärte: „Der Abschlussbericht ist
       Rückenwind für meine Arbeit. Vieles habe ich bereits angestoßen“, teilte
       die CDU-Politikerin mit. „Künftig wird es keinen Euro Fördergeld aus
       Brüssel mehr geben, der nicht an Umwelt- und Klimaschutzleistungen
       gekoppelt ist.“ Allerdings werden die im Detail noch festzulegenden
       Anforderungen WissenschaftlerInnen zufolge voraussichtlich kaum zu mehr
       Umweltschutz führen.
       
       30 Jun 2021
       
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