URI: 
       # taz.de -- Bayerns Champions-League-Sieg: Gaudi mit Hansi
       
       > Umweht vom alten Geist der Unbesiegbarkeit, schnappt sich der FC Bayern
       > München radikal souverän den großen Henkelpott.
       
   IMG Bild: Sause mit Tröte: Serge Gnabry macht mit Leon Goretzka einen drauf
       
       Selbst eingefleischte Verächter des Bayern-Modells, also Leute, die mit der
       Mia-san-mia-Attitüde des Klubs an der Säbener Straße nicht klarkommen und
       die Münchner für die Pest auf Stollen halten, werden angesichts der
       Dominanz der Bayern nicht umhinkommen, anzuerkennen, dass die derzeit beste
       europäische Mannschaft die Champions League gewonnen hat.
       
       Der FC Bayern hat den Wettbewerb heuer gerockt wie kaum ein Team vor ihm.
       Er ist nicht durch den sprichwörtlichen Bayern-Dusel zum Henkelpott
       gekommen, nicht durch eine glückliche Fügung oder eine Formschwäche des
       Gegners, nein, dieser FC Bayern München des Coronajahres 2020 steht sehr
       verdient auf dem Olymp des kontinentalen Fußballs.
       
       Der Klub hat nicht nur alle Spiele in der Eliteklasse gewonnen und dabei
       beeindruckende 43 Tore geschossen (3,91 pro Spiel), er hat sich auch am
       eigenen Schopf aus dem Schlamassel gezogen, als wäre es das Normalste der
       Welt. Noch im Herbst vergangenen Jahres schien das Gefüge des deutschen
       Dauermeisters merkwürdig fragil. Die Konkurrenz witterte Morgenluft. Man
       sprach davon, dass der FC Bayern lange brauchen werde, um sich wieder zu
       finden und jene Hegemonialmacht zu sein, die die anderen das Fürchten lehrt
       und allzu oft für ein Klima der Langeweile und Berechenbarkeit sorgt.
       
       Aber das Comeback der unwiderstehlichen Bayern glückte viel schneller als
       gedacht. Die Selbstheilungskräfte des FC Bayern waren offenbar immens, und
       das unter einem Trainer, den viele nicht ganz so ernst nahmen: [1][Hansi
       Flick]. Auch er selbst hielt sich ja nur für eine Interimslösung, sah sich
       als Platzhalter für einen internationalen Großtrainer. Doch Flick, der das
       für den Klub so wichtige „Bayern-Gen“ in sich trägt, also ein intimes
       Verständnis hat von den Abläufen und der Kultur im Klub, war der richtige
       Mann zur richtigen Zeit, weil er es fertigbrachte, die Teamhierarchie
       wiederherzustellen.
       
       ## Metamorphosen im Team
       
       Thomas Müller spielte sich mit seinem unorthodoxen, aber sehr effektiven
       One-Touch-Fußball wieder in den Mittelpunkt, Manuel Neuer kam wieder in
       2014er-WM-Form. Auch Jerome Boateng gelang die Metamorphose vom Problemfall
       zum Abwehrstabilisator. Die für den FC Bayern München so wichtigen
       Flügelspieler [2][Alphonso Davies], Serge Gnabry und Kingsley Coman
       schienen sich für einen 100-Meter-Titel in der deutschen Leichtathletik zu
       empfehlen.
       
       Das Forechecking der Bayern entwickelte sich zu einem Horrortrip für den
       Gegner. Wer immer auch kam, die Bayern nervten ihn mit ihrem permanenten
       Auf-den-Füßen-Stehen kolossal. Auch Finalgegner Paris entkam dem
       Bayern-Stress oft nur durch hohe, spekulative Bälle in die Spitze. Wollte
       Paris kombinieren, verfingen sie sich nicht selten im Netz der Roten, und
       wenn sich das Star-Ensemble von Scheichs Gnaden doch einmal durchsetzte,
       wehrte Neuer die Bälle mit großer Selbstverständlichkeit ab.
       
       Bayerns klug dosierter Ballbesitz-Fußball, die Konzentration aufs
       Hochgeschwindigkeits-Flügelspiel und die individuelle Klasse von Leuten wie
       Robert Lewandowski oder Seidenfuß Kimmich waren die Grundpfeiler für den
       Erfolg, am wichtigsten war aber wohl, dass die Kicker wieder in sich
       ruhten.
       
       Hansi Flick hat gesagt, dass er gar nicht so viel verändern musste, und das
       wird wohl stimmen, denn in Kollektiven von Hochbegabten geht es oftmals
       darum, ein Klima der Inspiration und des Vertrauens zu schaffen. Die
       Spieler wollen sich wohl fühlen, Spaß haben. Und anderen den Spaß
       verderben. Das schweißt zusammen und potenziert vorhandenes Talent.
       
       24 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Interimscoach-beim-FC-Bayern/!5635501
   DIR [2] https://www.bundesliga.com/en/bundesliga/news/alphonso-davies-from-refugee-to-bayern-munich-vancouver-whitecaps-canada-2762-1239
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Press-Schlag
   DIR Champions League
   DIR FC Bayern München
   DIR Hansi Flick
   DIR Fußball
   DIR Fußball
   DIR Champions League
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Champions League
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Hansi Flick vor Partie gegen FC Bayern: Der Ex-Freund kommt zu Besuch
       
       Hansi Flick meistert den komplizierten Trainerjob bei Barça mit seinem
       Harmoniebedürfnis und Pragmatismus bravourös. Nun kommt der FC Bayern.
       
   DIR Weltfußball bei Union Berlin: Flucht vor Ritter Keule
       
       Um ein Haar wäre der spanische Edelkicker Isco beim 1. FC Union Berlin
       gelandet. Was das wohl mit der Klub-DNA gemacht hätte – oder die mit ihm?
       
   DIR Champions-League-Pleite des BVB: Ratlos in Rom
       
       Dortmund enttäuscht bei Lazio Rom. Wieder bleibt das Team weit unter seinen
       Möglichkeiten – zur Genugtuung eines ehemaligen Borussia-Stürmers.
       
   DIR Bayern München gewinnt Champions League: Der 11. Sieg in Folge
       
       Fans feiern in München den Sieg im Champions-League-Finale. Ausschreitungen
       in Paris. Coman erzielt Siegtreffer per Kopf.
       
   DIR Rassismus bei FC Bayern München: Falsche Loyalitäten
       
       Der FC Bayern hat einen Jugendtrainer wegen Rassismus entlassen. Die
       Vorwürfe waren lange bekannt, das Schweigen ist systemisch.
       
   DIR Champions-League-Sieger steht schon fest: Der Clássico von Katar
       
       Aus Sicht des Emirats stehen im Finale der Königsklasse mit Paris St.
       Germain und dem FC Bayern zwei katarische Traditionsteams. Kann man so
       sehen.