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       # taz.de -- Beam mich zu Juli, Teleporter!
       
       > Musikalische Avatars im Kampf mit Studiosofa, Studiopalme und Schlagzeug:
       > Die Band Juli trat im virtuellen Raum von Second Life auf – unsere
       > Autorin war fast dabei
       
       VON KIRSTEN RIESSELMANN
       
       Am Sonntagabend um halb acht soll die Band Juli – die Band, deren Lied „Die
       perfekte Welle“ vergangenes Jahr nach dem Tsunami Radioverbot bekam – in
       Second Life auftreten. „Hautnah“ soll man sie „als erste deutsche Band“ im
       „virtuellen Raum erleben“ können. Avisiert sind ein Interview beim
       Second-Life-Fernsehsender Life 4-U und eine Dreiviertelstunde Zeit für
       Fanfragen – die Fans müssen natürlich als Avatars im virtuellen Studio
       zugegen sein und dann die Avatars der Bandmitglieder anchatten. Dann sollen
       Juli noch ihr neuestes Video „Zerrissen“ vorstellen.
       
       Lädt man Second Life hoch, sagt das Programm „Initializing world“. Das
       finden Greenhorns wie ich erst mal toll. Ich drücke den Knopf, der mich
       direkt in das virtuelle Fernsehstudio teleportieren soll. Aber: „Die
       Region, die Sie betreten möchten, ist zurzeit überfüllt.“ Schon eine halbe
       Stunde vor Eventbeginn. „Sie werden in eine nahegelegene Region gebracht.“
       Mein Avatar, ein Mädchen mit zwei dicken schwarzen Zöpfen und einem
       Herztattoo auf dem Oberarm, steht in einer bukolischen Gegend, steinerne
       Rundbögen und ein Brünnele verstrahlen griechische Agora-Stimmung. Ein
       roter Pfeil weist die Richtung zum Fernsehstudio. Ich fliege, um schnell
       Strecke zu machen. Mir bleiben noch 25 Minuten. Ich bin noch 35.000 Meter
       von meinem Ziel entfernt, sagt das Second-Life-GPS.
       
       Unter mir Einfamilienhausträume, Palmenoasen, Einhörner. Dann nur noch
       Wüste. Ich fliege einer roten Abendsonne entgegen, ab und an muss ich
       meinen Kurs ändern, weil Gebiete von Privatinvestoren abgeriegelt sind und
       nicht einfach so durchquert werden dürfen. Nach fünf Minuten Flug habe ich
       noch 32.000 Meter vor mir. Der Teleporter weigert sich weiterhin, mich zu
       Juli hinzubeamen.
       
       Ich fliege zurück zur Agora. Dort stehen mittlerweile eine ganze Menge
       Avatars herum. Ich nutze die Chat-Funktion. Ob sie auch zu Juli wollen? Ja.
       Was man denn jetzt tun könne? Ein Avatar namens Soul Allen schlägt
       alternative Aktivitäten vor, schwimmen oder tanzen. Die meisten anderen
       wollen „nur zu Juli, sonst nichts“. Ich lasse mich blauäugig von Soul Allen
       in eine leere Salsa-Bar bringen, in der ich mit der rechten Maustaste
       peinliche Tanzversuche starte. Soul Allen nutzt meine Unbeholfenheit und
       kommt mir zu nahe. Ich beende das Programm.
       
       Auf der ganz normalen Juli-Homepage zeigt ein pupsiger Livestream, wie die
       Mitglieder von Juli mit Headsets auf den Köpfen vor Computermonitoren
       hocken. Ein Fan fragt den Bassisten Andreas „Dedi“ Herde, was sie sich von
       ihrem Second-Life-Auftritt erhofft hätten. „Dass das hier eine sehr strange
       Aktion wird.“ Da kiekst Sängerin Eva Briegel: „Jetzt habe ich gerade
       versucht, ein Top anzuziehen, das mir eine Userin geschenkt hat. Habe ich
       aber nicht geschafft. O Gott, ich glaube, ich bin zu alt dafür.“
       
       Der Livestream schaltet für eine Moment um, direkt hinein ins virtuelle
       Studio. Dort rennen die Avatars mit den Köpfen der Juli-Mitglieder dauernd
       gegen das Studiosofa und die Studiopalme. Nur der Schlagzeuger hält ein
       ganzes Schlagzeug in der Hand und weiß augenscheinlich nicht, wohin damit.
       
       24 Apr 2007
       
       ## AUTOREN
       
   DIR KIRSTEN RIESSELMANN
       
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