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       # taz.de -- Befristete, möblierte Wohnungen: Befristete Geschäftemacherei
       
       > Bezirke und Senat wollen den Trend zu zeitlich begrenzten Mietverträgen
       > für möblierte Wohnungen stoppen. Doch ganz so schnell wird das nicht
       > gehen.
       
   IMG Bild: Hauptsache, Innenstadtlage
       
       Berlin taz | Im Grundsatz sind sich alle einig, vom grünen Baustadtrat im
       rebellischen Friedrichshain-Kreuzberg über seinen Kollegen von der CDU in
       Charlottenburg-Wilmersdorf bis hin zum Senat und der kommenden
       Bundesregierung: Dass immer mehr [1][Wohnungen zeitlich befristet und
       möbliert vermietet werden], torpediert das Ziel, den Wohnungsmarkt
       bezahlbar zu halten. Doch bis das [2][Geschäftsmodell] wirksam
       zurückgedrängt werden kann, werden wohl noch Jahre vergehen.
       
       Immerhin, ein Aufschlag ist gemacht. Florian Schmidt, Stadtrat in
       Friedrichshain-Kreuzberg, spricht gar von einem „Schocksignal an die
       Betreiber“, das sein Bezirk zuletzt ausgesendet hat. Seit Mitte Januar gilt
       dort eine Nutzungsuntersagung für möbliertes Wohnen auf Zeit, zumindest in
       Milieuschutzgebieten, die aber einen Großteil des Bezirks – und der
       Berliner Innenstadt – ausmachen.
       
       Bürger:innen sind aufgefordert, [3][über eine Plattform Hinweise
       weiterzugeben], wenn der Verdacht auf solcherlei Wohnformen besteht. Nach
       nur wenigen Wochen sind Verfahren gegen zwölf Vermieter, teils wegen
       mehrerer Wohnungen eingeleitet, zu ersten Anhörungen soll es schon bald
       kommen.
       
       Ein Blick auf die Wohnungsportale zeigt: Das Angebot an fertig
       eingerichteten Wohnungen, die nur für drei, sechs oder neun Monate
       vermietet werden, ist riesig. Schon 2022 entfielen mit 30.000 Inseraten 54
       Prozent aller Wohnungsangebote auf möbliertes Wohnen, in
       Friedrichshain-Kreuzberg waren es sogar 70 Prozent. Es ist der Supertrend
       der Wohnungsbranche, denn er ist super profitabel.
       
       Eine [4][Marktanalyse von 2024] kommt zu dem Schluss, dass Berlin
       „herausragender Hotspot“ dieses Segments ist und „mit einer Preisdifferenz
       von 8,01 Euro zwischen möblierten und unmöblierten Wohnungen“ im
       Städtevergleich führe. Während normale Wohnungen für durchschnittlich 15
       Euro pro Quadratmeter angeboten werden, werden für möblierte 23 Euro
       fällig.
       
       ## Ein Urteil fehlt
       
       In Friedrichshain-Kreuzberg wurde man schon frühzeitig auf das Phänomen
       aufmerksam und untersagte einem Vermieter an der Weberwiese die Vermietung
       von vier möblierten Wohnungen. Mitte Januar sollte es zum Prozess kommen,
       doch der Vermieter zog kurzfristig seine Klage zurück. Stadtrat Schmidt
       interpretierte dies als „taktische Flucht vor einer Grundsatzentscheidung“
       und kündigte an, die Rechtsauffassung des Bezirksamts ab jetzt systematisch
       anzuwenden. Schließlich sei es den Menschen nicht zuzumuten, weitere Jahre
       auf eine Gerichtsentscheidung zu warten.
       
       Rückendeckung gab es im Sommer 2024 aus Charlottenburg-Wilmersdorf. Ein vom
       Bezirksamt in Auftrag gegebenes [5][Rechtsgutachten kam zu dem Schluss,
       dass die Kurzzeitvermietung möblierter Wohnungen eine Nutzungsänderung
       darstellt], die in Milieuschutzgebieten genehmigungspflichtig ist, da „die
       Wohnung der Wohnbevölkerung, deren Zusammensetzung es zu schützen gilt,
       künftig nicht mehr zur Verfügung steht“. Die Berliner Mietergemeinschaft
       nennt ein weiteres Problem: „Die besonders hohen Mieten gehen auch in den
       Mietspiegel ein und treiben damit alle Mieten nach oben.“
       
       Seit September fragt der Bezirk in allen Genehmigungsverfahren zu
       Bauprojekten in Milieuschutzgebieten, ob Wohnungen unbefristet und
       unmöbliert vermietet werden sollen – und erteilt nur dann eine Genehmigung.
       Nach Fertigstellung werde dies auch stichprobenartig kontrolliert, sagt
       CDU-Stadtrat Christoph Brzezinski.
       
       Zudem wurden in zwei Fällen bestehender Vermietungen von großen, auf diese
       Form spezialisierten Unternehmen Verfahren eingeleitet; die
       Nutzungsuntersagungen werden mit externer Rechtsberatung erarbeitet. Dass
       die Vermieter dagegen klagen werden, hält Brzezinski für
       höchstwahrscheinlich. Schließlich „entziehe man ihnen ein Stück weit die
       Geschäftsgrundlage“. Noch dieses Jahr könnten die Fälle vor Gericht landen,
       eine Entscheidung werde dann aber eher zwei Jahre dauern.
       
       ## Befristungsgründe zählen nicht
       
       Laut Gesetz dürfen Verträge nur befristet laufen, wenn ein besonderer Grund
       vorliegt, nach Ablauf des Mietverhältnisses der Vermieter oder ein
       Angehöriger selbst einziehen möchte, die Wohnung zu einer Werkswohnung wird
       oder eine Sanierung der Wohnung ansteht. In den Bezirken geht man davon
       aus, dass dies regelmäßig nicht zutrifft. Und selbst wenn, ändert das
       nichts an ihrer Rechtsauffassung, dass eine Befristung dann immer noch mit
       den Zielen des Milieuschutzes kollidiert.
       
       Kürzlich gab es eine Fachtagung mit zehn Bezirken über die Regulierung
       dieser Wohnformen, eine nächste ist für diesen Mittwoch geplant. Auch
       Neukölln hat daran großes Interesse, wie Baustadtrat Jochen Biedermann
       (Grüne) sagt: Der Kampf gegen befriste Vermietungen „ist eine der
       zentralsten Fragen, die auch über die Frage der Existenzberechtigung von
       Milieuschutz entscheidet“, so Biedermann. Die Bezirke müssten jetzt
       „dringend Hebel finden“, auch, wenn er präferieren würde, dass der Bund
       tätig wird.
       
       Ins Verhandlungspapier von CDU/CSU und SPD auf Bundesebene hat es der Satz
       geschafft: „In angespannten Wohnungsmärkten werden Indexmieten bei der
       Wohnraumvermietung, möblierte und Kurzzeitvermietungen einer erweiterten
       Regulierung unterworfen.“ Ob dem so ist und, wenn ja, wie schnell etwas
       folgt, ist nicht absehbar.
       
       Auch im Senat ist man sich der Problematik bewusst, obwohl mit der
       landeseigenen Berlinovo ein großer Player am Markt ist, der in ganz Berlin
       7.000 Serviced Apartments anbietet. Die Senatsverwaltung für
       Stadtentwicklung schreibt auf Anfrage von „hohen bis sehr hohen Mieten“
       durch die Zeit-Wohn-Modelle, die für Bewohner:innen „finanziell nicht
       darstellbar“ sind. Aus diesem Grund „präferiert“ die
       Stadtentwicklungsverwaltung die Meinung des Gutachtens aus
       Charlottenburg-Wilmersdorf. „Ein berlinweit einheitliches Vorgehen ist
       daher geboten.“ Geprüft würde nun, „welche rechtlichen und finanziellen
       Risiken mit einer einheitlichen Steuerung der Wohnen-auf-Zeit-Modelle
       angesichts fehlender Präzedenzfälle verbunden sind“.
       
       Wenn die Bedenken nicht überwiegen, könnten im Anschluss die
       Ausführungsvorschriften für Milieuschutzgebiete um ein Verbot
       entsprechender Verträge ergänzt werden – und damit als Handreichung für
       alle Bezirke gelten. Es könnte der Anfang vom Ende dieses Geschäftsmodells
       sein.
       
       8 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
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   DIR [3] https://www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/politik-und-verwaltung/aemter/stadtentwicklungsamt/stadtplanung/gruppe-erhaltungsgebiete/formular.1436228.php
   DIR [4] https://realestatepilot.com/boom-moeblierter-wohnungen-auch-in-mittelstaedten/
   DIR [5] /Vorgehen-gegen-moebliertes-Wohnen/!6014525
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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