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       # taz.de -- Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus: Staat spart sich Förderzusage
       
       > Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Niedersachsen hilft, wenn
       > sich Rechtsextreme vor Ort breit machen. Doch die Finanzierung für 2025
       > wackelt.
       
   IMG Bild: Rechte Bedrohung ist real: Rechtsradikale am Rande einer Kundgebung der Querdenker in Düsseldorf im Dezember 2020
       
       Hamburg taz | Die [1][Mobile Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus
       (MBT)] steht möglicherweise vor dem Aus. Die Mitarbeiter*innen
       erwarten die Kündigung bis Ende des Monats. Denn weder der Bund noch das
       Land Niedersachsen haben dem Trägerverein „Weser Aller Bündnis: Engagiert
       für Zivilcourage und Demokratie“ (Wabe) bisher die Finanzierung der Arbeit
       im kommenden Jahr verbindlich zugesagt.
       
       Die MBT informiert über die Ideologie der Ungleichwertigkeit von Menschen
       und gibt Beistand bei der Auseinandersetzung mit der extremen Rechten.
       „Statt nach [2][den Wahlerfolgen der AfD] die Beratungen zu stärken, werden
       sie geschwächt“, sagt Gunda Schmidtke, Ehrenvorsitzende von [3][Wabe]. „Ich
       bin wirklich erzürnt und aufgebracht.“
       
       Am 22. August hatte der Trägerverein in einem Offenen Brief an die
       Landesregierung auf die Situation [4][hingewiesen]. 75
       Kooperationspartner*innen unterschrieben eine
       Unterstützungserklärung. Die Reaktion der rot-grünen Landesregierung auf
       den Brief? Gab es nicht, zumindest „keine offizielle“, wie Schmidtke sagt.
       Weder habe ein Telefonat stattgefunden noch sei ein Gesprächstermin
       vereinbart worden.
       
       Der Verein mit Sitz in Verden ist nun genötigt, zum Ende des Jahres die 16
       Mitarbeiter*innen zu entlassen. Elf von ihnen sind landesweit in der
       Beratung tätig. Der Verein plant, die Regionalbüros in Oldenburg und
       Hildesheim aufzulösen und auch die Räumlichkeiten in Verden abzugeben.
       Miet- und Leasingverträge müssen gekündigt werden: Ohne staatliche Mittel
       kann der Verein die Arbeit nicht finanzieren. Sie befürchte
       hochprofessionelle und kompetente Mitarbeiter*innen zu verlieren, so
       Schmidtke zur taz. Diese hätten an ihren Einsatzorten „Kontakte und
       Vertrauen nach und nach aufgebaut“.
       
       Die MBT unterstützt Personen und Projekte bei deren Engagement gegen
       Rassismus oder Antisemitismus, und sie hilft dabei, sinnvoll auf
       unterschiedlichste Formen von Rechtsextremismus zu reagieren. Hängt der
       Nachbar beispielsweise eine Reichskriegsflagge im Garten auf, entwickeln
       die MBT-Teams auf Anfrage orts- und situationsbezogene Strategien gegen
       eine drohende Dominanz rechtsextremer Gruppierungen.
       
       Die Nachfrage ist groß: In diesem Jahr gebe es schon jetzt so viele
       Anfragen und Betreuungen wie im ganzen vergangenen Jahr, sagt Kristin
       Harney, Projektleiterin der MBT. Die Situation habe sich verschärft.
       Zugleich bemerkt sie eine gewachsene Sensibilisierung.
       
       Auch die Nachrichten über das Treffen von Neonazis, AfD-Funktionären und
       rechten CDU-Angehörigen am 10. Januar in Potsdam dürfte dazu beigetragen
       haben. Die [5][Enthüllungen des Recherche-Kollektivs Correctiv über dieses
       Geheimtreffen] hatten Anfang des Jahres eine [6][Welle von Demonstrationen
       gegen rechts und für Vielfalt] ausgelöst.
       
       In der Förderperiode des [7][Bundesprogramms „Demokratie leben!“] von 2020
       bis 2024 hat der Verein Wabe die MBT-Strukturen aufgebaut. Die Arbeit wird
       größtenteils vom Bundesfamilienministerium finanziert. Der Verein ist
       Partner des Demokratiezentrums beim Landespräventionsrat Niedersachsen. Im
       Jahr 2024 wurde ein Beitrag zur Finanzierung erstmals über die sogenannte
       „[8][politische Liste“ im Landeshaushalt] bereitgestellt.
       
       In ihrem Koalitionsvertrag haben SPD und Grüne versprochen, eine
       „dauerhafte Finanzierung zivilgesellschaftlicher Initiativen gegen
       Rechtsextremismus“ sicherzustellen. In Hannover scheinen die
       Entscheidungsträger jedoch auf Berlin zu warten – auf das Ergebnis der
       dortigen Haushaltsberatungen.
       
       So versichert auf Nachfrage der taz Michael Lühmann, innenpolitischer
       Sprecher der Landtags-Grünen, die Arbeit der MBT sei „von unschätzbarem
       Wert“ gerade angesichts der Angriffe von Rechtsaußen auf die Demokratie.
       Doch sei der Bund in der Pflicht, das „Demokratie leben“-Folgeprogramm
       auszustatten, um eine lückenlose Finanzierung auch im Jahr 2025 zu
       gewährleisten. Man gehe davon aus, dass die Gelder auch im kommenden Jahr
       bewilligt würden und dies auch „sehr zeitnah kommuniziert“ werde.
       
       Auf Landesebene sei man bereit, seinen Teil beizutragen und mit einem
       [9][niedersächsischen Demokratiefördergesetz] die Unterstützung zu
       verstetigen. Allen Absichtsbekundungen zum Trotz: Sollten die Mittel zu
       spät bereitgestellt werden, könnten die bisherigen Projekte bereits
       aufgelöst sein. Dann müssten erst wieder neue Strukturen aufgebaut werden,
       befürchtet der Trägerverein. Das wäre im Sinne nur der
       AfD-Landtagsfraktion: Der ist die Förderung der MBT schon lange ein Dorn im
       Auge.
       
       16 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://mbt-niedersachsen.de/
   DIR [2] /Gruener-Wahlkampf-in-Brandenburg/!6033861
   DIR [3] https://www.wabe-info.de/mobile-beratung-gegen-rechtsextremismus/
   DIR [4] https://www.kreiszeitung.de/lokales/verden/verden-ort47274/verein-wabe-ueberreicht-brandbrief-fuer-die-demokratie-93258973.html
   DIR [5] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen/
   DIR [6] /Analyse-der-Demos-gegen-Rechtsextreme/!5995645
   DIR [7] https://www.demokratie-leben.de/
   DIR [8] https://www.ulf-prange.de/2023/11/14/politische-liste-der-regierungsfraktionen-2024/
   DIR [9] /Demokratiefoerdergesetz-gefordert/!6006075
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Speit
       
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