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       # taz.de -- Bergbau in der Tiefsee: Große Erwartungen an neue Chefin
       
       > Die Meereskundlerin Leticia Carvalho wird Chefin der Internationalen
       > Meeresbodenbehörde. Kann sie rohstoffhungrige Konzerne in Schach
       > halten?
       
   IMG Bild: Leticia Carvalho im Juni in New York
       
       Berlin taz | Meereskundlerin statt Anwalt – die Internationale
       Meeresbodenbehörde ISA hat am Freitag eine neue Generalsekretärin bekommen.
       In Kingston auf Jamaika wählten die ISA-Mitgliedstaaten die Brasilianerin
       Leticia Carvalho und straften den langjährigen Behördenchef Michael Lodge
       ab. Der Brite hatte sich um eine dritte Amtszeit beworben, ihm waren aber
       eine intransparente Amtsführung sowie eine zu große Nähe zu Unternehmen der
       Bergbaubranche nachgesagt worden.
       
       Carvalho blickt auf eine lange Karriere als UN-Diplomatin zurück; bei
       Umweltverbänden nährt sie die Hoffnung auf einen besseren Schutz der
       Ozeane. Ihr Amt wird sie im kommenden Jahr in schwierigen Zeiten antreten.
       
       [1][Während die Staatengemeinschaft immer noch um Formulierungen zu einem
       Abkommen ringt], das einen nachhaltigen, kommerziellen Tiefseebergbau
       garantieren soll, schaffen Unternehmen und einzelne Länder Fakten. So plant
       der kanadische Konzern The Metals Company (TMC), in der
       Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik zwischen Mexiko und Hawaii Manganknollen
       abzubauen. Der Meeresboden liegt dort 4.000 bis 6.000 Meter unter der
       Oberfläche. Dazu würde der kleine Inselstaat Nauru einen Antrag bei der ISA
       einreichen.
       
       Zwar haben sich die Staaten darauf geeinigt, dass erst mit Tiefseebergbau
       begonnen werden soll, wenn es ein Regelwerk gibt. Doch weil ein solcher
       „Mining Code“ absehbar nicht existieren wird, ist unklar, wie die
       Entscheidung der ISA ausfallen würde. Auf ihrer Generalversammlung hat
       Nauru auf jeden Fall erneut betont, die internationale Gemeinschaft habe
       die Pflicht, die Entwicklung und Förderung dieses Sektors auf
       verantwortungsvolle und nachhaltige Weise im Rahmen des UN-Seerechtsrahmens
       zu unterstützen.
       
       ## Manganknollen als Sauerstofflieferanten
       
       Über das zu erwartende Ausmaß der Zerstörung lässt sich derzeit allerdings
       nur spekulieren, da die Tiefsee als größtes Ökosystem der Welt noch wenig
       erforscht ist. 2023 hatte ein Forschungsteam in der Zeitschrift Current
       Biology geschätzt, dass in der Clarion-Clipperton-Zone 5.580 Tierarten
       leben. Kürzlich berichtete ein Forschungsteam im Fachjournal Nature
       Geoscience, dass Manganknollen entgegen bisherigen Erkenntnissen Sauerstoff
       erzeugen können. Demnach vermuten die Wissenschaftler, dass der Sauerstoff
       in großer Tiefe durch Elektrolyse des Meerwassers entsteht, es also in
       Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt wird. Das widerspräche der bisherigen
       Annahme, dass in der Tiefsee Sauerstoff nur aufgenommen und nicht erzeugt
       wird. Zur Sauerstoffherstellung durch Photosynthese braucht es Sonnenlicht.
       
       Wegen der großen Umweltbedenken haben sich inzwischen 32 der 168
       ISA-Mitgliedstaaten für ein Moratorium, also eine vorsorgliche Pause oder
       ein Verbot des Tiefseebergbaus ausgesprochen, darunter Deutschland und
       Österreich. Die von diesen Staaten vorgeschlagene Grundsatzregelung zum
       Schutz der Meeresumwelt kam am Freitag jedoch nicht auf den nötigen
       Konsens.
       
       Laut Greenpeace-Meeresexpertin Daniela Herrmann „ist entscheidend, dass
       weitere Länder dem Beispiel folgen und den Widerstand gegen den drohenden
       Start des Tiefseebergbaus stärken“. Der Vorschlag für eine allgemeine
       Grundsatzregelung sei dazu ein wichtiges Instrument. Herrmann, die die
       Verhandlungen in Kingston verfolgte, kritisiert einen möglichen Antrag auf
       Tiefseebergbau von TMC. „Die Einreichung eines Abbauantrags würde sich
       gegen die international vereinbarten Vorgehensweisen richten und einmal
       mehr beweisen, [2][dass TMC auf schnellen Profit aus ist und keine
       Rücksicht auf die Zerstörung der Tiefsee nimmt]“, so Hermmann.
       
       4 Aug 2024
       
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