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       # taz.de -- Berliner Dokumentarfilm: Häusliche Gewalt kann jede treffen
       
       > Der Dokumentarfilm „Zuflucht nehmen“ ist etwas besonderes: Regisseurin
       > Selina Höfner ist vom Fach und stellt Frauen nicht als Opfer dar.
       
   IMG Bild: Hinter jedem Fenster kann häusliche Gewalt stattfinden
       
       Berlin taz | Es gibt wenige Themen, die uns klar erscheinen und die wir
       vielleicht gerade deswegen von uns wegzuschieben bereit sind. Es sind
       Themen wie der Klimawandel, steigende Lebenskosten, häusliche Gewalt. Wenn
       wir Glück haben, schafft es jemand, die Themen so an uns heranzutragen,
       dass wir sie emotional begreifen. So wie der [1][Dokumentarfilm „Zuflucht
       nehmen“], der sich mit häuslicher Gewalt in Berlin beschäftigt.
       
       Der Premierenabend am Montag im Babylon Mitte beginnt mit einer Begrüßung
       der Produzentin Selina Höfner und einer Überraschung: Vor diesem Projekt
       habe sie noch nie im Film gearbeitet, erzählt sie. Ihr sei durch ihre
       Arbeit als Sozialarbeiterin „im Antigewaltbereich“ bewusst, wie wenig über
       das Thema bekannt sei. Es sei ihr wichtig gewesen, betroffene Frauen und
       Sozialarbeiter*innen zu Wort kommen zu lassen. Diese beiden
       Perspektiven sind es, durch die der Film eine Geschichte vom Kampf um
       Freiheit und Sicherheit erzählt.
       
       Während Betroffene sonst häufig auf Gewaltschilderungen und somit eine
       Opferrolle reduziert werden, verzichtet dieser Film größtenteils darauf,
       konkret zu werden, und konzentriert sich auf einen Ermächtigungsprozess. So
       begleiten Zuschauende eine anonyme Betroffene von der Hoffnung „Maybe
       tomorrow is a better day“ bis zum Entschluss: „Ich muss jetzt denken wie
       eine alleinerziehende Mutter.“
       
       Und während Sozialarbeiter*innen sonst meist als Expert*innen zu
       Wort kommen, lässt der Film Raum für ganze Menschen. Hier sprechen nicht
       nur Sozialarbeiter*innen, sondern auch Frauen, alleinerziehende Mütter und
       politische Personen. Menschen, die teils seit Jahrzehnten in diesem Bereich
       arbeiten und noch immer dazulernen, wie sie erzählen.
       
       ## Ein filmischer Aha-Moment
       
       Zwischen den Protagonist*innen stehen teils lange Bilder von
       geometrischen Animationen und Häuserfassaden von Marzahn bis Schöneberg.
       Was anfangs gewöhnungsbedürftig erscheint, schafft eine persönliche Nähe
       und zugleich Raum zum Begreifen. So führt der Film Zuschauende zum
       „Aha-Moment, dass alle Frauen betroffen sein können“, wie es eine der
       Sozialarbeiterinnen beschreibt.
       
       Auch die gemeinsame Problemwelt zeigt, wie nah das Thema ist: Steigende
       Mieten und zu wenig Wohnraum werden im Film zu zentralen Problemen erklärt.
       Die Frauenhäuser seien dauerhaft voll – auch, weil es selbst mit
       Unterstützung bis zu zwei Jahre dauern kann, eine eigene Wohnung zu finden.
       
       In diesem Punkt habe sich die Arbeit sehr verändert, erzählt die
       Sozialarbeiterin Sabine, die nach der Wende gemeinsam mit Freund*innen
       einen Frauenraum eröffnet hat. Damals habe es viele freie Wohnungen
       gegeben, teils seien die ersten Monatsmieten sogar erlassen worden. Auch
       die Öffentlichkeit sei eine andere gewesen. Fotos und Videos zeigen
       Demonstrationen in den 1990er Jahren, unterlegt mit feministischer
       Punkmusik von heute.
       
       Zurück im Jahr 2022 zeigt der Film Aufnahmen eines Streiks von ein paar
       Dutzend Frauenhausmitarbeitenden vor dem Brandenburger Tor. Eine
       Protagonistin erzählt von einer Passantin, die zu ihr gesagt habe: „Das ist
       keine richtige Frauenbewegung, dafür seid ihr zu wenige.“ Nach diesem Film
       könnten sie mehr werden.
       
       17 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://zufluchtnehmen.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pia Stendera
       
       ## TAGS
       
   DIR häusliche Gewalt
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