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       # taz.de -- Berliner G-20-Polizei hat ein bisschen gefeiert: Dürfen Bullen die Sau rauslassen?
       
       > Nach einer Party in ihrer Unterkunft sind drei Hundertschaften nach
       > Berlin zurückbeordert worden. Von Strafen war die Rede. Ist das nicht ein
       > bisschen überreagiert?
       
   IMG Bild: Auch wenn es so aussieht: Die Berliner Bereitschaftspolizei ist hier nicht zum feiern unterwegs
       
       ## Na klar, Ihr Spießer!
       
       Berliner BereitschaftspolizistInnen haben ein bisschen gefeiert und damit
       bundesweit Schlagzeilen gemacht. Ein Foto zeigt sie mit Bierflaschen und
       Shishas, die Arme in Siegerpose erhoben. Berichten zufolge haben sie in
       Reihe an einen Zaun gepinkelt. Ein Polizistin soll mit einem Bademantel
       bekleidet auf dem Tisch getanzt und eine Waffe geschwenkt haben, ein
       Pärchen hatte angeblich Sex im Freien.
       
       Dass das dermaßen skandalisiert wurde, insbesondere von den
       Boulevardmedien, braucht einen nicht zu wundern, schließlich ist Sex der
       feuchte Traum eines jeden Schlagzeilenmachers. Mit etwas Abstand
       betrachtet, ist die ganze Empörung oder vielleicht treffender „Erregung“
       ziemlich spießig.
       
       Mal abgesehen von der Geschichte mit der gezückten Dienstwaffe – so sie
       denn stimmt – was ist denn schon groß passiert? Kollektives Schiffen ist
       ein Männerritual, und dass es Erwachsene miteinander treiben, gehört zum
       Lauf der Welt. Wenn jemand kein Problem damit hat, dass die KollegInnen
       dabei zusehen – bitteschön! Wir leben schließlich in einer Gesellschaft, in
       der Big Brother im Fernsehen läuft und Sex im Kino gezeigt wird. Wobei
       anzumerken ist, dass es freundlicher ist, Sex zu zeigen als Gewalt.
       
       Dem einen oder anderen dürften die Szenen aus der Bad Segeberger
       Container-Unterkunft vom Karneval, von Betriebsfeiern oder der Bundeswehr
       bekannt sein. Wer erzählt nicht gern, dass er einmal ein bisschen über die
       Stränge geschlagen hat? Die wilde Zeit von früher halt. Wer würde nicht
       gern mal selbst so eine Orgie erleben … eine klitzekleine?
       Avantgardistische Linke, die Blümchensex verhöhnen, dürfen erst recht kein
       Problem damit haben.
       
       Wären die drei Hundertschaften nicht verpfiffen worden, wäre nichts
       passiert. Keiner kam zu Schaden – außer vielleicht den KollegInnen aus
       Nordrhein-Westfalen in derselben Unterkunft, die um 3.30 Uhr aufstehen
       mussten. Aber ein bisschen Schlafmangel ist verschmerzbar und noch lange
       kein Grund zu petzen! Gernot Knödler
       
       ## Aus Prinzip nicht
       
       Natürlich spielt Schadenfreunde eine Rolle, wenn über die Entgleisungen der
       Berliner Bereitschaftspolizisten in Hamburg gesprochen wird. Aber das ist
       ein gutes Zeichen: Ein gesundes Rest-Unbehagen gegen die Autorität ist
       geblieben – in einer Zeit, in der nach Gesetzesverschärfungen jeder für
       eine menschliche Reaktion gegenüber Polizisten in den Knast gehen kann.
       
       Klar kann man sagen, dass jedem, auch Polizisten, vergönnt sein soll,
       ausgelassen zu feiern. Und vielleicht richten auch jene Beamten viel mehr
       Schaden an, die während der G-20-Demonstrationen ihre Knüppel nicht im
       Griff haben.
       
       Aber ob sich eben jene Party-Polizisten im Dienst wohlüberlegt und bedacht
       verhalten hätten? Man ahnt Schlimmstes. Absurd mutet an, dass sich die
       Hundertschaften nicht mal einen Tag benehmen konnten und ihnen langweilig
       wurde – an einem Ort, wo Flüchtlinge monatelang wohnen mussten.
       
       Der Suff- und Sex-Exzess der Berliner Jungbullen ist aber vor allem
       Ausdruck einer Kultur der Unantastbarkeit in der Polizei – nicht einmal von
       den eigenen Kollegen aus Nordrhein-Westfalen haben sie sich etwas sagen
       lassen.
       
       Wer sich etwa anhört, was Menschen schwarzer Hautfarbe von Kontrollen
       berichten, der weiß, wie oft Polizisten auch im Dienst über die Stränge
       schlagen und meinen, über dem Gesetz zu stehen. „Sie legen Einspruch gegen
       diese Polizeimaßnahme ein? Ach, wie niedlich.“ „Meine Dienstnummer? 110.“
       
       Wer die Schilderungen aus der Unterkunft in Bad Segeberg hört, kann sich
       auch vorstellen, wie Polizisten in eine Schunkelstimmung kommen, die
       Schikanen zu einem Vergnügen werden lässt.
       
       Es ist der Korpsgeist, der auf solchen Sauf- und Kotzgelagen geschmiedet
       wird und der dazu dient, gewalttätiges Fehlverhalten zu decken. Wer der
       Willkür der Polizei einmal ausgesetzt war, weiß, dass daran nichts witzig
       ist. Jean-Philipp Baeck
       
       30 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
   DIR Jean-Philipp Baeck
       
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