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       # taz.de -- Berliner Landeshaushalt 2026 und 2027: Berlin bling bling
       
       > Der Senat will richtig Geld ausgeben. Laut Entwurf so viel wie nie zuvor.
       > Dennoch soll gespart werden. Klingt widersinnig? Die wichtigsten
       > Antworten.
       
   IMG Bild: Money, money, money – must be funny: Laut Senatsentwurf soll Berlin im kommenden Jahr 43,8 Milliarden ausgeben können
       
       Berlin taz | Der Berliner Landeshaushalt für die Jahre 2026 und 2027 wird
       massiv aufgestockt. In beiden Jahren will das Land 43,8 beziehungsweise
       44,6 Milliarden Euro ausgeben, aktuell sind es gerade mal 40 Milliarden.
       Das sieht der am Dienstag vom schwarz-roten Senat beschlossene Entwurf für
       den kommenden Doppelhaushalt vor.
       
       ## Sind wir jetzt reich und sexy?
       
       Weder noch. Finanzsenator Stefan Evers (CDU) betont, dass sich das Land in
       einer „extrem angespannten Haushaltslage“ befindet. Zwar ist [1][der
       Haushalt für 2026 mit 43,8 Milliarden Euro und für 2027 mit 44,6 Milliarden
       Euro so hoch wie nie]. Noch 2020 standen dem Land mehr als 10 Milliarden
       weniger zur Verfügung.
       
       Allerdings sind auch die Ausgaben für Löhne gestiegen – sie haben sich
       innerhalb von 10 Jahren verdoppelt, etwa weil die Tarife für
       Landesangestellte gestiegen sind oder Beschäftigte befördert wurden.
       Gewerkschaften befürchten, dass die nun vorgesehenen Mittel nicht
       ausreichen, um auch die Löhne der Mitarbeiter:innen der freien Träger
       an die Tarife anzupassen.
       
       Auch wenn die Fortsetzung des Spar-Harakiri vom vergangenen Jahr ausbleiben
       soll: Sicher ist schon jetzt, dass bei allen Senatsverwaltungen weiter
       gespart werden soll. Die Kulturverwaltung etwa wird in den kommenden beiden
       Jahren zwar nicht noch mehr bluten als im laufenden Jahr. Faktisch bleibt
       das Budget aber auf dem heruntergeschraubten Niveau von unter 1 Milliarde
       Euro pro Jahr. „Wir haben das Maximum herausgeholt“, sagt Kultursenatorin
       Sarah Wedl-Wilson (parteilos, für CDU).
       
       ## Woher kommt plötzlich das Geld?
       
       Berlin sagt auch in diesem Jahr: Danke, Bayern! Tatsächlich will Berlin im
       kommenden Jahr 43,8 Milliarden Euro ausgeben, wird aber wohl nur 30,3
       Milliarden Euro über Steuern einnehmen. Der Rest kommt im Wesentlichen vom
       Bund und von anderen Bundesländern – Stichwort Länderfinanzausgleich.
       
       Dass Schwarz-Rot jetzt über das sonst auch Übliche noch ein paar Milliarden
       raufschmeißen kann, hat das Land dem Bund zu verdanken, der im Frühjahr die
       Schuldenbremse gelockert hat. Berlin kann dadurch aktuell Kredite in Höhe
       von rund 800 Millionen Euro pro Jahr aufnehmen. Zudem schielt der Senat auf
       Gelder aus dem vom Bund aufgelegten „Sondervermögen Infrastruktur und
       Klimaneutralität“. Insgesamt soll Berlin, über zwölf Jahre gestreckt, 5,2
       Milliarden Euro aus dem Sondertopf zugesteckt bekommen. Das sind gut 430
       Millionen pro Jahr.
       
       Mit den Worten des haushaltspolitischen Sprechers der CDU-Fraktion,
       Christian Goiny: „Damit kann man eine Menge machen.“ Wofür das Geld konkret
       verwendet werden soll, ist auch nach dem Beschluss des Haushaltsentwurfs
       unklar.
       
       ## Ist das ein Wahlkampfstunt?
       
       Selbstverständlich. Jüngsten Umfragen zufolge steht es um die Beliebtheit
       des Senats miserabel. Niemand in der Landesregierung dürfte ein
       gesteigertes Interesse an fortgesetzten Kürzungsprotesten haben. Am
       wenigsten die SPD, die bei der kommenden Abgeordnetenhauswahl im Herbst
       2026 unterzugehen droht. Aktuell kriecht die Partei in der Gunst der
       Berliner:innen bei 14 Prozent herum. Umso wichtiger ist es für die SPD,
       sich als soziales Gewissen der Koalition zu präsentieren.
       
       So schreibt sich die Partei auf die Fahnen, das mit über 180 Millionen Euro
       im Jahr zu Buche schlagende kostenfreie Schulmittagessen und das kostenlose
       Schüler:innenticket für den ÖPNV gegen Kürzungsbegehrlichkeiten der
       CDU verteidigt zu haben. Auch die CDU hat ihre Klientel fest im Blick, die
       Autofahrer:innen ebenso wie die Erwerber:innen von Immobilien. Weder
       an den Gebühren für Anwohnerparkausweise noch an der Grunderwerbsteuer wird
       gerüttelt.
       
       Schon länger drängeln die Sozialdemokrat:innen, den Steuersatz für den Kauf
       von Grundstücken und Grundstücksteilen von 6,0 auf 6,5 Prozent zu erhöhen
       und so geschätzt 100 Millionen Euro mehr im Jahr einzunehmen. Können sie
       gern drängeln, ändert aber nichts. Weil: CDU.
       
       ## Worüber beschwert sich die Opposition?
       
       Grüne und Linke haben drei Kritikpunkte. Erstens: [2][die
       Prioritätensetzung ist falsch.] Zweitens: dem Senat fehlt es an
       Verlässlichkeit. Drittens: die große Verliererin ist – in alter Manier –
       die soziale Infrastruktur und die dafür zuständigen Bezirke. Auch bedeuten
       die zusätzlichen Ausgaben nicht, dass Kürzungen nun der Vergangenheit
       anhören. Nur kämen diese künftig durch die Hintertür, weil
       Preissteigerungen und Tariferhöhungen nicht ausgleichen würden.
       
       Für die Opposition geht der plötzliche Richtungswechsel des Senats zulasten
       der mittel- und langfristigen Finanzierbarkeit von Projekten, Trägern und
       Personal. Die „finanzpolitische Achterbahnfahrt“ von Schwarz-Rot weise
       zudem auf eine fehlende politische Strategie hin, wie das „strukturelle
       Defizit zwischen Einnahmen und Ausgaben mittelfristig geschlossen werden
       kann“, bemängeln die Linken.
       
       Hat der Senat ein Einnahmeproblem? Ja, findet die Opposition – und macht
       Vorschläge, wie sich das ändern lassen könnte: mit der Erhöhung der
       Grunderwerbsteuer und der Parkgebühren (siehe oben).
       
       ## Wer verliert trotzdem?
       
       Grundsätzlich sind alle Verlierer, die wiederkehrende Kosten verursachen.
       Gewinner dagegen sind diejenigen, bei denen Ausgaben als (einmalige)
       Investitionen gesehen werden. So heißt es im Haushaltsentwurf für 2026/27,
       dass der Senat investieren will – „zielgerichtete Investitionen“ sollen
       Priorität haben. Etwa solche in Verkehr, Wohnungsbau, Sicherheit und
       Bildung.
       
       Ob ein Euro, den der Staat ausgibt, allerdings als Investition oder
       konsumptive Ausgabe gesehen wird, ist Definitionssache – und nicht
       gottgegeben. Pech allerdings, dass in der Bildung nur Schulbau und
       Digitalisierung als Investition gelten.
       
       Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hatte das selbst in einer
       Podiumsdiskussion zu aktuellen Kürzungen im Bildungsbereich bemängelt. „Das
       große Problem ist, dass wir diese strikte Unterscheidung haben“, sagte sie
       dort.
       
       Sie habe im Ausland gearbeitet und dort gesehen, wie mit
       Bildungsinvestitionen umgegangen werde und dass dort ganz andere
       Haushaltsregeln gelten. „Bildungspolitische Maßnahmen wie etwa Jugendarbeit
       sind alles konsumptive Mittel“, sagte sie. „Als ob wir da nur Ausgaben
       hätten und nie eine Rendite bei den jungen Menschen sehen würden“, betonte
       sie. „Es würde schon helfen, wenn die Neuverschuldung anders interpretiert
       werden würde, und ich mit meinen Senatskollegen darüber debattieren könnte,
       dass Bildungsmaßnahmen Investitionen sind – nicht nur Schulbau und
       Kitabau.“ Was aber hält sie davon ab, ihre Erfahrungen aus dem Ausland auf
       Berlin zu übertragen und diese Debatte im Senat zu führen?
       
       ## Wie viel kommt in den Bezirken an?
       
       Wie gesagt, auch die Bezirke verlieren. Sie bekommen zwar etwas mehr Geld,
       aber das gleicht die strukturelle Unterfinanzierung nicht aus. Dieses
       Problem wird auch nicht mit kurzfristigen, kreditfinanzierten Boostern
       gelöst, denn diese garantieren nicht das Überleben von sozialen
       Einrichtungen und Projekten nach 2027. [3][Soziale Träger, ihr Personal und
       die Nutzer:innen ihrer Angebote müssen sich mit einer permanenten
       Unsicherheit arrangieren].
       
       Und der Bedarf nach einer verlässlichen öffentlichen Daseinsvorsorge wird
       in den nächsten Jahren nicht sinken, im Gegenteil: steigende
       Lebenshaltungskosten, Mieten und Krankenkassenbeiträge führen dazu, dass
       sich das städtische Prekariat auf jene Gruppen ausdehnt, die bislang noch
       ohne öffentliche Unterstützungsangebote auskamen.
       
       ## Kann Berlin auch pleitegehen?
       
       Nein, ein Bundesland kann nicht pleitegehen, das ist gesetzlich
       ausgeschlossen. Bund, Länder und Kommunen stellen eine gesamtstaatliche
       Haftungsgemeinschaft dar. Kommt es hart auf hart, muss der Stärkere für die
       Schwächeren einstehen: die Länder für ihre Kommunen, der Bund für die
       Länder. In diesem Sinne gilt auch hier, schon mal präventiv: Berlin sagt
       Danke!
       
       24 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Berliner-Landeshaushalt-2026-und-2027/!6098969
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       ## AUTOREN
       
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