URI: 
       # taz.de -- Berliner Wald: Berliner Wald gesundgelächelt
       
       > Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) bringt frohe Kunde: Den Bäumen
       > geht’s ein bisschen besser – wohl wegen des etwas feuchteren Jahres.
       
   IMG Bild: Ihr Freund, der Baum, schweigt: Umwelt-senatorin Manja Schreiner (CDU)
       
       Berlin taz | Vor laufenden Kameras Bäumchen pflanzen und jungen Menschen
       die Hände schütteln: So einen Termin lassen sich Politiker*innen
       selten entgehen. Umweltsenatorin [1][Manja Schreiner] (CDU) ist sichtlich
       guter Laune, als sie am Mittwochmorgen an der Ruppiner Chaussee aus ihrem
       E-Dienstwagen steigt und ein paar Meter in den leicht verschneiten Tegeler
       Forst hineinläuft. Dabei sind die Nachrichten, die sie der versammelten
       Presse zu verkünden hat, nur so halb gut – für Optimisten. „Der
       Gesundheitszustand der Berliner Wälder hat sich etwas verbessert“, beginnt
       Schreiner. „Aber es gibt keinen Grund zu feiern.“
       
       Dann rattert sie ihre Satzbausteine zum [2][Waldzustandsbericht] 2023 mit
       festgefrorenem Lächeln im Gesicht herunter. 30 Prozent der Bäume zeigten
       „deutliche Schäden“, referiert sie und schiebt die „gute Nachricht“ gleich
       hinterher: In Berlin sterbe der Wald „nicht flächig wie in anderen
       Bundesländern“, etwa dem Harz, sondern nur vereinzelt.
       
       Das aber mehr denn je: Die „Mortalitätsrate“ der Berliner Wälder, führt der
       Leiter der Berliner Forsten, Gunnar Heyne, in Anschluss an Schreiner aus,
       ist von 0,4 Prozent (2022) auf 1,6 Prozent gestiegen und hat damit einen
       Höchststand erreicht. Konkret heißt das: Von 100 beobachteten Bäumen sind
       im vergangenen Jahr 1,6 gestorben. „Ein Ergebnis der vielen Jahre, in denen
       der Niederschlag unter dem langjährigen Mittel blieb“, heißt es im
       Waldzustandsbericht.
       
       ## Der Wald soll sich wandeln
       
       Doch erst einmal macht Schreiner weiter in Optimismus: Man arbeite ja
       daran, dass sich der Wald wandelt und den neuen Bedingungen anpasst, statt
       zu sterben. Und das Berliner Mischwaldprogramm, mit dem seit 2012 der
       Waldumbau – weg von der ollen Kiefer, hin zu mehr Laubbäumen – forciert
       wird, sei unter den „Top 10“ d[3][er deutschen Projekte zur UN-Dekade zur
       Wiederherstellung von Ökosystemen], verkündet sie.
       
       Auch dieses Jahr würden wieder 500.000 Laubbäume gepflanzt, „denn es ist
       unsere Verantwortung, den Berliner Wald für uns und unsere Kinder zu
       erhalten“, säuselt die Senatorin, im Hauptberuf Retterin von
       Autostellplätzen. 1,6 Millionen Euro lasse sich das Land die Pflanzungen
       pro Jahr kosten. Und noch eine „positive“ Zahl: Der Anteil der gesunden
       Bäume sei „leicht“ von 4 auf 6 Prozent gestiegen.
       
       Wie die Zahlen zu verstehen sind, erklärt Oberförster Heyne. Tatsächlich
       seien die „deutlichen Schäden“ an den Bäumen von 40 Prozent (2022) auf 30
       Prozent gesunken. Ob das aber „wirklich eine Trendwende“ sei und sich der
       [4][Wald erhole], hänge vom lokalen Wetter in nächster Zeit ab. „Es gab
       dieses Jahr reichlich Regen, auch der Schnee jetzt ist wirklich wichtig“ –
       der sickere nämlich langsam in die immer noch zu trockenen tiefen
       Bodenschichten.
       
       Wichtig zur Einordnung dieser Nachricht: Nur der Kiefer geht es besser, die
       mit 60 Prozent weiterhin die Mehrheit in den Berliner Forsten stellt, im
       Zuge des Waldumbaus aber eigentlich weniger werden soll. Der
       Forstamtsleiter führt aus: In diesem Jahr seien nur noch 14 Prozent
       „deutlich geschädigt“ (2022: 33 Prozent), und der Anteil an Kiefern ganz
       ohne sichtbare Kronenschäden stieg auf 6 Prozent (2022: 2).
       
       Bei den Eichen dagegen sei es „schlimmer geworden“, sagt Heyne: Der Anteil
       der Bäume mit „deutlichen Schäden“ stieg in einem Jahr von 49 auf 60
       Prozent. Der Forstleiter weist auf die Kronen zweiter Bäume vor ihm, 20
       Hälse von Journalist*innen und Forstmitarbeitenden drehen sich in die
       gezeigte Richtung: „Sie sehen hier bei den Eichen keinen Feinreisig“,
       erklärt er. Will sagen: Diese Bäume bekommen keine neuen Triebe mehr.
       
       ## Der Zustand der Eichen beunruhigt den Naturschutzbund
       
       Der Zustand der Eichen beunruhigt auch den Naturschutzbund Nabu, wie dieser
       am Mittwoch aus aktuellem Anlass mitteilte: „Keine Stieleiche ist ohne
       Schäden! Das macht uns große Sorgen, denn Eichen sind für unsere heimische
       Artenvielfalt unverzichtbar.“ Die Naturschützer fordern daher „noch bessere
       Erfassung der Artenvielfalt dieser Bäume im Mischwaldprogramm“ sowie „mehr
       alte, charakteristische Bäume und mehr Totholz“ im Wald.
       
       Und warum geht es den Kiefern jetzt besser? „Das kann ich nicht sagen“;
       gibt der Förster zu – „vermutlich“ aber wegen der größeren
       Niederschlagsmenge. Dass schon ein relativ feuchtes Jahr reicht, damit sich
       die Kiefer erholen kann, habe ihn überrascht. Denn einmal abgefallene
       Nadeln „sind für immer weg“, die „Lunge des Baumes“ sei damit dauerhaft
       geschädigt, der Baum könne weniger „assimilieren“, fachsimpelt Heyne – und
       meint, dass ein Baum mit weniger Nadeln weniger Nährstoffe produzieren
       kann.
       
       Zur Illustration hält er zwei Kiefernzweige hoch und zeigt, wo die
       diesjährigen Triebe anfangen. Beim gesunden hat der ganze Zweig, auch in
       den vorjährigen Trieben, Nadeln. Beim „kranken“ dagegen sind die
       vorjährigen Triebe kahl. Warum? Heyne hebt ratlos die Schultern:
       „Umweltbelastungen, Schadstoffe in der Luft, die Trockenheit.“
       
       ## Die Kiefer hat sich erholt
       
       Zum Schluss darf Manja Schreiner den Tegeler Forst noch ein wenig umwandeln
       helfen: Zusammen mit acht Azubis der Forstbetriebe schaufelt sie fotogen
       Erde in zwei Pflanzlöcher mit Vogelkirschen-Setzlingen. 1.000 dieser
       Bäumchen sollen in den nächsten Tagen gepflanzt werden.
       
       Auf die Frage der taz, ob Vogelbeeren im Kampf mit der Klimakrise besonders
       geeignet seien, weicht Heyne aus. Die Art habe früher zum hiesigen Wald
       gehört, erklärt er – bevor er vor 250 Jahren der Land- und Holzwirtschaft
       zuliebe abgeholzt und dann mit schnell wachsenden Kiefern wieder
       aufgeforstet worden sei. Nun versuche man, die alte Vielfalt
       wiederherzustellen.
       
       Gepflanzt wird hier und heute aber weiter in Reih und Glied wie in alten
       Nutzwald-Zeiten. Warum das? „Die Azubis sollen lernen, wie das geht“,
       erklärt der Förster. Obwohl man es heute, findet auch er, lieber
       „natürlich-unordentlich“ hätte im Wald.
       
       29 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Freie-Fahrt-fuer-Fahrraeder/!5972424
   DIR [2] /Waldsterben-in-Deutschland/!5953836
   DIR [3] https://www.undekade-restoration.de/projekte/das-berliner-mischwaldprogramm/
   DIR [4] /Waldzustandsbericht-2022/!5920227
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Memarnia
       
       ## TAGS
       
   DIR Wald
   DIR Manja Schreiner
   DIR Forstwirtschaft
   DIR Wald
   DIR Zukunft
   DIR Waldsterben
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Waldzustandsbericht Brandenburg 2023: Wenn die Kiefern wieder liefern
       
       Den märkischen Bäumen geht es laut dem Brandenburger Waldzustandsbericht
       deutlich besser als ihren Artgenossen in den Berliner Forsten. Aber warum?
       
   DIR Waldsterben in Deutschland: Kranke Bäume retten
       
       Unseren Wäldern geht es schlecht. Dabei brauchen wir sie im Kampf gegen den
       Klimawandel mehr denn je. Sechs Dinge, die wir jetzt tun können.
       
   DIR Waldzustandsbericht 2022: Fichte schlägt keine Wurzeln mehr
       
       Dürre, Hitze und Landwirtschaft: Das Waldsterben in Deutschland schreitet
       immer mehr voran. Vier von fünf Bäumen sind erkrankt.