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       # taz.de -- Berlusconi und die Justiz: Um Kopf und Ruby
       
       > Nichts als "gesellige Abende": So sieht Silvio Berlusconi seine
       > Sexpartys. Gegen Italiens Regierungschef laufen mehrere Verfahren. Eins
       > könnte gefährlich werden.
       
   IMG Bild: Hat sich nicht nur für Kameras schon in Pose geschmissen: Karima El Mahroug alias Ruby.
       
       ROM taz | Nein, Silvio Berlusconi will sich von den Staatsanwälten aus
       Neapel nicht befragen lassen, seit Tagen verweigert er ihnen einen Termin.
       Dabei ist er diesmal in der für ihn juristisch vergleichsweise glücklichen
       Situation, dass sie ihn bloß als Zeugen anhören wollen.
       
       Allerdings als Zeuge in eigener Sache: Berlusconi soll von dem windigen
       Unternehmer Gianpaolo Tarantini sowie dem Journalisten Valter Lavitola
       erpresst worden sein. Tarantini war es, der Berlusconi in den Jahren 2008
       bis 2009 Dutzende junge Frauen für die "geselligen Abende" (so Berlusconi
       über seine Sexpartys) zuführte - und dann im Fadenkreuz der Justiz landete.
       
       Wie jetzt herauskam, versorgte ihn Berlusconi daraufhin mit großzügigen
       Barzahlungen von 20.000 Euro monatlich, überwies zudem 500.000 Euro auf ein
       Konto des Mittelsmanns Lavitola. Erpresstes Schweigegeld, meint die
       Staatsanwaltschaft - doch Berlusconi sieht die Dinge anders. Bloß einer
       "notleidenden Familie" habe er helfen wollen, aus freien Stücken,
       "gegenstandslos" seien deshalb die Anschuldigungen gegen Tarantini und
       Lavitola.
       
       Diese Version schrieb Berlusconi in einem kurzen "Memorandum" auf, von
       Angesicht zu Angesicht will er sie den Staatsanwälten nicht bestätigen -
       aus gutem Grund. Schließlich geht es um den Kontakt des Regierungschefs zu
       Prostituierten in Kompaniestärke, zu "Escorts", die in Regierungsmaschinen
       mitflogen und denen Fernsehauftritte winkten, während Tarantini dank
       Berlusconi Kontakte zu Staatsunternehmen und zum Zivilschutz herstellen
       konnte. Die Millionenaufträge platzten nur, weil der Unternehmer im Jahr
       2009 verhaftet wurde.
       
       ## Causa Ruby
       
       Berlusconis Advokaten fürchten nun, der Regierungschef könne sich im Verhör
       um Kopf und Kragen reden. Als bloßer Zeuge nämlich hat er kein
       Aussageverweigerungsrecht, und er darf auch keine Anwälte zur Vernehmung
       mitbringen.
       
       Juristischer Ärger droht aber auch wieder aus Mailand, wo gleich fünf
       Verfahren gegen ihn anhängig sind. Berlusconi steht dort vor Gericht, weil
       er die Prostituierte Karima El Mahroug alias Ruby als Minderjährige
       kontaktiert und sie dann per Nötigung im Amt aus Mailänder Polizeigewahrsam
       befreit haben soll. Zwei weitere Verfahren drehen sich um
       Steuerhinterziehung im internationalen Filmhandel.
       
       Und letzte Woche wurde eine weitere Anklage erhoben: Berlusconi soll sich
       im Jahr 2007 illegal die Aufnahme eines Telefonats des damaligen
       Parteichefs der Linksdemokraten Piero Fassino beschafft haben - um dann in
       seinen Medien eine Kampagne gegen Fassino zu starten.
       
       Am meisten Sorge aber macht Berlusconi der fünfte Prozess. Er geht jetzt in
       die Schlussrunde, ein Urteil könnte schon im November fallen. Berlusconi
       soll in den neunziger Jahren den britischen Rechtsanwalt David Mills mit
       600.000 Dollar bestochen haben, damit der gegenüber der italienischen
       Justiz sein Wissen über Berlusconis Schwarzfirmenimperium in
       Steuerparadiesen für sich behielt.
       
       Das Verfahren gegen Mills endete letztes Jahr mit Freispruch - jedoch nur,
       weil die Anklage verjährt war. Das Gericht hielt explizit fest, der Brite
       sei bestochen worden. Auch Berlusconi setzt auf Verjährung: Für ihn tritt
       sie im Februar 2012 ein. Doch ein auch nur erstinstanzliches Urteil, das
       vorher seine Schuld feststellt, wäre politisch verheerend - auch wenn er
       die Haftstrafe nie würde antreten müssen.
       
       21 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Braun
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