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       # taz.de -- Bessere Subventionen als für Elektroautos: Was tun mit 600 Millionen Euro?
       
       > Jeder, der ein Elektroauto kauft, bekommt 4.000 Euro vom Staat. Das Geld
       > könnte man sinnvoller investieren. Wir hätten da einige Vorschläge.
       
   IMG Bild: Subventionierte Autos sind zum Schreien. Warum also nicht jeden Fahrradkauf mit 200 Euro fördern?
       
       ## Bahncard für 10 Millionen
       
       Wer gerne reist (oder wer reisen muss), kein Auto hat (oder haben will) und
       Inlandsflüge ablehnt, der braucht die Deutsche Bahn. Die ist aber nicht
       gerade preiswert: 260 Euro für einen Wochenendausflug von Berlin nach
       München – das sind ja über 500 Mark! Nein, das mag man sich nicht leisten.
       Also: Sparpreise oder Bahncard. Die Suche nach dem günstigsten Preis führt
       zu mehreren parallel geöffneten Browserfenstern und erfordert einiges an
       Geduld.
       
       Neidisch blickt der Suchende auf die seltene Spezies der Inhaber einer
       Bahncard 100. Freie Fahrt für ein Jahr. Kostet gut 4.000 Euro, ließe sich
       von besagtem Geld also 150.000-mal unters Volk bringen. Alternativ könnte
       man fast 2,5 Millionen Menschen die Bahncard 50 für ein Jahr schenken oder
       fast 10.000.000-mal die Bahncard 25 verteilen. Mögliches Auswahlkriterium:
       Wer sein Auto für ein Jahr abmeldet, bekommt eine Bahncard.
       
       ## 4.700 Kilometer Radwege
       
       Die Niederlande mal wieder, sehr innovativ: Ende 2014 wurde in Zaanstad
       nördlich von Amsterdam der erste Fahrradweg eröffnet, der dank eingebauter
       Solarzellen Strom erzeugt. In Betonquadern sind Solarmodule aus Silizium
       eingelassen und mit einer dicken Glasschicht bedeckt. Sie bilden die
       SolaRoad. 100 Meter versorgen etwa drei Haushalte.
       
       Das Pilotprojekt kostete 3,5 Millionen Euro, wobei der Großteil für
       Forschung und Entwicklung benötigt wurde. Würde man übrigens alle
       Verkehrsflächen Deutschlands mit Solarzellen ausstatten, könnte man das
       Eineinhalbfache des Stroms erzeugen, der insgesamt verbraucht wird. Doch es
       müssen ja nicht gleich Solarradwege sein. Laut Allgemeinem Deutschen
       Fahrradclub (ADFC) kostet ein Meter Radweg zwischen 124 und 134 Euro, je
       nachdem, ob er auf dem Land oder in der Stadt gebaut wird. Mit 600
       Millionen Euro ließen sich also etwa 4.700 Kilometer Radwege durch
       Deutschland bauen. Einen Großteil davon könnte man etwa den laut ADFC
       fahrradunfreundlichsten Städten Deutschlands spendieren: Bochum,
       Mönchengladbach und Wiesbaden.
       
       ## Kölner fahren kostenlos U-Bahn
       
       Lohnt sich das Monatsticket, oder genügt eine Kombination aus 4er-Tickets
       und Schwarzfahren? Brauche ich heute eine Tageskarte, oder lassen sich
       meine Fahrten mit der U- und S-Bahn sinnvoll zu zwei Einzeltickets
       kombinieren? Und sind wir eigentlich schon eine Kleingruppe? Die
       Preisgestaltung der Verkehrsbetriebe deutscher Großstädte ist ähnlich
       komplex wie die der Deutschen Bahn. Und ähnlich teuer kann es werden.
       
       Statt E-Autos zu subventionieren, könnte man alle Kölner fast ein Jahr lang
       kostenfrei den Nahverkehr nutzen lassen. Bundesweit auf kostenlosen
       Personennahverkehr umzustellen ließe sich damit nicht finanzieren. Diese
       Vorhaben würden laut Schätzungen rund 12 Milliarden Euro kosten. Allerdings
       könnten mit den 600 Millionen Euro im Schnitt ein Jahr lang alle
       Ticketpreise für Busse, U-, S- und Straßenbahnen um etwa 5 Prozent gesenkt
       werden.
       
       ## 3 Millionen Fahrräder zum Vorteilspreis
       
       Nachts hat es gehagelt, jetzt strahlt die Sonne trügerisch, denn es ist
       noch bitterkalt; und das im April. Per Carsharing zur Arbeit, mit der
       U-Bahn – oder mit dem alten Klapperfahrrad, das erst mal aufgepumpt werden
       muss? Die Entscheidung fiele leichter, stünde im Keller eines dieser
       Rennräder, leicht und schön und schnell. Warum also nicht jeden Fahrradkauf
       mit 200 Euro subventionieren? Immerhin 3 Millionen neue Fahrräder könnten
       so zum Vorteilspreis unters Volk gebracht werden. Würden die Hersteller
       ähnlich wie die von E-Autos zusätzlich Geld lockermachen, könnten es gar 6
       Millionen sein.
       
       ## Eine echte Abwrackprämie
       
       Die Abwrackprämie – euphemistisch als Umweltprämie deklariert – war ein
       Erfolg. 2009 beantragten innerhalb von sieben Monaten 1,7 Millionen
       Deutsche die 2.500 Euro, die es bei der Verschrottung eines Altwagens und
       gleichzeitigem Kauf eines Neu- oder Jahreswagens gab. Die
       Automobilhersteller freuten sich, die Umwelt nur so ein bisschen. Warum
       also keine echte Abwrackprämie, bei der keine neuen Autos gefördert werden?
       2.000 Euro könnte der Staat jedem zahlen, der seinen Führerschein abgibt.
       Das Geld würde immerhin für 300.000 Menschen reichen, die allerdings – um
       Abstauber zu verhindern – zeitgleich ihr Auto abmelden, verkaufen oder
       verschrotten müssten. Wer seinen Führerschein erneut machen wollte, müsste
       die 2.000 Euro freilich zurückzahlen.
       
       ## 300.000 E-Lastenräder
       
       Zwei Bierkästen ohne Auto? Geht kaum. Große Pflanzen, kleine Schränke, ein
       paar neue Stühle ohne Auto? Viel zu sperrig und zu schwer. Man kann sich
       ein Auto leihen oder das Möbeltaxi beauftragen. Gut für die Umwelt oder die
       Finanzen ist das nicht. Lastenfahrräder könnten eine Alternative sein. Im
       besten Falle gar E-Lastenräder – die gibt es schon ab 2.000 Euro. Der Bund
       könnte also gut 300.000 davon kaufen und sie den gepäckgeplagten Einkäufern
       zur Verfügung stellen. Vor jeden Supermarkt und Discounter ließen sich dann
       etwa elf dieser E-Lastenräder stellen, die nach dem Einkauf für den Heimweg
       kostenfrei genutzt werden könnten – und anschließend wieder zurückgegeben
       werden müssten.
       
       ## 20.000 neue Zebrastreifen
       
       Der Zebrastreifen war fast tot. Erstmals Anfang der 50er Jahre in
       Deutschland auf Straßen gepinselt, war er auf dem Siegeszug bis in die 60er
       Jahre. Allein in Berlin gab es zur Hochphase mehr als 700
       Fußgängerüberwege. Doch dann galt lange freie Fahrt für freie Bürger. Also
       wurden Zebrastreifen mit Flammenwerfern weggebrannt, mit Asphalt überdeckt
       oder mit schwerem Gerät weggefräst. Zur Jahrtausendwende waren in der
       Hauptstadt nur noch 103 Zebrastreifen übrig. 2001 dann die Renaissance.
       
       Die Akzeptanz ist hoch, die Unfallzahlen niedrig. In Berlin gibt es heute
       deshalb wieder etwa 400 Zebrastreifen. Doch da geht noch mehr. Ein
       Zebrastreifen kostet im Schnitt 30.000 Euro (Schilder, Beleuchtung,
       Bordsteinabsenkung). Man könnte also bundesweit gut 20.000 neue
       Zebrastreifen anlegen. Statt Zebrastreifen ließen sich auch 8 Millionen
       Paar Laufschuhe oder 11 Millionen Longboards kaufen, um die Bürger vom Auto
       auf den Bürgersteig zu befördern.
       
       30 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Paul Wrusch
       
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