URI: 
       # taz.de -- Betrug bei Dax-Konzern: Wirecard-Chef wieder in U-Haft
       
       > Die Staatsanwaltschaft erweitert ihre Vorwürfe gegen den
       > Zahlungsdienstleister Wirecard. Drei Manager wurden festgenommen.
       
   IMG Bild: Oberstaatsanwältin Anne Leiding, am Mittwoch vor Journalisten
       
       München afp | Im Skandal um den [1][insolventen Finanzdienstleister
       Wirecard] hat die Staatsanwaltschaft München I den früheren Vorstandschef
       Markus Braun wieder festgenommen. Gegen Braun sei ein neuer, erweiterter
       Haftbefehl erlassen und eröffnet worden, sagte die Sprecherin der
       Anklagebehörde, Anne Leiding, am Mittwoch vor Journalisten. Zudem seien
       zwei weitere frühere Vorstände festgenommen worden, darunter der bis 2017
       amtierende Finanzvorstand.
       
       Anlass für die Festnahmen war nach Angaben von Leiding, dass die
       Tatvorwürfe noch mal „ganz erheblich“ erweitert wurden. Seit 2015 hätten
       die drei Manager die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen von Wirecard durch
       das Vortäuschen von Einnahmen aufgebläht.
       
       Dies habe sich aus der umfassenden Aussage eines Kronzeugen ergeben. „Das
       Unternehmen sollte finanzkräftiger erscheinen,“ sagte Leiding. Damit habe
       Wirecard für andere Unternehmen attraktiver sein wollen. Es sei aber
       spätestens Ende 2015 klar gewesen, dass Wirecard Verluste machte.
       
       Durch die Täuschung hätten Banken in Deutschland und Japan sowie sonstige
       Investoren 3,2 Milliarden Euro bereit gestellt, die nun
       „höchstwahrscheinlich“ verloren seien. Strafrechtlich werde den drei
       Männern gewerbsmäßiger Bandenbetrug, Untreue, unrichtige Darstellung und
       Marktmanipulation in mehreren Fällen vorgeworfen.
       
       ## Staatsanwaltschaft erschüttert
       
       Aus ermittlungstaktischen Gründen wollte sich Leiding nicht dazu äußern,
       welchen Tatbeitrag die Staatsanwaltschaft welchem der Beschuldigten
       vorwirft. Sie zeigte sich erschüttert durch das Ausmaß der Vorwürfe. „Auch
       wir fragen uns, wie ein solches System etabliert werden konnte.“
       
       Aussagen deuteten darauf, dass bei Wirecard ein „streng hierarchisches
       System“ mit einem Korpsgeist und Treueschwüren gegenüber Braun geherrscht
       habe. „Möglicherweise erklärt das etwas.“
       
       Braun wurde der Sprecherin der Staatsanwaltschaft zufolge festgenommen, als
       er sich innerhalb der Meldeauflagen für seinen gegen eine Millionenkaution
       außer Vollzug gesetzten vorherigen Haftbefehl selbst bei der Münchner
       Polizei meldete. Die beiden anderen Manager seien ebenfalls in München
       festgenommen worden.
       
       ## Kontakte zum Bundeskanzleramt
       
       Keine Erkenntnisse konnte Leiding zum möglichen Aufenthaltsort des
       flüchtigen Ex-Vorstands Jan Marsalek nennen. Zuletzt gab es Gerüchte, er
       könnte sich in Russland oder Weissrussland aufhalten.
       
       Unterdessen wurden weitere [2][Kontakte zwischen dem Bundeskanzleramt] und
       Wirecard bekannt. Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer bestätigte am
       Mittwoch, dass der frühere Geheimdienstkoordinator der Regierung,
       Klaus-Dieter Fritsche, im September 2019 erfolgreich einen Gesprächstermin
       mit dem Wirtschaftsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU),
       Lars-Hendrik Röller, vermittelte.
       
       Schon in der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass auch der frühere
       Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in der
       Regierungszentrale für Wirecard geworben hatte. Das Kanzleramt setzte sich
       daraufhin während Merkels China-Reise Anfang September 2019 für den
       dortigen Markteintritt des Dax-Konzerns ein.
       
       ## Sondersitzung des Finanzausschusses
       
       Der Finanzausschuss des Bundestags widmet sich am Mittwoch kommender Woche
       in einer Sondersitzung dem Fall Wirecard. Bundesfinanzminister Olaf Scholz
       (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wollen sich dabei
       den Fragen der Abgeordneten stellen. Zu Forderungen nach einem Erscheinen
       auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte Demmer dagegen, sie gehe
       davon aus, „dass sie nicht daran teilnimmt“.
       
       Der Grünen-Finanzexperte Danyal Bayaz nannte die Verstrickung der
       Bundesregierung in den Fall Wirecard in Berlin „geradezu surreal“ und
       forderte umfassende Aufklärung. Die Grünen-Politikerin Lisa Paus drang in
       der „Rheinischen Post“ auf „strukturelle Reformen“ bei der
       Finanzaufsichtsbehörde Bafin.
       
       22 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Insolvenz-von-Wirecard/!5695767
   DIR [2] /Bundesregierung-und-Wirecard/!5695925
       
       ## TAGS
       
   DIR Wirecard
   DIR Betrug
   DIR Bundeskanzleramt
   DIR Wirecard
   DIR Wirecard
   DIR Wirecard
   DIR Kriminalität
   DIR Wirecard
   DIR Wirecard
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Konsequenzen aus dem Wirecard-Skandal: Finanzminister Scholz muss liefern
       
       Am Mittwoch muss Olaf Scholz vor dem Finanzausschuss zu Wirecard aussagen.
       Er muss erklären, wie die Finanzwirtschaft wirksam zu kontrollieren ist.
       
   DIR Finanzforscherin über Wirecard-Skandal: „Alarmglocken hätten läuten müssen“
       
       Bei Wirecard waren kriminelle Schaumschläger am Werk. Die Verantwortung
       liegt bei den Wirtschaftsprüfern, sagt Bankenexpertin Dorothea Schäfer.
       
   DIR FAQ zum Wirecard-Skandal: EY, was soll das?
       
       Die Prüfer von EY wollen für den Wirecard-Betrug nicht zuständig gewesen
       sein. Zocker haben es hier leicht. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
       
   DIR Insolvenz von Wirecard: Die Regierung trifft keine Schuld
       
       Im Wirecard-Skandal verhalten sich Linke und Grüne, als gelte es, ein
       Tribunal abzuhalten. Sie zeigen auf die Regierung statt auf
       Wirtschaftsprüfer.
       
   DIR Rolle der Regierung bei Wirecard-Pleite: Scholz und Altmaier sollen aussagen
       
       Die Insolvenz des Finanzdienstleisters Wirecard beschäftigt den Bundestag.
       Die Opposition will herausfinden: Was wusste die Bundesregierung wann?
       
   DIR Bundesregierung und Wirecard: Für die Kanzlerin zu unbedeutend
       
       Die Grünen raunen von Verstrickungen. Tatsächlich war Wirecard selbst als
       DAX-Konzern zu unwichtig, um sich der Förderung durchs Kanzleramt zu
       erfreuen.