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       # taz.de -- Bewohner Hongkongs in Großbritannien: „Um die Freiheit kämpfen“
       
       > Das Vereinigte Königreich will Hongkonger*innen die Einbürgerung
       > erleichtern. In Londons Chinatown nimmt man das mit gemischten Gefühlen
       > auf.
       
   IMG Bild: Chinatown in London
       
       London taz | Leerer als gewohnt ist Londons Chinatown in Tagen des
       Covid-19-Lockdowns. Die wenigen offenen Restaurants verkaufen Mahlzeiten
       nur zum Mitnehmen. Vor dem Supermarkt Loon Fung stehen gerade Lieferungen,
       die eifrig nach innen geschleppt werden. Ein Assistent mit Gesichtsmaske
       misst vor der Eingangstür die Körpertemperatur aller Einkäufer*innnen.
       Nicht weit von dort putzt Nicholas Hing, 30, die Fenster einer japanischen
       Bäckerei. Der schlanke Mann in schwarzer Hose, schwarzem T-Shirt und
       Mundschutz kommt selber jedoch aus Hongkong. Vor einem Jahr kam er nach
       London, um hier zu arbeiten.
       
       Wie denkt er über die Lage zu Hause, wo die Atmosphäre [1][wegen
       zunehmender Eingriffe der Pekinger Führung in die Autonomie der
       Sonderverwaltungsregion aufgeheizt ist]? „Es ist nicht gut. Wir müssen um
       unsere Freiheit kämpfen“, beginnt Hing. Aber Hing glaubt, dass China die
       gut laufende Wirtschaft in Hongkong zu seinen Gunsten nutzen könne, statt
       zu versuchen, die frühere britische Kronkolonie zu sehr zu kontrollieren.
       
       Karen Chen, 40, die gerade durch die Fußgängerpassage Chinatowns eilt,
       sieht das anders. „China geht es gerade viel zu gut, als dass Hongkong für
       das Land besonders wichtig wäre, und die wirtschaftlichen Beziehungen mit
       Ländern wie den USA und Großbritannien haben sich verschlechtert.“ Diese
       könnten also nicht mäßigend einwirken. Sie ist der Meinung, dass nur enge
       Handelspartner Einfluss auf die Regierung haben können – so wie die USA in
       Zeiten vor Trump.
       
       Letztes Jahr protestierte sie noch auf einer Londoner Demo in Solidarität
       mit Hongkongs Demokratiebewegung. Doch in Pandemiezeiten gibt es hier keine
       Demo, auf die sie gehen könnte. Chen hat sich damit abgefunden. Aber es
       bleibt ein Gefühl des Unbehagens. Warum? „Es könnte alles so schlimm werden
       wie damals am Tiananmen-Platz“, vermutet sie.
       
       ## Einfacher wird es für die vor 1997 Geborenen
       
       Immerhin kündigte die britische Regierung vor einer Woche an, dass sie
       Einreisebestimmungen für Hongkonger*innen erleichtern wird, die vor 1997
       geboren wurden. Darin soll das Aufenthaltsrecht mit Studien- und
       Arbeitserlaubnis von sechs auf 12 Monate verlängert werden – als
       Vorbereitung auf eine mögliche Staatsbürgerschaft.
       
       Hilft das Chens Familie? Die Einzelhandelskauffrau schüttelt den Kopf. Sie
       und ihre Brüder sind bereits Brit*innen.
       
       Auch Hing ist skeptisch. „Wenn wir die Wirtschaftslage hier mit Brexit und
       Coronavirus und dem Sprach- und- Kulturunterschied betrachten, ist
       Großbritannien im Gegensatz zu anderen asiatischen Ländern wie Taiwan und
       Singapur eher eine der letzten Optionen“, gesteht er.
       
       Und was meinen jene, die in Großbritannien die Hongkonger
       Demokratiebewegung repräsentieren? Ein junger Mann von Democracy for
       Hongkong UK (D4HK) hat sich bereiterklärt, über einen
       Videokommunikationsdienst mit der taz zu sprechen – seinen Namen mag er aus
       Angst vor Repressalien nicht genannt wissen. Die Ankündigungen der
       britischen Regierung zu den Einreisebestimmungen nennt er „erste
       Babyschritte“. Klar trage Großbritannien eine Verantwortung, „denn die
       überließen damals Hongkong China, ohne auf Hongkonger*innen zu hören“.
       
       ## Den Jungen bleibt nur der Weg über politisches Asyl
       
       Dass die Bestimmungen für jüngere Hongkonger*innen nicht gelten sollen, sei
       ein Problem. „Die meisten, die gerade die Protestbewegung führen, sind
       Student*innen und junge Menschen.“ Ihnen bleibe nur der Weg über
       politisches Asyl. Aber auch der Aktivist sagt, dass viele Hongkonger*innen
       lieber in asiatische Nachbarstaaten ziehen würden.
       
       Statt auf eine Ausreise würden außerdem viele auf die Hoffnung einer
       wirtschaftlichen Krise Chinas setzen, sagt er. „Wenn wir ein bisschen
       länger Geduld haben, könnte alles besser werden, weil Hongkong weiterhin
       wirtschaftlich stark bleiben wird.“ Dann müsse China vom geplanten
       Eingreifen ablassen, um von der wirtschaftlichen Stärke zu profitieren.
       
       D4HK bleibt wegen der Coronaregeln auch in Großbritannien derzeit nichts
       anderes, als die Kampagne online zu führen. „Wir rufen am 4. Juni zur
       Andachtsaktion im Internet zum Gedenken des Tiananmen-Platz-Massakers auf,
       denn [2][China hat verboten, solche Andachten in Hongkong auszutragen]“,
       erklärt der DH4K-Sprecher.
       
       4 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Sicherheitsgesetz-fuer-Sonderzone/!5688998&s=Hongkong/
   DIR [2] /Tiananmen-Gedenken-verboten/!5686153&s=Hongkong/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Zylbersztajn
       
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